Wenn Bäume vertrocknen: Fichte und Buche machen Geräusche im Ultraschall-Bereich

Die Botanikerin Barbara Beikircher hört Bäumen ganz genau zu – im wörtlichen Sinn. Denn nahe München belauscht sie einen Wald mit Ultraschallsensoren.

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Die überdachte Fläche rechts hält Wasser von den Bäumen ab, links ist eine Kontrollfläche. Mit modernen Messinstrumenten lässt sich unter anderem hören, wie Bäume "stöhnen", wenn sie zu wenig Wasser bekommen.

(Bild: Universität Innsbruck/Beikircher)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hanns-J. Neubert
Inhaltsverzeichnis

Die Botanikerin Barbara Beikircher ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe für Ökophysiologie am Institut für Botanik der Universität Innsbruck und forscht zur Trockenheitsanpassung und Erholung von Buche und Fichte im Kranzberger Forst, nördlich des Münchner Flughafens. Dort hat sie den Wald unter anderem mit Ultraschallsensoren ausgestattet. Was sie damit hört, verrät sie im Interview.

Immer längere Trockenzeiten, bedingt durch den Klimawandel, setzen den mitteleuropäischen Wäldern zu. Was erforschen Sie genau?

Das Ziel unserer Forschung ist herauszufinden, wie Wälder reagieren, wenn die Sommertrockenheit in Zukunft zunimmt. In unserm Fall sind es Buchen- und Fichtenwälder. Es wird ja außerdem noch immer wärmer. Die Kombination aus Trockenheit und Hitzeperioden setzen die Bäume zunehmend unter Stress. Wir wollen herausfinden, wie Buche und Fichte auf diese Kombination reagieren. Denn diese beiden Arten sind in unsern Breitengraden ja besonders wichtig.

Warum forschen Sie ausgerechnet im Kranzberger Forst bei München?

Wir können dort an einem Ort forschen, wo wir sehr viele technische Möglichkeiten haben. Vor mittlerweile 13 Jahren haben Wissenschaftler dort angefangen, unterschiedliche Teilflächen auszuweisen, auf denen viele verschiedene Messungen stattfinden. Außerdem gibt es dort einen Kran, mit dem wir bis in den Kronenbereich kommen können. Das sind Möglichkeiten, die man weltweit nur an einer Handvoll Orten hat.

Die Botanikerin Barbara Beikircher.

(Bild: Beikircher)

Wie sind Sie konkret vorgegangen?

Unser Projekt ist ein Teilprojekt des Kranzberg Roof Experiments (KROOF). Wir haben geschaut, wie das hydraulische System von Pflanzen auf Trockenstress reagiert.

Wasser wird im Baum im Holzteil nach oben geleitet. Im Holzteil haben wir Zehntausende kleiner, sehr feine Röhren, die hintereinander gestaltet sind, die Leitgefäße. Wenn Wasser oben verloren geht, wird es durch den ganzen Stamm nachgezogen. Dringt in so ein Leitgefäß Luft ein, dann fällt es für den Wassertransport aus. Dieses Eindringen von Luft in ein einzelnes Gefäß erzeugt ein Geräusch, das man man im Ultraschallbereich hören kann. Da setzt unsere erste Methode an.

Wir haben Ultraschallsensoren entlang von trockengestressten Bäumen und Kontrollbäumen angedockt. An einem schönen Sommertag, wo die Transpiration sehr hoch ist, haben wir geschaut, ob es Unterschiede zwischen trockengestressten Bäumen und Kontrollbäumen gibt. Wir konnten zeigen, dass es deutlich mehr solcher Embolieereignisse in trockengestressten Bäumen gibt.

Und die zweite Methode?

Das war die Widerstandstomografie. Damit schaut man praktisch in den Stamm hinein, ohne eine Probe nehmen zu müssen. Man legt um den Stamm herum eine Spannung an und bekommt dann ein farbiges Bild, das zeigt, wie das Wasser im Querschnitt des Stammes verteilt und wie dicht das Holz ist. Damit konnten wir sehen, dass ein trockengestresster Baum weniger Wasser im Stamm gespeichert hat als ein Kontrollbaum.

Zusammengenommen: Was bedeutet das für den Umgang der Bäume mit Trockenzeiten?

Durch die Widerstandstomografie haben wir gesehen, dass bei den trockengestressten Bäumen die internen Wasserspeicher angezapft wurden. Nach einem Jahr haben wir sie dann wieder bewässert und erneut untersucht. Dabei sahen wir, dass sich die Fichten großenteils wieder erholten. Dennoch haben ihre Wasserspeicher nicht vollständig auffüllen können. Kommt es also nach einem Jahr wieder zu einem Trockenereignis, starten diese Bäume schon mit einem geringeren Wasserspeicher. Die Fichte ist nach jedem Trockenereignis also schlechter vorbereitet für eine neue Trockenzeit. Bei der Buche war das nicht so. Wenn einzelne Leitgefäße mit Luft gefüllt sind, bedeutet das für den Baum noch nicht den Tod. Aber ab einem bestimmten Schwellenwert geht der Baum einfach dem Tod zu.

Ist dieser Schwellenwert in vielen Wäldern nicht schon überschritten?

Ein trockengestresster Baum stirbt nicht unbedingt ab, weil er trockengestresst ist. Er kann sich vielleicht erholen, wenn er wieder Wasser bekommt. Aber er ist gleichzeitig anfälliger für viele andere Faktoren, darunter auch den Borkenkäfer. Der geht auf die Bäume, die unter Stress stehen.

Verdursten Bäume eher aus Wassermangel, oder verhungern sie, weil sie durch den unterbrochenen Wassertransport nicht mehr genügend Nährstoffe bekommen?

Es kommt zum einen auf die Art an, zum anderen spielt die Zeit eine Rolle. Die Fichte kann relativ lange mit Trockenheit zurechtkommen, weil sie ihren Wasserverlust einfach komplett einstellt. Aber wenn diese Trockenheit lange andauert, kann sie in dieser Zeit keine Fotosynthese betreiben. Dann verhungert sie vielleicht irgendwann. Die Buche verhält sich anders. Sie hat die Spaltöffnungen ihrer Blätter recht lange offen und verliert lange Wasser, weil sie versucht, möglichst lange Fotosynthese zu betreiben. Dadurch verhungert sie vielleicht nicht so leicht. Wenn der Trockenstress aber sehr lange dauert, dann hat sie irgendwann einen Schwellenwert erreicht, an dem sie stirbt. Aber schlussendlich stirbt ein Baum vielleicht nicht am Trockenstress, sondern am Borkenkäfer.

Wer ist empfindlicher gegenüber Trockenheit: Buche oder Fichte?

Das ist eindeutig die Fichte, weil sie zum Beispiel kein tief gehendes Wurzelsystem hat. Die Buche hat den Vorteil, dass sie viel tiefer wurzelt und somit auch noch Wasser in tieferen Bodenschichten erreichen kann.

Ein anderer Projektpartner hat deswegen versucht, die Hypothese zu überprüfen, ob die Fichte von der Buche profitieren könnte. Die Buche holt das Wasser aus tieferen Schichten und könnte es in geringerer Tiefe abgeben. Die Ergebnisse waren aber nicht ganz eindeutig. Dennoch gibt es die Idee, dass unterschiedliche Bäume voneinander profitieren können. Man weiß ja, dass Mischkulturen viel widerstandsfähiger sind als Einzelkulturen.

Was bedeutet das für die Waldwirtschaft?

Förster und Waldbesitzer müssen ja heute entscheiden, welche Bäume sie anpflanzen. Und das wirkt sich bei den nächsten Generationen aus. Nur wenn wir wissen, wie Bäume reagieren, wie sie mit Trockenheit zurechtkommen, ob sie ihre Widerstandsfähigkeit anpassen, können wir auch gute Entscheidungen treffen, die sich in Jahrzehnten auswirken.

(jle)