Kommentar zu Musks Aboplänen: Der Selbstzerstörungsknopf für Twitter/X

Elon Musk will auf Twitter/X ein Abo für alle einführen, um Bots loszuwerden. Damit dürfte er vor allem Nutzer verprellen, meint Axel Kannenberg.

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(Bild: Svet foto/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

"Dir entgeht dein Anteil an den Werbeeinahmen!", schreit es mich neuerdings immer wieder an. Nein, das ist keine Drückerkolonne, die ihren Strukturvertrieb pushen will, das ist X, ehemals Twitter, bei zuletzt fast jedem Login. Um an diesen famosen Werbeeinnahmen teilzuhaben, müsste ich aber X Premium abonnieren. Was mich gerade 99,96 Euro pro Jahr kosten würde, bei selbstverständlich völlig unklarer Aussicht, was dann zurückkäme. Was fast so gut klingt, wie früher die total wertvollen Faksimile-Bibeln im Buchclub oder einzigartige CD-Kollektionen von Time Life, ist meiner Ansicht nach auch eins: Indikator für die steigende Verzweiflung bei X.

Ein Kommentar von Axel Kannenberg

Axel Kannenberg durchforstet seit 2012 für heise online die unendlichen Weiten des Internets nach News, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Beherrscht die edle Kunst des Beleidigungsfechtens. Hat 2013 einen Döner für umgerechnet mehrere Tausend Euro genossen (nach heutigem Bitcoinkurs).

Denn auch wer dankend auf seinen "Anteil an den Werbeeinnahmen!" verzichtet, dürfte bald blechen müssen für die Plattformnutzung. Das kündigte Inhaber und Ankündigungskönig Elon Musk bei seinem leicht bizarren Treffen mit dem israelischen Premierminister huldvoll an. Aber natürlich geht es laut Musk beim Zwangsabo für alle nur um das zentrale Problem der Plattform: Bots.

Ja, richtig. Bots, Riesenproblem, muss bekämpft werden. Kein Problem ist hingegen wohl die vermurkste Übernahme mit einem Clusterfuck an Entlassungen, der sicher auch reichlich Leute getroffen hat, die wirklich was gegen Bots hätten tun können. Dazu kommt der Milliarden-Haufen an Schulden, der dem Dienst aufgehalst wurden. Und noch ein erheblicher Verlust an zentralen Werbekunden, der vielleicht auch mit der schwach ausgeprägten Impulskontrolle Musks bei öffentlichen Äußerungen zu tun haben könnte. Nein, Bots sind das Problem. Wirklich!

Der Gesinnungsolympiade, Twitter/X doof zu finden, weil Musk auch mit großem Eifer das linke Milieu trollt, bleibe ich nach wie vorn gern fern. Aber dass eine für meine Arbeit praktische Plattform, die ich früher auch gern privat genutzt habe, in einen Zustand wie Deutschland nach Merkel gemanagt wird – das geht mir dann schon nahe. Meinen Versuch vom Februar, Musks Handeln noch irgendwie zu verteidigen, habe ich auch schon unter den peinlichen Irrtümern verbucht, die man halt im Leben so ansammelt.

Anfang des Jahres hatte Musk ja noch ein optionales Abo angekündigt für Twitter ohne Werbung. Das machte mir Hoffnung auf weitere Abo-Möglichkeiten für Pro-Features. Aber stattdessen wurden bislang kostenfrei zugängliche APIs sowie der Dienst Tweetdeck einfach hinter die Bezahlmauer verlegt. Und jetzt denkt Musk wirklich, dass seine Plattform so einzigartig ist und die Leute dankbar zahlen, wenn er den basalen Gratisdienst auch noch mit Paywall verplombt? Tut mir ja leid, aber ich fürchte, niemand braucht Twitter, um online Debatten zu führen und sich als ethisch geil aufgestellter Meinungsinhaber zu präsentieren.

Das Fußvolk hat gelernt, dass soziale Medien umsonst sind, weil man als Datenkuh nebenbei abgemolken wird. Wenn sich der Plebs zurückzieht, weil er keinen Mehrwert in einem Abo sieht, hat das Folgen für die Twitter-Elite: Dann suchen sich irgendwann auch all die Influenzierenden eine andere Bühne, wenn sie nicht mehr genug Leute finden, die ihnen zuhören. Und so würde X/Twitter langsam als MuskVZ ins Nirgendwo driften, zusammen mit den Plänen für eine Super-App, die kein Mensch braucht.

Man sieht sich dann wohl auf Bluesky, wenn die endlich mal aus ihrer Invite-Beta kommen. Elon Musk wünsche ich noch viel Vergnügen beim Fiedeln, während seine Plattform brennt.

(axk)