Wie Ada Lovelace Wissenschaft und Poesie verband

Die Namensgeberin des "Ada Lovelace Day" erkannte sehr früh die Möglichkeiten der Rechenmaschine und soll daher für andere Frauen und Mädchen ein Vorbild sein.

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Porträt von Ada Lovelace, angefertigt wahrscheinlich von Alfred Edward Chalon

(Bild: gemeinfrei)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Gordon Bolduan

Ada Lovelace ist die namengebende Patin des Ada Lovelace Day, der jährlich am zweiten Dienstag im Oktober begangen wird. An diesem Tag sollen die Leistungen, betont werden, die Frauen zur Wissenschaft und besonders zum sogenannten MINT-Bereich beigetragen haben. Mit Events und Aktionen in Forschungseinrichtungen vor allem in Großbritannien sollen Frauen durch Menschen wie Ada Lovelace und andere Pionierinnen inspiriert werden.

Lovelace gilt als erste Programmiererin der Welt und erstellte ein Computerprogramm für die von Charles Babbage entwickelte Analytical Engine. Für ein Gespräch steht die 1815 geborene Lovelace heute leider nicht mehr zur Verfügung, doch basierend auf der Biografie von Benjamin Woolley, "Byrons Tochter: Ada Lovelace", hat die Redaktion von MIT Technology Review ein Interview erstellt, das noch einmal den Geist von Lovelace zum Leben erweckt.

Verehrte Countess, es freut mich sehr, dass dieses Gespräch doch noch zustande gekommen ist.

Mich wundert es eher. Meine liebe Frau Mutter wacht so sehr über mich, dass selbst mein Mann William und meine Kinder nicht an mein Krankenbett dürfen.

Greifen Sie deswegen schon am frühen Morgen zum Rotwein?

Natürlich nicht! Mein Leibarzt Charles Locock hat mir den Wein verschrieben, um mein Nervenleiden zu mindern. Eigentlich probiere ich gerade das neue Opium-System aus, indem ich über die Woche verteilt Laudanum oder Morphium konsumiere. Jedoch setzt dies Ruhe und Entspannung voraus, womit aufgrund Ihres Besuchs wohl nicht zu rechnen ist.

Countess!

Sie sind Journalist! Ihre Zunft degradiert mich seit meiner Geburt zum öffentlichen Spektakel – wie zuvor schon meinen Vater ...

... den berühmten Lord Byron, den Sie niemals kennenlernten, weil Ihre Mutter es nicht wollte? Erst als Sie schon 20 Jahre alt waren, durften Sie ein Porträtbild von ihm betrachten.

Ja, ganz genau. Aber ich sage es Ihnen gleich: Ich rede nicht über meinen Vater und auch nicht über meine Affären.

Bitte beruhigen Sie sich. Ich interessiere mich nicht für Ihr Privatleben, sondern nur für die von Ihnen beschriebene Technologie.

Für welches Magazin arbeiten Sie?

MIT Technology Review. Das ist ein deutschsprachiges Wissenschaftsmagazin Anfang des 21. Jahrhunderts, mit Verbindungen nach Amerika.

Ich kenne nur die "Westminster Review" und natürlich "Taylor’s Scientific Memoirs" ...

... in dem Sie 1843, vor acht Jahren, Ihre viel gelobten Erläuterungen zur analyti- schen Maschine von Charles Babbage publizierten, ein Gerät, das Instruktionen liest, um mathematische Probleme zu lösen. Doch woran haben Sie seitdem geforscht?

An einem mathematischen Modell, das beschreibt, wie das Gehirn Gedanken entstehen lässt und wie Nerven Gefühle hervorbringen.

Eine Art "künstliche Intelligenz"?

So weit würde ich nicht gehen. Aber schauen Sie sich die bahnbrechenden Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Astronomie in den letzten Jahren an. Mir scheint es nicht einsichtig, warum das Gehirn für Mathematiker schwerer zu handhaben sein sollte als Sterne, Planeten und ihre Bewegungen – wenn sie es nur aus der richtigen Warte betrachten.

Wie weit sind Sie?

Ich befinde mich noch am Anfang. Daher habe ich versucht, mehr über die Substanz in Erfahrung zu bringen, aus der Nerven bestehen. Dazu habe ich praktische Experimente durchgeführt, für die ich mir äußerste Geschicklichkeit im Umgang mit Blut, Gehirn und Nerven aneignen musste.

Was Sie nicht sagen. Ihre spätere Berühmtheit verdanken Sie indes dem Babbage-Aufsatz. Was hat Sie an seiner Technologie so gereizt?

Ich hatte bereits als junges Mädchen während einer seiner schillernden Abendempfänge die Gelegenheit, ein Modell seiner Maschine zu sehen. Ich war sofort von der Schönheit fasziniert. Als dann Charles auf die Idee kam, Lochkarten einzusetzen, war mir klar, dass damit die Grenzen herkömmlicher Arithmetik überschritten waren.

Durch Formulierungen wie "dass die Maschine algebraische Muster webt wie der Jacquard-Webstuhl Blumen und Blätter" haben Sie dies auch gegenüber Ihren Lesern verdeutlicht und sich damit zu Recht als Poetin der Wissenschaft ausgezeichnet. Sie gelten für uns sogar als Erfinderin der ersten Programmiersprache und damit auch als die erste Programmiererin.

Ist das ein Titel?

Bitte entschuldigen Sie. Eine Programmiersprache umfasst die Anweisungen, die beschreiben, wie eine Rechenmaschine vorgeht. Eine Programmiererin ist eine Frau, die sich diese Sprache ausdenkt.

Ich habe lediglich Tabellen verfasst, die beschreiben, wie die Maschine die Bernoulli-Zahlen berechnet, eine endlose Zahlenreihe. Das war allerdings eine elende Plackerei.

Ada Lovelace - Meilensteine ihres Lebens
1815: Augusta Ada Byron wird am 10. Dezember in London geboren. Ihre Eltern sind der Dichter George Gordon Lord Byron und Annabella Byron.
1816: Ada ist nur wenige Wochen alt, als sich ihre Eltern trennen. Lord Byron verlässt England und stirbt 1824 in Griechenland, ohne Ada nochmals gesehen zu haben.
1835: Heirat mit William King, dem achten Baron von Ockham.
1838: Adas Gatte erhält den Titel Earl of Lovelace, Ada wird damit zur Countess of Lovelace.
1843: Ada Lovelace publiziert "Observations on Mr. Babbage’s Analytical Engine" unter dem Akronym A.A.L.
1851: Bei ihr wird Gebärmutterkrebs festgestellt.
1852: Ada Lovelace stirbt und wird neben ihrem Vater bestattet.

Allerdings gibt es auch Stimmen, die sagen, dass Ihnen dazu das mathematische Verständnis fehlte. Was sagen Sie dazu?

Ich bin sicher keine geniale Mathematikerin. Obwohl mich Charles immer seine Zahlenzauberin nannte, wirkte der Zauber eher auf mich. Zahlen, mathematische Zeichen, Gleichungen waren für mich immer Kobolde und Feen, trügerische, verführerische Geschöpfe, die jede beliebige Gestalt annahmen. Dennoch habe ich die Tabellen selber verfasst. Mister Babbage hat sie lediglich gegengelesen.

Immerhin hatten Sie mit Augustus de Morgan einen sehr guten Lehrer. Noch heute pauken Mathematik-Studenten die De Morgan’schen Gesetze.

Ich hatte Glück. Nur meine Zugehörigkeit zur Upper Class hat mir solche Lehrer ermöglicht. Meine Freundin Mary Sommerville – die "London Times" bezeichnet sie als Königin der Wissenschaft – musste sich die Mathematik anhand von Frauenzeitschriften aneignen. Frauen sind jedoch nicht weniger für die Wissenschaft geeignet als Männer, wissen Sie?

In meinem Jahrhundert hat es die Frau in der Forschung etwas leichter. Dazu trägt auch der Ada-Lovelace-Tag an jedem zweiten Dienstag im Oktober bei. An diesem Tag führt man begabte junge Frauen an das Studium der Rechenmaschinen heran.

Sie glauben gar nicht, wie sehr mich diese Nachricht erfreut.

(jle)