Die Woche: Siegeszug der offenen Standards

Der Bundestag will die Verwendung offener IT-Standards in der Verwaltung vorschreiben – als Mittel zu mehr Wettbewerb und Chancengleichheit.

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Die Regierungskoalition will einen Antrag in den Bundestag einbringen, der die Verwendung offener IT-Standards in der Verwaltung vorschreibt. Für diese Ankündigung erhielt Dr.Uwe Küster, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag, spontanen Pubklikumsapplaus in einer Podiumsdiskussion auf dem diesjährigen LinuxTag mit dem Titel "Open-Source-Software in der Verwaltung: Mehr Demokratie durch Software oder Ende der Softwareindustrie?".

Und er erklärte auch gleich, was die Koalition mit diesem Vorstoß bezweckt: Man wolle "den Wettbewerb organisieren", die Chancen kleiner und mittlerer Software-Unternehmen im Markt verbessern und "Diktate der Großen verhindern" . Einen Bereich hatte er dabei besonders im Blick: Office-Software. Hier, so Küster, gebe es einen einschlägigen ISO-Standard – das Open Document Fomat ODF. Im Klartext bedeutet das eine Stärkung von OpenOffice gegenüber dem auf den Büro-Arbeitsplätzen dieser Welt dominanten MS-Office.

Die Ankündigung fiel im Zusammenhang mit einer Diskussion rund um die Bedeutung von Open Source für heimische Unternehmen (siehe EU-Studie: Open Source ist gut für die Wirtschaft). Die von Prof. Lutterbeck, dem Herausgeber des Open Source Jahrbuchs moderierte Diskussionsrunde, hochkarätig besetzt mit Dr. Pablo Mentzinis vom Bitkom, Martin Schallbruch, IT-Direktor im Innenministerium, und dem IT-Leiter des Auswärtigen Amtes, Dr. Rolf Theodor Schuster, war sich darin einig, dass kleine und mittelständische Unternehmen für die deutsche Softwareindustrie eine wichtigere Rolle spielen als die US-amerikanischen "Big Shots" vom Kaliber Microsoft und IBM – vor allem, was die Arbeitsplätze angeht.

Lutterbeck (links), Schuster und Küster (rechts) in der Podiumsdiskussion

Nicht zuletzt unter Berufung auf eine Fraunhofer-Studie war man sich auch einig, dass Open Source mehr Chancen für KMUs bietet als proprietäre Software, mit der vor allem die Großen Geld verdienen – naja, fast einig: Mentzinis betonte an dieser Stelle lieber die Sorgen, die der derzeitige Open-Source-Boom jenen Firmen macht, die auf Softwareentwicklung mit .NET gesetzt haben.

Küster wies allerdings darauf hin, dass aus Sicht der Politik die Frage freie versus proprietäre Software gar nicht so wichtig ist. Wichtig sei vielmehr, dass der Wettbewerb im Markt funktioniert. Hier sieht Küster die Politik gefordert: Auch im Telekommunikationsmarkt sei echter Wettbewerb erst entstanden, nachdem die Politik durch Regulierung der dominanten Telekom für Fairness im Markt gesorgt habe. Die aktuelle Situation in Softwaremarkt sieht der SPD-Politiker offenbar ähnlich – und damit steht er nicht alleine: Monopolvorwürfe gegen Microsoft wurden und werden immer wieder erhoben – im letzten Jahr beispielsweise unter anderem von der EU-Kommission.

So begrüßenswert der Schritt zu offenen Standards als Mittel zu mehr Wettbewerb ist: Die Erkenntnis kommt reichlich spät. Längst haben Behörden (wie auch Unternehmen) riesige Datenbestände in proprietären Formaten angehäuft, ganze Geschäftsprozesse in Form von MS-Office-Makros implementiert. Soll man das alles wegwerfen? Längst auch gibt es brauchbare Import-Filter, und selbst Microsoft hat eingesehen, dass Interoperabilität mit der einst verteufelten Open-Source-Welt heutzutage ein Muss ist, will man seine Kunden halten. Ist das Problem damit nicht gelöst?

Nein, ist es nicht. Proprietäre Formate und Schnittstellen stellen für Anwender eine Falle dar – und zementieren die Position derer am Markt, die über sie bestimmen. Offene Standards, die jeder implementieren kann, geben auch anderen Mitspielern im Markt eine Chance. Wenn jetzt den vielen Erklärungen für offene Standards konkrete Maßnahmen folgen , kann das nur gut sein – auch für Open Source. (odi)