"Wir unterscheiden"

Eine "Diskriminierung" in einem neutralen Sinn sei ein Gebot der Fairness, sagt Regenauer. Deshalb will die Branche zumindest über von Kunden selbst vorgenommene Gentests informiert werden

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Von
  • Birgit Will

Die Bundesregierung plant, Versicherungen den Einblick in Gentests zu verwehren. Dabei hatten die betroffenen Unternehmen bereits vorher ihren freiwilligen, bis 2011 befristeten Verzicht auf Einblick ins Erbgut erklärt - und protestieren jetzt dennoch gegen den Plan der Regierung.

"Ein Gesetz hat kein Ablaufdatum", erklärt Achim Regenauer, Chefmediziner der Münchener Rückversicherung, im Interview mit Technology Review. "Wir stehen erst am Anfang einer faszinierenden Entwicklung, deren Ausgang derzeit nicht bestimmbar ist." Regenauer wehrt sich zugleich gegen Verdacht, dass die Versicherungskonzerne für die Zukunft auf den "transparenten Kunden" spekuliert: "Wenn man dieses Szenario durchspielt, dann erkennt man, dass wir dann unserer Geschäftsgrundlage beraubt wären. Unser Geschäft ist die Unsicherheit."

Das geplante Gesetz wäre zum Schaden vieler Versicherungskunden, sagt Regenauer, nämlich jener, deren Krankheitsrisiko sich mit herkömmlichen Verfahren ermitteln lässt, etwa mit Blutdruckmessung oder Ultraschall. Sie sind verpflichtet, das Resultat der Versicherung vor Vertragsabschluss mitzuteilen. "Hat sich dagegen jemand per Gentest auf eine Krebserkrankung testen lassen, muss er uns das nicht mitteilen", sagt Regenauer. Er zieht den Vergleich zum verbotenen Insiderhandel auf dem Aktienmarkt: "Niemand darf sich Vorteile auf Kosten der Allgemeinheit verschaffen, weil ihm relevantes Wissen vorzeitig zur Verfügung steht."

Zurzeit werden laut Regenauer im deutschen Gesundheitswesen etwa 90.000 Gentests pro Jahr durchgeführt, die meist sehr seltene so genannte monogenetische Erkrankungen untersuchen. Allerdings rechnet Regenauer für die nächsten 10 bis 20 Jahre nicht mit dramatischen Auswirkungen des Gesetzes auf die Versicherungswirtschaft - erst "wenn es aber Gentests auf häufige Volkskrankheiten gäbe, dann könnte es einmal kritisch werden." Das Risiko auf Diabetes, Herzinfakt oder Schlaganfall lässt sich noch nicht aus dem Erbgut lesen.

Bisher gibt es Gentests nur für Krankheiten, deren Ursache in sehr wenigen Genen liegt, etwa die seltene Chorea Huntington. Doch es existieren auch einfache und nützliche Tests, wie den auf Hämachromatose, eine Eisenspeicherkrankheit. In ihrem Fall, sagt Regenauer, sind Gentests für Versicherungen wie Kunden gleichermaßen von Vorteil: "Sie kann mit einer simplen Aderlass-Therapie wirksam behandelt werden. Das ist für den Kunden günstig, und auch für die Versicherung."

(Zusammenfassung aus Technology Review Nr. 2/2005; das Heft mit dem vollständigen Artikel können Sie hier bestellen) (sma)