Bürgerrechtler: Chinas Zensur zum Coronavirus begann schon 2019

Seit Wochen hält das neuartige Coronavirus die Welt in Atem, auf der Bildfläche erschienen war es im Januar. In China war die Zensur da schon weiter.

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Analyse: Chinas Zensur zum Coronavirus begann schon 2019

(Bild: wk1003mike/rongyiquan/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

In einem beliebten chinesischen sozialen Netzwerk wurden schon am 31. Dezember 2019 Begriffe zensiert, die sich auf den damals noch nicht benannten neuen Coronavirus und die durch ihn ausgelöste Erkrankung COVID-19 beziehen. Das haben die Forscher des kanadischen Citizen Lab ermittelt.

Sie erklären, der Zensurbeginn falle mit der allerersten offiziellen Bezugnahme auf die Krankheit zusammen und auf den Tag nach der ersten Warnung vor einer unbekannten Krankheit. Für diese Warnung war der Arzt Li Wenliang später von der Polizei verwarnt worden. Rekonstruieren konnten die Forscher die Zensurmaßnahmen durch die Analyse der Video-App YY und des Chatdiensts WeChat.

Die neuartige Erkrankung, die mittlerweile in Dutzenden Staaten in der ganzen Welt kursiert, nahm nach gegenwärtigen Erkenntnissen Anfang Dezember ihren Ausgang in der chinesischen Stadt Wuhan. Kurz vor dem Jahreswechsel wurde dann deutlich, dass es sich um eine ernstere Angelegenheit handeln könnte und die Behörden informierten unter anderem die Weltgesundheitsorganisation. Am 1. Januar 2020 wurde jener Markt geschlossen, von dem der Virus offenbar seinen Ausgang genommen hatte. Die Behörden versuchten dann zu beschwichtigen und begannen Menschen davor zu warnen, "Gerüchte zu verbreiten".

Die Forscher des Citizen Labs, die Einschränkungen der Meinungsfreiheit erforschen, konnten nun eine Besonderheit von YY nutzen, um die Zensur nachträglich zu beleuchten. Wie sie erklären, werden zu zensierende Begriffe in der beliebten Videostreaming-App auf den Endgeräten heruntergeladen. Dadurch können verbotene Phrasen entdeckt werden, bevor sie vom Gerät aus gesendet werden. Gleichzeitig ermöglicht das aber auch eine Analyse der Zensur. Seit Februar 2015 können die Forscher so mit stündlichen Abrufen die Veränderungen in der Zensur-Blacklist verfolgen.

In der App haben sie demnach ermittelt, dass die chinesischen Begriffe für "unbekannte Wuhan-Lungenkrankheit", "SARS-Variante" oder "Wuhan Meeresfrüchte-Markt" am 31. Dezember 2019 zur Blockliste hinzugefügt wurden, also vergleichsweise früh.

Die Forscher haben darüber hinaus entdeckt, dass einige der zensierten Begriffe am 10. Februar wieder entfernt wurden. Das betrifft demnach etwa "mit dem Virus infiziert", "Epidemie" oder "Wuhans Lungenkrankheits-Epidemie". Sie vermuten, dass diese Begriffe zum Overblocking geführt hatten und deshalb nicht mehr zensiert würden.

Die Zensur auf WeChat

(Bild: Screenshot Citizen Lab)

Die Zensur auf WeChat können sie ihren Aussagen zufolge nicht so bequem analysieren, da die zensierten Begriffe auf den Servern liegen. Deshalb lassen sie mehrere Accounts automatisch miteinander kommunizieren und verwenden dafür Textausschnitte aus Zeitungen. Kommen bestimmte Nachrichten nicht an, können sie mit der Eingrenzung der zensierten Phrasen beginnen. Auf diesem Weg haben sie herausgefunden, dass zwischen Jahresbeginn und dem 15. Februar insgesamt 516 Schlagwort-Kombinationen mit Verbindung zum Coronavirus zensiert wurden. Dabei sei der Umfang im Laufe der Zeit immer weiter angestiegen.

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(mho)