Die Woche: Red Hat vs. Sun

Mit Qumranet und der Virtualisierungstechnik KVM baut Red Hat seinen Open-Source-Stack weiter aus. Sun ist da schon ein Stückchen weiter und bietet VirtualBox jetzt als voll unterstütztes Produkt an.

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Mit der Akquisition von Qumranet hat Red Hat seinen Open-Source-Stack um ein weiteres, wichtiges Stück Software erweitert: die Open-Source-Virtualisierungslösung Kernel Virtual Machines (KVM) und die KVM-basierte Desktop-Virtualisierung SolidICE. Gleichzeitig hat Red Hat bereits angekündigt, Xen nur noch einige Jahre zu unterstützen, und den derzeitigen Linux-Standard für Virtualisierung damit – zumindest aus Sicht des größten Linux-Distributors – quasi für tot erklärt.

Ganz überraschend kommt der Schwenk von dem in der Linux-Welt etablierten Xen zum Newcomer KVM nicht: Fedora, die Community-Version von Red Hats Linux-Distribution, unterstützt KVM bereits seit der Version 7. Red Hats Virtualisierungs-Verwaltungstools können schon seit einiger Zeit sowohl mit KVM als auch mit Xen umgehen; und auf dem diesjährigen Red Hat Summit kündigte der Open-Source-Spezialist bereits einen Embedded Hypervisor auf KVM-Basis an.

Aus technischer Sicht ergibt der Wechsel zu KVM durchaus Sinn: Xen ist nach wie vor nicht vollständig in den Linux-Kernel integriert; die Xen-Entwickler bieten ihre Virtualisierungslösung immer noch in Form von Patches für den zwei Jahre alten Linux-Kernel 2.6.18 an. Wer ein aktuelles Linux-System mit Xen-Support bauen will, muss die Patches selbst auf einen modernen Kernel portieren. KVM hingegen ist seit Linux 2.6.20 Bestandteil des Kernels – das spart dem Distributor eine Menge Arbeit.

Wichtiger für den Kauf von Qumranet dürften allerdings strategische Überlegungen gewesen sein. Vor gut einem Jahr übernahm Citrix XenSource, das Unternehmen hinter Xen. Das Open-Source-Projekt wird seitdem von einem Gremium aus mehreren Firmen gesteuert, die an der Xen-Technik mitarbeiten, darunter auch Red Hat; trotzdem dürfte Citrix, mit den XenSource-Entwicklern nach wie vor wichtigster Code-Lieferant, maßgeblich die Richtung der Entwicklung vorgeben. Und vermutlich decken sich Citrix' Interessen nur bedingt mit denen des Linux-Distributors. Eine eigene Virtualisierungstechnik bringt Red Hat Unabhängigkeit in einem Bereich, dem eine zunehmende Bedeutung in den nächsten Jahren vorhergesagt wird.

Mit der eigenen Virtualisierungslösung befindet sich Red Hat in guter Gesellschaft: Sun, in den letzten Jahren von Jonathan Schwartz kräftig auf Open-Source-Kurs gebracht, hat sich Anfang des Jahres VirtualBox einverleibt. Mit Erscheinen der Version 2, just am gleichen Tag wie Red Hats Qumranet/KVM-Ankündigung, bietet das Unternehmen Firmenkunden umfassenden Support für den Virtualisierer – sowohl auf dem Desktop als auch auf dem Server.

Bei der Übernahme von VirtualBox-Hersteller Innotek hieß es noch, man sehe VirtualBox vor allem als Desktop-Lösung für Entwickler, die mehrere Betriebssysteme laufen lassen wollen, und als Ergänzung des Xen-basierten Serverangebots xVM – schon damals hatten wir spekuliert, Sun könnte es auch darum gehen, sich von Xen unabhängig zu machen. Nun spricht Sun von "xVM VirtualBox" als voll unterstützter Lösung für den Einsatz auf dem Desktop und auf dem Server.

Die gleichzeitigen Ankündigungen – hier die Übernahme von Qumranet, dort der Enterprise Support für VirtualBox – zeigen, wie ähnlich sich Sun und Red Hat aufstellen. Beide Unternehmen wollen einen kompletten Open-Source-Stack für Unternehmen aus einer Hand liefern: Von der Virtualisierung über das Betriebssystem samt Clustererweiterungen wie verteilten Dateisystemen (Global File System bei Red Hat, Solaris Cluster und Lustre bei Sun) bis zur Middleware (JBoss bei Red Hat, Glassfish bei Sun) ähnelt sich das Angebot an Open-Source-Software. Natürlich hat Sun das weitaus größere Portfolio, auch im Open-Source-Bereich – man denke nur an Java oder MySQL –, aber noch sind etliche Produkte Closed Source.

Wenn man so will, steuern Red Hat und Sun das gleiche Ziel aus unterschiedlichen Richtungen an: hier die Open-Source-Firma auf dem Weg zum Systemambieter, dort der Systemanbieter auf dem Weg Richtung Open Source. Am Ende könnte der Kunde die Wahl zwischen zwei kompletten Open-Source-Stacks haben. (odi)

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(odi)