Kommentar: Microsoft schafft selbst die Argumente für Windows ab

Native Office-Anwendungen waren lange das Totschlagargument für Windows – dessen Microsoft sich nun entledigt. Was bleibt da noch, wundert sich Moritz Förster.

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(Bild: Heise Medien)

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Weg mit dem alten Windows-Mail-Client, her mit dem neuen Outlook – und wer nicht wechselt, den zwingt Microsoft irgendwann. Klar, damit ist nicht jeder glücklich. Aber wohl kaum, weil die bisherige Anwendung besonders beliebt war. Es geht gar nicht um das neue Outlook, sondern um Grundlegendes. Microsoft zeigt jetzt, was es noch von Windows hält: herzlich wenig. Wenn jetzt selbst solch elementare Software wie ein E-Mail-Client als Web-Applikation daherkommt, scheinen auch intern die letzten Argumente ausgegangen zu sein.

Ein Kommentar von Moritz Förster

Moritz Förster schreibt seit 2012 für die iX und heise online. Er betreut neben dem iX-Channel die Bereiche Arbeitsplatz und Server.

Welche Argumente? Na, die für Windows und gegen Linux zum Beispiel. Immerhin pochte Microsoft gefühlte Ewigkeiten darauf, dass ja dieses freie Betriebssystem ganz nett sei, aber ausschließlich auf dem Server und auf gar keinen Fall auf dem Desktop. Immerhin muss man hier die Standardanwendungen, sprich Office aus dem eigenen Hause, verwenden können. Und ja, das Argument musste man angesichts der Marktposition des Konzerns durchaus mit Zähneknirschen aushalten. Aber ob es Microsofts Dominanz gefiel oder nicht, Web-Technik ist in und native Apps sind out.

Von Web-Anwendungen muss man nichts halten. Unabhängig davon fiel mit ihrem Aufstieg bei vielen anderen Anbietern von Unternehmenssoftware der Zwang zum Windows. Und selbst Microsoft behandelt zum Beispiel die native Teams-Applikation für macOS stiefmütterlich im Vergleich zur Linux-PWA. Nur noch Windows selbst wand sich im Zwang der neuen Zeit – bloß das 365-Paket nebst Office-Programmen ließen den Koloss noch erstaunlich lange widerstehen.

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Wenn jetzt nach und nach tatsächlich irgendwann all diese für viele Nutzer essenziellen Anwendungen auf eine einheitliche Web-Basis umgestellt werden, hat das zum Beispiel für Linux-Nutzer nur Vorteile. Das letzte Argument, sich weiter den Windows-Sperenzien aussetzen zu müssen, dürfte sich damit für viele Firmen erledigt haben. Und weil Linux selbst aus der Azure-Cloud beliebt ist, dürften die Berührungsängste beim Desktop geschwunden sein. Bei Spielen mag die Situation anders aussehen, aber bei Privatanwendern kommen solche brillanten Aktionen wie Werbung direkt auf dem Sperrbildschirm auch immer schlechter an.

Aber warum jetzt der Wandel? Hat Microsoft intern schlicht das Interesse am monopolistischen Kampf verloren? Oder liegt es vielmehr daran, dass der Konzern mittlerweile viel mehr Geld mit seinen Cloud-Angeboten verdient und Windows unter ferner liefen auftaucht? Von den Hoffnungen auf eine neue KI-Dominanz Hand in Hand mit OpenAI ganz zu schweigen. Deshalb an dieser Stelle schon einmal der Abgesang an einen mit viel Herzblut und Engagement ausgefochtenen Traditionskampf: Womöglich erleben wir es noch, dass Windows irgendwann nur noch als proprietäre GUI für ein Microsoft-Linux daherkommt.

(fo)