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"Unheimlich einfache Idee"

Gordon Bolduan

Beim so genannten "StartupWeekend" wird in 48 Stunden ein Unternehmen aufgebaut. Fast Food oder tragfähiges Konzept? Ein Interview mit dem Veranstalter Cem Basman.

Cem Basman [1] ist 54 Jahre alt und bezeichnet sich selbst als "in der IT tätiger Serien-Unternehmer". Vor wenigen Wochen hat er das erste deutsche "StartupWeekend" [2] organisiert und so innerhalb von 48 Stunden ein Unternehmen gegründet.

Technology Review: Herr Basman, was verstehen Sie unter einem Serien-Unternehmer?

Cem Basman: Das ist jemand, der verschiedene Unternehmen gründet, auch nach Themen. Bei mir sind das immer Themen, die sehr eng verwoben sind mit IT-Services. Nach drei, vier, fünf, sechs Jahren sagt man dann, man hat seinen Dienst erfüllt und jemand, der das Unternehmen toll findet, kann es haben. Ich mache dann sozusagen das nächste Thema.

TR: Wie Ende September das "StartupWeekend" in Hamburg. Sie haben es mit der Frage "Ist es möglich, ein Unternehmen an einem Wochenende zu gründen?" beworben. Klingt irgendwie nach der Sendung "Wetten, dass", oder?

Basman: Jede Unternehmensgründung ist eigentlich eine Wette. Ihr Wetteinsatz ist Ihre Arbeit, das Kapital, welches Sie einsetzen und die treibende Kraft sind Sie mit Ihrer Idee – und Ihre Mitarbeiter, wenn Sie die begeistern, natürlich genauso.

TR: Was verbirgt sich genau hinter "StartupWeekend"?

Basman: Eine unheimlich einfache Idee: Innerhalb von 48 Stunden ein Unternehmen zu erfinden. Das heißt, die Idee zu dem Unternehmen finden, dann das Team zusammenstellen, das das Unternehmen gründen soll, und alles weitere Notwendige dafür tun, damit das Unternehmen am Sonntagabend steht.

TR: Die Veranstaltung ist kostenlos?

Basman: Die ist vollkommen kostenlos. An dem Tag, an dem ich es angesagt habe, habe ich auch gesagt: Keiner muss Geld bezahlen. Daran haben wir uns auch absolut gehalten. Essen, Trinken, Infrastruktur, alles, was man dazu braucht, war vollkommen kostenlos. Was wir nachträglich nach der ersten Ankündigung gesagt haben, war: Ich möchte, dass jeder Teilnehmer wegen der Gründungs- und Verwaltungskosten 20 Euro auf den Tisch legt.

TR: Wie viele Menschen nahmen denn teil?

Basman: Ganz exakt waren anwesend vor Ort am Samstagmorgen 9 Uhr laut Liste 120, 140 hatten sich rechtzeitig angemeldet, am Sonntagabend haben dann 82 Teilhaber die Aktie physikalisch in die Hände bekommen. Wir haben irgendwo 40 Leute verloren. Das ist ein sehr guter Satz.

TR: Wurden die Teilnehmer nach bestimmten Kriterien ausgewählt?

Basman: Nein. Sie mussten rechtzeitig auf die Liste kommen. Allerdings haben wir das auch an den richtigen Stellen gestreut. Absicht war: Ungefähr die Hälfte kommt aus dem Web-2.0-Umfeld, kreative, innovative Leute, sicherlich auch ein bisschen Nerd, Freaks und Geeks, aber auch handwerklich begabt im Sinne: Website erstellen und so etwas alles. Die andere Hälfte, das sollten die traditionellen Wirtschaftler sein. Im Sinne: Kann Businessplan, kann rechtlich etwas formulieren und zusammenstellen.

Das Besondere an der Geschichte war eben, dass das Ganze eine Art Crossover war zwischen Economy 1.0 und Web 2.0. In der Mischung ist das vollkommen aufgegangen. Hinzu kam, dass dadurch nicht nur sehr unterschiedliche Kompetenzen im Team da waren, die sich sehr gut ergänzt haben, sondern man auch im Alter sehr unterschiedlich war.

TR: Wie war das Wochenende strukturiert?

Basman: Das Ganze haben wir in vier Runden durchgezogen. Runde 1 war die Auswahlrunde mit zwei Unterrunden: Beauty Contest, jeder konnte seine Idee vorstellen, die zwei besten Ideen sind dann nochmals gegeneinander angetreten, das war das so genannte Death Match. Die zweite Rund hieß "Map your Mind".

TR: Gab es irgendwelche Randbedingungen für die Idee?

Basman: Nein. Wir wollten keine Idee bevorzugen, benachteiligen. Es war absolut vollkommen frei. Nein, es sollte genau so sein, dass die Anwesenden über die Ideen entscheiden, und die beiden besten Ideen sind ja dann auch noch mal ausdiskutiert worden.

TR: Wie waren die weiteren Runden?

Basman: Jetzt musste man irgendwo die Idee einmal ausbreiten, und dazu haben wir eine Mind Map benutzt, die wir live im Plenum erstellt haben. Die dritte Runde, die war arbeitsteilig, das bedeutet, dass sich zu den verschiedenen Fragen, die sich auf der Mind Map ergeben haben, Gruppen bildeten, die diese Fragen ausgearbeitet haben.

Die Marketing-Gruppe "Familie Wunderbar" ist beispielsweise auf den Fischmarkt gegangen und hat eine Umfrage gemacht. Eine Gruppe, das war die so genannte "Kopfgruppe", da sollten dann die Teilergebnisse zusammengestellt werden. Die hat etwas geknirscht, weil sie mit Traditionalisten aus der Old Economy bestückt war. Dort gab es ein paar Reibereien.

TR: Warum?

Basman: Ja, weil eben die Web-2.0-Leute, die innovativen, völlig anders denken und andere Charaktere sind. Wenn die einmal fließen, dann darf man sie nicht zu sehr analysieren. Wenn dann jemand aus der Economy 1.0 kommt, der eine andere Sprache spricht, dann gibt das leicht Missverständnisse. Wenn jemand dann Hohl- und Bringschuld als Begriffe verwendet, dann ist das deplaziert in diesem Zusammenhang.

TR: Runde Vier?

Basman: Die Runde, in der alle Ergebnisse zusammenkommen und praktisch ein Gesamtbild entsteht. Der Idealfall wäre natürlich gewesen, wenn man einen kompletten Businessplan, einen einfachen natürlich, gehabt hätte.

TR: Das Ergebnis?

Basman: Edelbild.de [3], ein Online-Marktplatz für die Bildbearbeitung. Das bedeutet, es ist ein Webservice-Angebot für Leute, die einzelne oder größere Mengen an Fotos haben, die nachbearbeitet werden müssen. Dieser Marktplatz nimmt diese Bilder an, stellt sie ein und Leute, die diese Bilder bearbeiten wollen, können sie sich gegen Honorar herunterladen und bearbeiten. Bereits an dem Wochenende haben sich als Bildbearbeiter rund 300 Leute angemeldet.

TR: Aber da war das Unternehmen doch noch gar nicht gegründet?

Basman: Das hat mich auch vollkommen erstaunt. Aber einer der Web-Designer sagte, man habe schon 120 Leute, und am Sonntagabend waren es 300. Die Teilnehmer hatten Online-Anzeigen geschaltet. Ich war wirklich überrascht.

TR: Wie viele Kunden hat denn Edelbild bereits?

Basman: Den augenblicklichen Stand kann ich nicht sagen. An dieser Stelle sage ich ganz bewusst: Mein Partner Jason Franklin-Strokes, mit dem ich das Wochenende organisiert habe, und ich, wir verstehen uns als Hebammen und sind nicht die Eltern.

TR: Dürfte ich dennoch von Ihnen eine Erfolgsprognose haben?

Basman: (lacht) Ich denke, wenn man es vernünftig aufsetzt, kann das ein großer Erfolg werden. Weil nämlich ein gewisses Detail darin sehr modern ist: Die Mitarbeiter, die man braucht, sind Freiberufliche, die sich ihre Jobs vom Marktplatz holen, wenn sie Zeit dafür haben. Das ist ein extrem modernes Konzept, und sie haben ein schlankes Unternehmen.

TR: Vernünftig aufsetzen? Hat das nicht das "StartupWeekend" sichergestellt?

Basman: Das ist wie bei jeder Geburt. Kinder machen ist leicht, Unternehmen gründen auch. Nur am Ende müssen sie sich als gute Eltern um das Kind kümmern, und das dauert mindestens 18 Jahre. Wir haben die Geburt von Edelbild.de zwar begleitet, aber die Verantwortung dafür liegt jetzt bei dem gewählten Geschäftsführer. Meine Verantwortung bestand in der Organisation des "StartupWeekend".

TR: Das sich nur für die Gründung von Web-2.0-Unternehmen eignet?

Basman: Nein. Überhaupt nicht. Im Gegenteil. Nach diesem Wochenende haben sich viele Leute bei mir gemeldet und wollten beim nächsten Mal dabei sein. Die Liste liegt bereits bei 400. Viele davon kommen nicht aus der Web-2.0-Szene. Natürlich kann man auch mit dem "StartupWeekend" eine Heringsräucherei gründen, warum nicht. Wenn die Leute das wollen. Die Teilnehmer entscheiden darüber, welche Idee sie für vielversprechend halten.

TR: Was ist der Vorteil gegenüber anderen Gründer-Programmen?

Basman: Es ist die schnellste Gründungsinitiative der Welt – keine Formulare ausfüllen, keine Lebensläufe einreichen, 28 Unterschriften von Banken einholen. Nachdem wir das Wochenende durchhatten, habe ich mehrere Anrufe aus Großkonzernen bekommen, ob wir für die Spinoffs betreuen könnten.

TR: Es gibt keine Nachteile?

Basman: Doch natürlich. Sie können nur das machen, was sie auch in 48 Stunden schaffen. Und viele Dinge, die auch gut wären, können sie nicht schaffen, beziehungsweise einige Sachen nicht richtig durchdenken. Die Lehre daraus: Man muss es nicht in 48 Stunden machen, aber in zwei Wochen kann man es auch machen.

TR: Wie sieht es mit geistigem Eigentum aus? Muss ein heller Kopf nicht fürchten, dass seine Idee bei einem solchen Event geklaut wird?

Basman: Ich habe ganz am Anfang gesagt: Wenn jemand Angst hat, seine Idee könnte geklaut werden, bitte hier nicht erzählen. Aber anders formuliert: Hast du eine Idee in der Schublade, ist es das Dümmste was du machen kannst. Eine Idee, die nicht umgesetzt, verwertet wird, ist tot. Um sie zum Leben zu erwecken, muss sie erzählt, an ihr gearbeitet werden.

TR: Gibt es in der Zukunft weitere "StartupWeekends"?

Basman: Wir haben bereits ein neues beschlossen. Es wird im April nächsten Jahres in Hamburg stattfinden. Es wird keine Neuauflage sein. Sie können das nicht als Tournee machen. Das verträgt das Konzept nicht. (wst [4])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-274704

Links in diesem Artikel:
[1] http://sprechblase.wordpress.com/uber/
[2] http://startupweekend.wordpress.com/
[3] http://edelbild.de/
[4] mailto:wst@technology-review.de