Zweitverwertung

Für einen PC weniger zahlen als für eine Tankfüllung? Wenn es ein Gebrauchter sein darf, kein Problem. Das spart nicht nur Geld, sondern man erhält mit etwas Glück einen hochwertigen Markenrechner, der prima zum Surfen, E-Mailen sowie Textverarbeiten und Co. taugt.

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Von
  • Benjamin Benz
Inhaltsverzeichnis

Der Wert eines PC sinkt im ersten Jahr nach dem Kauf ebenso schnell wie der eines Autos. Doch während Gebrauchtwagen durchaus salonfähig sind und auch nach vielen Jahren ihren Zweck noch tadellos erfüllen, gilt der High-End-Rechner schon nach zwei oder drei Jahren als „altes Eisen“. Zu Unrecht, denn er erledigt fast alle Routineaufgaben weiterhin mühelos. Briefeschreiben, E-Mailen, Websurfen, Archivieren der Urlaubsfotos und Abspielen von Videos, all das gehörte bereits vor drei oder vier Jahren zum Alltag.

Die Anforderungen an einen PC steigen längst nicht so schnell, wie die PC-Industrie das vielleicht gerne hätte. Lediglich bei PC-Spielen insbesondere 3D-Egoshootern, beim Transcodieren von Videos und einigen anderen Spezialfällen kann ein moderner PC wirklich auftrumpfen. Doch als Fileserver, Router, Schreibmaschine oder Multimediaplayer eignet sich ein PC im „besten Alter“ genauso gut.

Für rund 100 Euro gehen Markengeräte über den Tisch, die womöglich weniger Kummer verursachen als ein nagelneues Discount-“Schnäppchen“; selbst eine Garantie von einem Jahr Garantie ist für Gebraucht-PCs mittlerweile Standard. Das Risiko eines Fehlkaufes entfällt dadurch fast völlig. Funktioniert ein Second-Hand-Rechner nicht auf Anhieb, steht der Verkäufer in der Pflicht.

Ein Gebraucht-PC verlockt nicht nur durch den niedrigen Anschaffungspreis, sondern beruhigt auch das ökologische Gewissen. Verlängerte Produktlebenszeiten führen zu weniger schwer entsorgbarem Elektronikschrott und effizienterer Nutzung der verwendeten Rohstoffe und Resourcen. Außerdem wandeln ältere CPUs deutlich weniger elektrische Energie in Wärme um als die meisten aktuellen Chips. Besonders bei Rechnern im Dauerbetrieb wirken sich Unterschiede von 20 bis 60 Watt durchaus auch auf die Stromrechnung aus.

Zentrale Anlaufstelle für gebrauchte PCs ist mittlerweile das Online-Auktionshaus Ebay. Allerdings dominieren bei PCs nicht die privaten Angebote von einzelnen ausrangierten Rechnern, sondern die Offerten einer ganzen Riege professioneller Händler. Die Liste solcher Auktionen ist zwar lang, doch von Produktvielfalt kann nicht die Rede sein. Die meisten Rechner stammen aus der Scenic-Reihe von Fujitsu Siemens oder der Netvista-Familie von IBM. Daneben sieht man noch oft Deskpros von Compaq und Vectras von HP. Diese Modelle waren vor drei bis vier Jahren als Business-PCs beliebt, sind mittlerweile steuerlich abgeschrieben und fliegen nun bei Versicherungen, Banken und Co. raus. Zwischenhändler erwerben die abgeschriebenen Business-PCs, löschen die Festplatten und checken die PCs im Idealfall komplett durch.

Die Großfirmen legen beim PC-Kauf viel Wert auf Qualität und greifen gewöhnlich nicht zu Discount-Rechnern. Solide mechanischer Verarbeitung und ein langjähriger Treiber- und Ersatzteilservice sind vorrangige Auswahlkriterien. So verwundert es auch nicht weiter, dass in einigen MHz-Rubriken bei Ebay bestimmte Rechnertypen massenhaft auftreten und andere überhaupt nicht. Beispielsweise bietet praktisch niemand PCs mit AMD-Prozessoren an - vor vier Jahren spielten sie bei den Office-PCs keine Rolle. Die Liga bis 1 GHz dominierten zum Redaktionsschluss eindeutig Scenic-PCs von Fujitsu Siemens.

Sieben PCs aus anonymen Einkäufen zeigen in unserem Test stellvertretend für die Gattung der „Gebrauchten“, ob sie ihrem Ruf als zuverlässige Arbeitspferde noch gerecht werden. Sie kosteten jeweils um die 100 Euro zuzüglich 15 bis 25 Euro Versandspesen. Diese Preiskategorie scheint uns am attraktivsten: Darunter zahlt man - in Relation zum Warenwert - zu viel Versandspesen, und für etwas über 200 Euro bekommt man schon die billigsten Neurechner. Die Vorgabe für die Testkäufe engte die Auswahl bei Ebay auf die Rubrik „Rechner ab 600 MHz“ ein, in der Rubrik für „Rechner ab 1 GHz“ liegen die Preise meist schon deutlich höher.

Da wir Wert auf Garantie legten, kamen nur „Sofort-Kaufen-Angebote“ von Händlern in die engere Auswahl. Die echten Auktionen von Privatanbietern blieben außen vor. Natürlich hatten wir dabei auch Gelegenheit, zu erkunden, wie die Händler den Garantiebegriff im Problemfall auslegten.

Für welches Betriebssystem, für welche Anwendungen sind die älteren Rechner überhaupt noch geeignet? Diesen Frage gehen wir in zwei weiteren Artikeln ausführlich nach: Ohne große Umstände stellt sich auch ein 700-MHz-Rechner mit Windows XP fast allen Herausforderungen (siehe Seite 114, c't 21/05). Wer kein Geld für ein Betriebssystem ausgeben möchte, greift zu Linux (siehe Seite 118, c't 21/05). Einen aktuellen Marktpreisspiegel liefern die Ergebnisse unsere Gebraucht-PC-Umfrage ab Seite 122, c't 21/05.

Zwar ändert sich das Angebot an gebrauchten Rechnern über einen relativ langen Zeitraum kaum, jedes Exemplar ist aber in gewisser Weise ein Einzelstück. Der Büro-PC eines Außendienstmitarbeiters mag nur wenige Betriebsstunden absolviert, sein Schwestergerät im Sekretariat könnte hingegen schon viel erduldet haben. Da es somit auch kaum sinnvoll ist, ein bestimmtes Modell zu empfehlen, fassen wir unsere Erfahrungen zusammen. Die Leistungsdaten der sieben Systeme finden sich wie üblich in den Tabellen.

Sechs der insgesamt sieben gebrauchten Rechner stammen aus Ebay-Sofort-Kauf-Angeboten, den siebten bezogen wir aus dem Online-Shop eines Händlers. Mit einem Preis von 74 Euro bildet ein Scenic PIII 700 MHz (Pentium III, 256 MByte RAM) das untere Ende der Preisskala. Für je 89 Euro erwarben wir einen Scenic PIII 866 MHz mit 256 MByte Speicher und einen Scenic PIII 933 MHz mit 128 MByte RAM. Im preislichen Mittelfeld liegt ein Maxdata-PC mit 933 MHz und 256 MByte RAM für 109 Euro. Das teuerste Modell (129 Euro plus Versand) stammt ebenfalls von Fujitsu Siemens und besitzt einen 1-GHz-Prozessor und 256 MByte Speicher. Mit nur 128 MByte, ansonsten aber vergleichbarer Ausstattung bot ein Händler auch einen IBM Netvista inklusive 19:„-Monitor an. Lediglich die Versandspesen klettern dann von 15 auf 25 Euro. MHz-Spitzenreiter ist ein 1,2-GHz Celeron (Scenic D, 256 MByte RAM) für 99 Euro.

In fast allen gekauften Rechnern steckt ein Intel-i815-Chipsatz, teils mit integrierter Grafik. Ebenfalls vertreten sind die etwas älteren i440BX-Chips. Daher verfügen zwar alle Systeme über USB, aber nur nach dem 1.1-Standard (12 MBit/s). Den AC’97-Sound liefert bei fast allen Kandidaten das Mainboard, nur in zwei Rechnern steckt eine PCI-Soundkarte.

Die restliche Ausstattung variiert nur minimal: CD-ROM-, Floppy-Laufwerk und 20 GByte Festplatte sowie Netzwerkkarte sind üblich, DVD-Laufwerke oder gar Brenner eher die Ausnahme. Modelle mit 128 MByte Speicher tauchen ebenso auf wie Geräte mit 256 MByte. Der Lieferumfang hingegen enttäuscht bei fast allen Auktionen; außer dem obligatorischen Kaltgerätekabel gibt es bestenfalls Maus und Tastatur dazu. Handbücher und Treiber-CDs suchten wir in fast allen Kartons vergeblich, lediglich zwei Rechnern lagen selbst gebrannte CDs mit ein paar Treibern bei.

"Die wahren Schnäppchen"
Weitere Artikel zum Thema "Gebraucht-PCs" finden Sie in der c't 21/2005:
Gebraucht-PCs der 100-Euro-Klasse im Test S. 104
Windows und Anwendungen S. 114
Legale Software-Schnäppchen S. 117
Linux auf Gebraucht-PCs S. 118
Ergebnisse der c't-Umfrage S. 122

(bbe)