Zahlen, bitte! 18 Bahnen auf einen Schlag: Minigolf mit strenger Mathematik

Beim Minigolf sind die 18 Bahnen exakt genormt und bieten selbst für Abituraufgaben genug Präzision. Bei den Bällen sind die Regeln allerdings großzügiger.

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(Bild: Minigolf-Bild: Mike Fernwood CC BY-SA 2.0, Bearbeitung: Markus Will)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Wer kennt sie nicht aus dem Matheunterricht, die Minigolf-Aufgaben mit der Formel "Einfallswinkel = Ausfallswinkel" oder die Polynomenfunktion für die Berechnung, wie der Ball hochrollen muss? Vor 70 Jahren wurde in der Schweiz in Ascona die erste Minigolf-Anlage des Systems Bongni eröffnet, die in ihrer Standardisierung Exaktheit versprach, die nicht nur für Mathematikaufgaben geeignet ist.

Die Folge der Standardisierung war, dass sich Minigolf als Präzisionssportart entwickeln konnte. Nicht wirklich standardisiert sind jedoch die Bälle. Das hat zur Folge, dass heutige Spitzensportler mit bis zu 300 Bällen unterwegs sind, die je nach Terrain auch noch besonders erwärmt oder gekühlt werden müssen.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Dabei gab es schön früher Bestrebungen eines Golfspiels im Miniformat: In der Geschichte nennt man gern das verkürzte Frauengolf im schottischen St. Andrews als Ursprung, doch genauso könnte man das Spiel Chi-Wan der Nantang-Dynastie von China (ab 937) anführen. Bei ihm musste ein Ball mit einem Stock über Hindernisse hinweg in ein Loch befördert werden.

Auf dem Dachgarten des Eden-Hotels in Berlin befand sich der erste Minigolf-Platz Deutschlands.

(Bild: Bundesarchiv, Bild 102-10637 / CC-BY-SA 3.0)

Das Minigolfen im heutigen Sinn geht eher auf einen britischen Erfinder zurück, der 1907 das Spiel Golfstacle erfand und patentieren ließ, eine Mischung aus Crocket und Minigolf. Aus diesem Ansatz entwickelte sich das heutige Cobigolf. Der zweite wichtige Impuls kam von dem britischen Geschäftsmann James Welles Barber. Er ließ im amerikanischen Exil seinen Garten zum Golfplatz umbauen. Im schicken Pinehurst entstand so der "Thistle Dhu", ein schwer zu bespielender Klein-Golfplatz.

Teil des Minigolf-Patents, welches Paul Bongni im Jahr 1951 anmeldete

(Bild: Detlef Borchers)

Ein Schweizer Hotelier baute in seinem verwinkelten Gelände den Gästen auf engstem Raum eine Golfanlage zum Putten an einem See. Möglicherweise war er von dem Golfkurs beeinflusst, den das Hotel Eden in Berlin 1930 auf der Dachterasse seinen Gästen offerierte.

Der aus dem Tessin stammende Gartenarchitekt Paul Bongni hatte mit etlichen Experimenten die Aufgabe eines Hoteliers gelöst, einen verkleinerten Golfkurs mit 18 Bahnen auf einer Fläche von 300 m² zu realisieren, bei denen das Putten mit einem Schlag möglich war. Seine Lösung war eine Folge von ineinander versetzten Bahnen, die die bis auf eine Weitschlag-Bahn (Nummer 7) strikt standardisiert wurden und allesamt 12 Meter lang und 1,25 Meter breit waren.

Er fand mit seinen Mitarbeitern nach einiger Tüftelei ein System, das er 1951 zum Patent anmeldete. Nicht nur die Lage und Abfolge der 18 Bahnen war ausgefeilt angeordnet, sondern auch die Bahnen selbst sind im Regelwerk strikt normiert (PDF-Datei) und damit in Grenzen vergleichbar. Die Vorgabe: Alle Bahnen müssen mit einem Schlag gespielt werden können. Über die Zahl dieser Asse kann der Sieger in einem Turnier ermittelt werden: Die Sportart Minigolf war geboren.

Screenshot einer illustrierten Lösung zu einer Mathematikaufgabe der analytischen Geometrie. Durch die Physik und der kompakten Darstellung aus der Praxis ist Minigolf ein beliebtes Thema in mathematischen Aufgaben.

(Bild: Mathelounge.de)

Für Deutschland und die Benelux-Länder sicherte sich der Mediziner Werner Spier die Lizenz am Bongni-System, um einen Minigolf-Platz an seinem Krankenhaus in Traben-Trarbach bauen zu können. Das geschah 1955. Insgesamt entstanden so 250 Minigolf-Anlagen. Spiers System der regionalen Schutzzonen für die Anlagen brachte den Hamburger Kaufmann Adolf Rolf Pless 1956 dazu, ein "Miniatur-Golf" zu standardisieren, bei dem die Bahnen 6,25 Meter lang und 0,9 Meter breit waren.

Die beiden europäischen Spielarten, das Minigolf wie das Miniaturgolf kümmerten sich um das Regelwerk und den Bahnenbau, ließen aber die Bälle außen vor, mit denen auf den Bahnen gespielt werden durfte. Hier wurde nur die Größe des Balles festgelegt. Das hatte zur Folge, dass mit vielen Ballsorten gespielt wird und Leistungsport-SpielerInnen mit 90 oder mehr Bällen in Spezialsäcken antreten, die je nach Wetter obendrein gekühlt oder erwärmt werden müssen. Das geschieht entweder mithilfe der Kleidung oder in Heizungskästen und Kühlboxen. Für alle möglichen Bahnvarianten halten die Spitzensportler mehrere hundert bis tausend Bälle in ihrem Bällebad daheim parat. Während Groß-Golf schon mehrfach Bestandteil der Olympischen Spiele war (zuletzt 2016), steht dem Minigolf dieser Adelsschlag noch aus.

Die von Hamburger Kunststudenten entwickelten Hindernisse waren ebenfalls genormt, doch gab es größere Freiheiten beim Anlagenbau. Auf dem Höhepunkt der deutschen Golfleidenschaft in den 70er-Jahren gab es 3000 Golfanlagen dieser Art.

Heute gibt es in Deutschland 222 Vereine viele Spielklassen bis hin zur Bundesliga. Die Bahnen nach dem System Bongni konnten natürlich in anderen Kulturlandschaften anders angeordnet werden, mit Bänken bestückt, unter Bäumen oder im offenen Gelände, doch die Spielfolge der einzelnen Bahnen ist festgelegt. Bis auf die Bahn Nummer 7, den "Weitschlag" mit 25 Metern sind alle Bahnen gleich lang und können mit einem Schläger gespielt werden: Die Einstands- oder die Mietkosten für eine Partie Minigolf sind also günstig.

Mit modernen Anlagen wie hier mit Schwarzlicht wollen Betreiber das angestaubte Image von Minigolf loswerden. Mittlerweile gibt es zudem auch im VR-Bereich verschiedene Möglichkeiten den Ball zu spielen.

(Bild: TMBLover , CC BY-SA 4.0)

Nach Angaben des deutschen Minigolfsportverbandes spielen 20 Millionen Deutsche jährlich eine Partie. Mit seiner Idee der weitgehenden Standardisierung setzte sich Bongni von früheren US-amerikanischen Kleingolf-Systemen wie Tom Thumb oder Putt Putt Golf ab, die ebenfalls lizenziert werden konnten, aber den Erbauern bei den Bahnen freie Hand ließen. Tom Thumb wurde als Midget-Golf beworben, wegen der Zwerge, die die Golf-Bahnen bevölkerten.

Thristle Dhu wurde zum Vorbild des bereits erwähnten Tom Thumb Golf, das der Hotelier John Garnet Carter 1927 patentieren ließ. Er hatte den Minigolf-Kurs an seinem Fairyland Inn in Georgia gebaut, von dem in den Roaring Twenties Hunderte Ableger entstanden. Während Tom Thum Golf-Kurse wie Thristle Dhu auf Grasböden angelegt waren, ging der Erfinder Thomas McCulloch Fairbairn weiter. Er entwickelte und patentierte eine Art Kunstrasen aus Sägemehl, Sand und Öl, der überall ausgestreut werden konnte. Seine Idee war es, Kleingolfplätze auf Flachdächern in den Städten anzubieten. Ende 1920 gab es allein in New York 140 solcher Plätze in luftiger Höhe, auf denen mit Kautschuk-Bällen gespielt wurde.

Verlässt man die sportliche Seite des Klein-Golfspieles, so kann man sich bei Adventuregolf mit bis zu 15 Meter langen Bahnen amüsieren oder sich in einer Halle beim Schwarzlicht-Minigolf auf einen psychedelischen Trip begeben. Indoor kann man auch virtuelles Minigolf spielen, das als "Spielvergnügen der Zukunft" beworben wird, oder man sitzt am heimischen PC, auch wenn dann das Lungern im Schatten mit einem Eis fehlt, das zu den klassischen Kindheitserinnerungen zählt. Oder kommen da nur Erinnerungen an die Minigolf-Mathematikaufgaben? (PDF-Datei)

(mawi)