Die Woche: Microsofts Open-Source-Stiftung

Mit der Codeplex Foundation will Microsoft die Kluft zwischen kommerziellen Software-Herstellern und Open-Source-Communities überbrücken. Aber ist diese Kluft wirklich so groß?

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Dr. Oliver Diedrich

Mit der Codeplex Foundation hat Microsoft jetzt eine eigene Open-Source-Stiftung ins Leben gerufen. Genauer gesagt, soll die Non-Profit-Organisation "den Austausch von Code und das Verständnis zwischen Software-Herstellern und Open-Source-Communities" ermöglichen, so die CodePlex Foundation in ihrer Selbstdarstellung. Kommerzielle Software-Hersteller seien nämlich, führt die Erläuterung zum Mission Statement aus, "zu wenig an Open-Source-Projekten beteiligt". Die Stiftung, von Microsoft gegründet, aber offen für weitere Software-Firmen (als Sponsoren) sowie (nicht näher spezifizierte) Projekte, soll die Kluft zwischen kommerziellen und Open-Source-Entwicklern überbrücken.

Da fragt man sich doch: welche Kluft eigentlich? Schaut man sich beispielsweise die Codebeiträge zum Linux-Kernel an, findet man unter den Top 10 mit IBM, Novell, Oracle und Parallels gleich vier Firmen, die auch proprietäre Software verkaufen. Zudem gibt es immer mehr Open Source mit kommerziellem Hintergrund: Software-Hersteller

  • geben proprietäre Software als Open Source frei (Sun beispielsweise hat das mit Java und Solaris getan, Ingres mit seiner Datenbank, Grau Data mit dem ArchiveManager);
  • unterstützen Open-Source-Projekte (auf der Sponsoren-Liste der Apache Software Foundation stehen beispielsweise Microsoft, Goggle und Intuit, die Eclipse Foundation wird unterstützt unter anderem von SAP, IBM, Oracle, Windriver und Computer Associates);
  • bieten Produkte auf Basis von Open-Source-Software an (EnterpriseDB beispielsweise basiert auf PostgreSQL, Zend baut Tools und Erweiterungen für PHP);
  • oder entwickeln ihre Software gleich als Open Source: Alfresco, Compiere, JBoss (jetzt Red Hat), MySQL (jetzt Sun), Open-Xchange, OTRS, Pentaho, SugarCRM – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Man wird Mühe haben, ein größeres Software-Haus zu finden, das nicht irgendwie in Sachen Open Source unterwegs ist: Von Microsoft bis VMware, von Adobe bis Oracle – alle entwickeln sie Open-Source-Software oder unterstützen aktiv bestehende Open-Source-Projekte. Die von Microsoft postulierten Berührungsängste zwischen kommerziellen Software-Herstellern und Open-Source-Communities können so groß also nicht sein.

Was nicht heißen muss, dass die Codeplex-Stiftung grundsätzlich überflüssig wäre. Microsoft bleibt bewusst vage, was die konkreten Ziele der Stiftung angeht: Das Unternehmen geht selbst davon aus, dass sich die Ziele und die Formen der Zusammenarbeit erst im Laufe der Zeit konkretisieren werden. In jedem Fall soll die Stiftung "geistiges Eigentum" und Code von kommerziellen Software-Entwicklern entgegennehmen und unter einer Standard-Open-Source-Lizenz freigeben können – die Formulare zum Lizenzieren von Code und geistigem Eigentum an die Stiftung sowie zum Übertragen des Copyrights sind bereits fertig.

Letztlich wird alles davon abhängen, wie die konkrete Arbeit der Stiftung aussieht. Zum Start hat Microsoft sowohl den Vorstand als auch den Beirat überwiegend mit eigenen Angestellten besetzt (Interims-Präsident ist Microsofts Open-Source-Chef Sam Ramji), aber in beiden Gremien sollen auch Vertreter von anderen Firmen und von Open-Source-Projekten aktiv werden. Mit MySQL-Mitgründer Monty Widenius, dem Open-Source-Investor und derzeitigem SugarCRM-Chef Larry Augustin sowie Mono-Entwickler Miguel de Icaza (Novell) hat man zumindest drei prominente Vertreter der Open-Source-Welt im Beirat.

Wer sich für die Codeplex-Stiftung interessiert, kann Kandidaten für den Beirat sowie Projekte vorschlagen. Microsoft verspricht offene Diskussionen und transparente Entscheidungen – mal sehen, wo die Reise hingeht. (odi)

Siehe dazu auch: (odi)