Schwere Zeiten für France Télécom

Der wegen einer Selbstmordserie unter Mitarbeitern in die Schlagzeilen geratene französische Telekommunikationskonzern steckt auch wirtschaftlich in der Krise.

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Von
  • Jürgen Kuri

Der wegen einer Selbstmordserie unter Mitarbeitern in die Schlagzeilen geratene französische Telekommunikationskonzern France Télécom steckt auch wirtschaftlich in der Krise. Die Umsätze dürften bis Jahresende wie im abgelaufenen Quartal weiter sinken, hieß es laut dpa bei der Veröffentlichung der Quartalszahlen in Paris. Bessere Geschäfte macht France Télécom derzeit nur in Afrika und dem Nahen Osten. In anderen Regionen sinken die Umsätze. Das liegt unter anderem daran, dass Regulierungsbehörden die Kundengebühren für Telefonverbindungen – etwa für Verbindungen vom Fest- ins Mobilfunknetz – gesenkt hatten.

Selbst auf dem Heimatmarkt, wo das Unternehmen die Umsätze zuletzt stabil gehalten hatte, gingen die Einnahmen im dritten Quartal leicht zurück. Insgesamt sanken sie von Juli bis September auf vergleichbarer Basis um 3,7 Prozent auf 12,7 Milliarden Euro – trotz einer steigenden Kundenzahl. Im dritten Quartal gewann der Konzern 3,3 Millionen neue Mobilfunkkunden.

Die Selbstmordserie unter den Mitarbeitern von France Télécom hatte zuletzt sogar die Regierung in Paris auf den Plan gerufen. Sie forderte das Unternehmen nachdrücklich auf, behutsamer mit seinen Mitarbeitern umzugehen. Nach Gewerkschaftsangaben haben sich seit Februar 2008 bereits mehr als zwei Dutzend Télécom-Beschäftigte das Leben genommen. Die Arbeitnehmervertreter gehen davon aus, dass ein Teil der Selbstmorde direkt auf die Arbeitsbedingungen und den Konzernumbau zurückzuführen ist. Darauf deutet auch der Inhalt von Abschiedsbriefen hin.

In der katholischen Tageszeitung "La Croix" (Das Kreuz) hatte sich allerdings auch bereits ein Statistiker zu Wort gemeldet, der keine besondere Häufung von Selbstmorden bei dem Unternehmen erkennt. René Padieu, bei der französischen Gesellschaft für Statistik für das Berufsethos zuständig, sieht sogar in der Gesamtbevölkerung ein höheres Suizid-Risiko.

Denn in Frankreich hätten sich, meint Padieu, im Jahr 2007 knapp 20 von 100.000 Einwohnern zwischen 20 und 60 Jahren selbst getötet. Bei France Télécom seien es umgerechnet nur 15 Suizide pro 100.000 Mitarbeiter. Dass die Gewerkschaft nun diese menschlichen Dramen in der Auseinandersetzung zwischen Unternehmensführung und Angestellten instrumentalisiere, sei unwürdig. "Man wundert sich über die Verallgemeinerungen, die voreiligen Schlussfolgerungen, die hasserfüllten Vorschläge, die im Fernsehen und im Internet kursieren."

Die britische Journalistin Gill Corkindale sieht allerdings durchaus Zusammenhänge zwischen den Arbeitsbedingungen und den Selbstmorden. Sie verweist darauf, dass ein Abschiedsbrief ausdrücklich "Management durch Terror" als Grund für den Suizid nannte und darauf, dass ein Mitarbeiter sich ein Messer in den Bauch rammte – unmittelbar nachdem er von seiner Versetzung erfahren hatte. "Französische Arbeiter widersetzen sich Veränderungen, weil sie bislang immer noch Mitspracherechte haben." Dies sei in anglo-amerikanischen Firmen völlig anders, denn dort akzeptiere man das Mantra "Veränderung ist die einzige Konstante". (ck/ix) / (jk)