Videoüberwachung: Diskussionen um Datenschutzverletzungen ebben ab

Sicherheit um jeden Preis ist mittlerweile von vielen gewünscht. Wie aber Überwachung und der Schutz von Daten und Persönlichkeitsrechten in Einklang zu bringen sind, schildert Ray Mauritsson, CEO des IP-Kameraherstellers Axis.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Robert Höwelkröger

In der letzten Septemberwoche 2012 versammelt sich die Sicherheitsbranche in Essen zur "Security 2012". Thema der Messe ist Sicherheit in allen Belangen, wie sie von vielen Unternehmen aber auch Privatpersonen angestrebt wird. Doch müssen sich die Hersteller und Anbieter auch häufig mit Kritik und Diskussionen über den Schutz von Daten- und Persönlichkeitsrechten auseinandersetzen. Wie im Rahmen dieses Spannungsfeldes die Realität für einen Hersteller von Kameras, die zur Überwachung von Straßen, Gebäuden und Plätzen eingesetzt werden, aussieht, verrät Ray Mauritsson, CEO von Axis, im Interview mit heise resale.

Ray Mauritsson, CEO von Axis, sieht nicht die Überwachung sondern vielmehr die Verwendung des Materials als problematisch an.

Wie kommt diese Kontroverse bei Axis an? Und wie geht ihr Unternehmen mit diesbezüglicher Kritik um?

Es gibt einige Länder, in denen das Thema "Big Brother" auch heute noch heiß diskutiert wird. Allerdings sehen wir auch, dass diese Diskussionen immer weniger werden. In unserer Heimat Schweden allerdings ist es immer noch ein großes Thema. Dort ist es sehr schwierig die Erlaubnis für das Aufstellen von Überwachungskameras zu bekommen. Die Stockholmer Verkehrsbetriebe SL beispielsweise haben 17 000 Kameras in ihren Zügen und Bussen installiert. Sie brauchten aber für jede einzelne Kamera, die sie installiert haben, eine Extragenehmigung. Es ist also so, dass es in einigen Ländern stark beschränkt ist, aber eine wirkliche öffentliche Diskussion kommt eigentlich gar nicht mehr zustande. Viel mehr sind die Leute heute schon so auf Sicherheit bedacht, dass sie dieses Thema vielfach nicht mehr negativ tangiert.

Haben sich datenschutzrechtliche Bedenken negativ auf ihr Geschäft ausgewirkt?

Der Großteil akzeptiert uns und unsere Produkte mittlerweile, um sich einfach sicherer zu fühlen. Für uns bewegt sich die Debatte also derzeit in die genau richtige Richtung. Bei jeder Diskussion sage ich aber, dass nicht der Einsatz von Kameras Beschränkungen unterzogen sein sollte. Vielmehr ist es wichtig, wer auf das Material zugreifen kann und was damit angestellt wird. Hier finden doch letztendlich die Missbräuche statt und das ist somit der wirklich interessante Bereich, über den diskutiert werden sollte. Wir leben in einer Welt wo jeder auf der Straße abgelichtet werden kann und wo große Unternehmen Häuser, Landschaften und Straßen in das Internet bringen. Die Gefahr ist aber gar nicht, irgendetwas abzulichten, sondern es in einen neuen Kontext zu bringen und es so auf einem möglicherweise schädlichen Weg zu zweckentfremden. Hier sollte die Politik mit ihren Regeln eingreifen. Die Kamera ist ja nur das Auge in der Ferne. Für mich ist diese Art des Schutzes definitiv keine Bedrohung und sollte es es auch ganz klar nicht für andere sein.

Ist das Thema damit für Sie damit erledigt?

Es stimmt schon, die Diskussion poppt immer wieder mal auf und kocht dann hoch. Aber es ist definitiv kein wirkliches Hot Topic mehr. Heutzutage ist die Perspektive so unterschiedlich. Beinahe jeder stellt sich mit Fotos bei Facebook dar und dann will man dennoch keine Kameras zu Sicherheit haben? Das empfinde ich schon als etwas paradox. Daher sehe ich das Thema eigentlich nicht als Problem. Als Herausforderung sehe ich aber die Abgrenzung.

Wie ist es bei Ihnen in Schweden?

In Lund beispielsweise ist die Verwendung von Kameras an öffentlichen Plätzen untersagt, es sei denn jemand wurde dort ermordet. Raub oder andere wenige schwere Verbrechen reichen nicht aus, um diese Vorschriften zu ändern. Es muss also schon eine hohe Hürde überwunden werden, bis die Erlaubnis gegeben wird. Die Polizei will natürlich Kameras verstärkt einsetzen, weil sie sich dadurch eine höhere Aufklärung verspricht. Die Aufklärung von solchen Straftaten könnte vielleicht eine Änderung der Vorschriften mit sich bringen und hat in anderen Ländern schon dazu geführt, dass Kameras zugelassen worden sind. Sich sicher zu fühlen wird immer wichtiger für einen Großteil der Bevölkerung.

Haben Sie ein konkretes Beispiel?

Ein sehr gutes Beispiel dafür ist erneut SL in Stockholm. Zum Schutz der Passagiere und Fahrer wurden in allen Bussen Sicherheitskameras eingebaut. Daraufhin entflammte jedoch eine Diskussion, in der es darum ging, wie das Videomaterial verwendet wurde. Die Busfahrer hatten unter anderem Angst ausspioniert zu werden. So wurden schließlich die Kameras wieder komplett entfernt. Gänzlich ohne Schutz- oder Überwachungsmaßnahmen in den Bussen wollte aber auch wieder keiner sein – viele Busfahrer weigerten sich sogar, ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Auf Drängen der Gewerkschaft wurde dann Begleitschutz eingerichtet – in jedem Bus fuhr fortan ein Security-Mann mit. Am Ende der Diskussion wurde klar, dass weder Fahrgäste noch das Personal von SL auf Sicherheitsmaßnahmen verzichten wollten. Zuguterletzt wurden dann doch die Kameras wieder installiert. Ich denke dieses Beispiel beschreibt auch sehr gut, wie sich das Bewusstsein innerhalb kurzer Zeit verändern kann, wenn sich die Menschen dem Zweck und Nutzen von Videoüberwachung bewusst werden. (roh)