Teams-Entbündelung: Wettbewerbswidrigkeit hat bei Microsoft Tradition

Microsoft spaltet nun auch global Teams von Office ab. Ein Sieg für den Wettbewerb auf dem Softwaremarkt? Leider das Gegenteil, findet Dennis Kenji Kipker.

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Jemand hält ein Handy mit geöffneter Teams App vor einem Notebook

(Bild: wichayada suwanachun / Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Prof. Dennis-Kenji Kipker
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Microsoft macht Nägel mit Köpfen: Nachdem bereits vergangenes Jahr in der EU Microsoft Teams von Office 365 entbündelt worden war, geht die Trennung nun global weiter. Eine gute Sache für mehr Innovation und Wettbewerb auf dem Markt für Videokonferenz-Software – könnte man meinen. Und genau so sieht es auch Microsoft, weil durch die Entbündelung dem "Feedback der Europäischen Kommission Rechnung getragen wird, indem wir multinationalen Unternehmen mehr Flexibilität bieten, wenn sie ihre Einkäufe geografisch standardisieren wollen". Dass dieses scheinbar informelle "Feedback" der EU-Kommission eigentlich aber eine drohende Kartellstrafe in mehrfacher Millionenhöhe sein könnte, verschweigt man lieber. Ist ja schließlich eher nur so mittelgut für die PR.

Was der US-Softwareriese mit dem Quasi-Monopol auf Office-Apps öffentlich als großen Schritt im Sinne der Kundenfreundlichkeit bewirbt, ist letztlich aber nichts anderes als eine Farce, die schon seit Jahren andauert. Für Innovation und Stärkung des Wettbewerbs bringt das gar nichts. Die technische Dimension ist die eine Seite – und die kartellrechtliche eine ganz andere. Kartellverfahren haben nämlich oftmals die ungünstige Eigenart, dass sie erst viel zu spät losgetreten werden – nämlich dann, wenn sich ein Konkurrent beschwert und der Schaden bereits angerichtet ist.

Ein Kommentar von Prof. Dr. Dennis-Kenji Kipker

Prof. Dr. Dennis-Kenji Kipker ist Professor für IT-Sicherheitsrecht an der Hochschule Bremen und arbeitet dort an der Schnittstelle von Recht und Technik in der Informationssicherheit und im Datenschutz. Dabei kommt bei ihm auch die Praxis und Beratung nicht zu kurz: So ist er außerdem als Legal Advisor des VDE, CERT@VDE tätig und prägt im Policy-Bereich als Mitglied des Vorstandes der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID) in Berlin die zukünftige europäische und deutsche Cyber-Politik maßgeblich. Als Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Certavo in Bremen setzt er sich überdies für die Entwicklung und Umsetzung pragmatischer Lösungen zur digitalen Compliance-Konformität von Unternehmen international ein.

Genau so ist es auch bei Microsoft Teams, nachdem die Konkurrenz in Form der Kollaborationsplattform Slack vergangenes Jahr den Anstoß für eine kartellrechtliche Untersuchung durch die EU-Kommission geliefert hatte. Und das nicht ohne Grund: Teams machte sich vor allem während der Corona-Pandemie einen Namen, als sich Videokonferenzen gezwungenermaßen als neues Kommunikationsformat durchsetzten. Microsoft erkannte dies früh und bootete missliebige Konkurrenz einfach aus, indem Teams fortan Bestandteil von Office war. Kritiker mögen nun argumentieren, das sei ja freie Marktwirtschaft und das bessere Produkt setzt sich eben durch. Aber das ist hier noch nicht einmal der Fall.

Mehrere Jahre später ist die Situation auf dem Softwaremarkt für Videokonferenztools bereinigt und laut Statista ist die Zahl der täglich aktiven Teams-User in den letzten vier Jahren von 20 Millionen auf 300 Millionen hochgeschossen. Wie man also sieht – die wohlkalkulierte Salamitaktik von Microsoft in Sachen Product Bundling wirkt. Zuerst werden auf dem Softwaremarkt harte Tatsachen geschaffen, und wenn es Beschwerden gibt, macht man kleine Zugeständnisse. Aber immer nur in dem Maße, dass man im Ergebnis zwei Schritte vor und maximal nur einen zurückgeht.

Und wenn bei Microsoft etwas Tradition hat, dann das. Schon seit Jahrzehnten spielt der Softwarekonzern erfolgreich dasselbe Spiel, man denke nur an den Netscape Navigator 1998, Java im Jahr 2002, Mozilla und Opera 2008. Wenn man das weiß, wirkt es umso trauriger, dass Microsoft selbst dann noch öffentlich davon spricht, seine "Verantwortung als wichtiger Technologieanbieter an[zuerkennen], ein gesundes Wettbewerbsumfeld zu unterstützen". Denn ebenjenes gesunde Wettbewerbsumfeld existiert zumindest auf dem Markt für Videokonferenzsysteme nicht mehr.

Eine Vielzahl von Videokonferenzen findet jetzt und auch in Zukunft über Teams statt – aber nicht, weil es eben besser oder gar günstiger oder innovativer wäre, sondern weil es bequemer ist und seit 2020 mehr als genügend Zeit war, entsprechende Nutzergewohnheiten zu etablieren. Was somit schon seit dem letzten Jahr als große Errungenschaft für die Kunden, den freien Softwaremarkt und überhaupt als generöses Entgegenkommen von Big-Tech verkauft und gefeiert wird, ist eigentlich nichts anderes als eine lange gefahrene Strategie nach besagtem und bewährtem Salamitaktik-Prinzip. Das laufende Kartellverfahren wird kaltgestellt und die Aufsichtsbehörden werden besänftigt.

Es muss sich somit gravierend etwas ändern auf dem europäischen und auch dem globalen Softwaremarkt. Nicht das wettbewerbsrechtliche Hin- und Hergeruckel eines einzelnen Big-Tech-Konzerns unter dem Vorwand der Technologieoffenheit ist entscheidend, sondern wir brauchen ein grundsätzliches Umdenken im europäischen Cloud-Ökosystem, das mittlerweile das technische Rückgrat der allermeisten wirtschaftsrelevanten Software-Produkte bildet. Und das bedeutet insbesondere auch tiefgreifende rechtliche und politische Reformen.

Selbstredend ist das nicht nur allein ein Fall von Microsoft, sondern generell für den Markt der Cloud-Dienste in der EU. Einerseits reden wir viel über Technologiesouveränität, andererseits schaffen wir eben doch keine belastbaren rechtlichen Grundlagen für Cloud-Innovation auf dem europäischen Markt. Stattdessen überrollen US-Unternehmen wie Microsoft zunächst den Markt über Product Bundling und dominieren ihn dann faktisch. Hinzu kommen die unfairen Lizenzpraktiken, die aus diesem Product Bundling resultieren und Big-Tech-Konzernen wie Microsoft nicht nur einen ungerechtfertigten Vorteil verschaffen, sondern überdies jedwede Form von Cloud-Wettbewerb und Technologiesouveränität in der EU im Keim ersticken.

Fazit also: Diese aktuelle "freiwillige" Entflechtung von Microsoft Teams ist eigentlich nichts außer ein PR-Gag, der Microsofts Monopol im Cloud-Dienstleistungssektor weiterhin kaschiert. Wir brauchen für einen digitalsouveränen EU-Cloud-Markt keine solche Flickschusterei, sondern tiefgreifende Reformen, um faire Wettbewerbsbedingungen und ein positives Innovationsklima für alle zu schaffen.

(axk)