Die Woche: Google und Open Source

Google wird gerne als Beispiel angeführt, wie ein Unternehmen gleichzeitig Nutznießer und Unterstützer von Open Source sein kann. Trotzdem gibt es immer wieder Spannungen mit anderen Akteuren der Open-Source-Community.

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Google ist eines der Vorzeige-Unternehmen, wenn es um Open Source geht – und zwar gleich in zweierlei Hinsicht. Zum einen betont Google immer wieder, dass das Unternehmen ohne Open-Source-Software gar nicht hätte entstehen können. Die Grundidee von Google bestand ja darin, das gesamte Web zu indexieren und die Links zwischen den Websites zu analysieren. Das erforderte eine Menge Rechenleistung und vor allem enorm viel Speicherplatz – viel mehr, als sich ein Start-up mit den Ende der 90er üblichen Unix-Servern hätte leisten können.

Die Google-Lösung: Billige PCs von der Stange und ein kostenlos verfügbares, netzwerkfähiges Betriebssystem – Linux. Mit ein bisschen Kernel-Optimierung, einigen weiteren Open-Source-Tools und etwas selbst entwickelter Software schuf sich das Unternehmen eine preisgünstige Cluster-Infrastruktur für seine Suchmaschine. Hätte man damals proprietäre Betriebssysteme, Datenbanken und Compiler lizenzieren müssen, Google wäre wahrscheinlich vor dem Start Pleite gewesen. So gesehen ist Google ein Musterbeispiel für ein erfolgreiches Open-Source-Businessmodell: Man verdient zwar nicht, wie beispielsweise Red Hat, mit dem Verkauf von Open Source, wohl aber durch ihren Einsatz.

Aber Google produziert auch Open-Source-Software. Prominente Beispiele sind die Betriebssysteme Android und Chromium OS, der Webbrowser Chromium oder – großes Thema auf der Google I/O – das Videoformat VP8/WebM, das das video-Tag in HTML5 mit Leben füllen soll. Außerdem hat man zu einer Reihe von selbst genutzen Open-Source-Projekten wie dem Linux-Kernel, der Datenbank MySQL oder der GNU Compiler Collection Code beigetragen.

Aber leider benimmt sich Google manchmal mehr wie der berühmte Elefant im Porzellanladen als wie ein braves Mitglied der globalen Open-Source-Community. So ist Google mit dem Linux-Kernel in Android einen eigenen Weg gegangen, ohne sich großartig um die Abstimmung mit dem Standard-Kernel zu machen (lesen Sie dazu auch Die Woche: Wann darf man Linux dazu sagen?). Die Konsequenz waren eine Menge Probleme in der Zusammenarbeit mit den Kernel-Entwicklern, an deren Lösung Google nach einem ordentlichen Krach aber zumindest arbeiten will. Von einer Weiterentwicklung des Android-Kernels als Teil des Standard-Linux-Kernels ist man aber noch weit entfernt.

Jetzt hat Google ein ähnliches Problem mit der Open Source Initiative. Die OSI hat die allgemein akzeptierte Definition von Open Source erstellt und prüft, ob Lizenzen mit dieser Definition kompatibel sind. Nach einem Blick auf die Lizenz des VP8/WebM-Codes befand unter anderem Simon Phipps, ehemaliger Open-Source-Chef bei Sun und Mitglied des OSI-Vorstands, in einem Kommentar, dass sie nicht den Anforderungen an eine Open-Source-Lizenz genügt. Debian- und OSI-Begründer Bruce Perens äußerte sich auf der OSI-Mailingliste ähnlich* und regte eine formale Prüfung an.

Allerdings hatte Google gar nicht um eine Prüfung der Lizenz gebeten und reagierte recht gereizt: Chris DiBona, Chef des Open-Source-Programms bei Google, schrieb eine Mail an die OSI-Mailingliste*, in der er darum bat, die Begutachtung für einige Wochen auszusetzen, bis Google intern einige Probleme mit der VP8/WebM-Lizenz gelöst habe. Dann würde man sich wieder melden.

Gleichzeitig meldete DiBona Forderungen an: Google erwarte einige Änderungen an dem Prozess der Lizenzprüfung der OSI. Was nun wiederum die OSI-Leute verärgerte: Normalerweise, so die Antwort von Phipps*, würde Unternehmen mit der OSI reden, bevor sie eine neue angebliche Open-Source-Lizenz veröffentlichen. Mittlerweise scheinen sich aber auch hier die Wogen allmählich wieder zu glätten*.

Das Muster der beiden Konflikte zwischen Google und etablierten Communities und Institutionen der Open-Source-Welt ist dasselbe: Google legt einfach los ohne Rücksicht auf das Ökosystem, in dem sich das Unternehmen bewegt, und den dort üblichen Spielregeln. Das kann man als Arroganz der Macht deuten, als mangelnde Sensibilität oder auch als Ausdruck übermäßiger Begeisterung für die eigenen Entwicklungen.

Allerdings riskiert Google damit, die Symapthien der Open-Source-Community zu verlieren. Und das kann sich auch Google nicht leisten: Das Unternehmen zieht viel mehr Nutzen aus dem bestehenden Fundus an Open-Source-Software, als es selbst dazu beiträgt. Google kann gar nicht so viele Entwickler bezahlen, wie am Linux-Kernel arbeiten. (odi)


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