Ericsson führt Mehrgeräte-WLAN-Telefonie für Mobilfunknetze ein

WiFi-Calling bringt Vorteile für Netzbetreiber und für Nutzer. Die Technik verbessert die Versorgung mit Sprachdiensten und erspart Roaming-Gebühren für Mobilfunktelefonate. Dennoch fehlt WiFi-Calling in Deutschland bisher.

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Smartphone mit WLAN
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Der Netzwerk-Zulieferer Ericsson hat sein WLAN-Angebot für Netzbetreiber erweitert: Ab sofort lassen sich Mobilfunknetze, die Ericsson-Technik verwenden, auch mit der Funktion WiFi-Calling for Multi-Device ausrüsten. Das bisher übliche WiFi-Calling sieht nur vor, dass das Smartphone auch WLAN für den Sprachverkehr per Mobilfunknummer nutzt.

Mit Ericssons Erweiterung können Teilnehmer ihre Mobilfunknummer auch mit Endgeräten für Telefonate nutzen, die lediglich über WLAN ins Internet kommen. Dabei spielt es laut Ericsson keine Rolle, wo sich diese Endgeräte gerade auf der Welt befinden. Dafür muss das Hauptgerät, also das Smartphone, im Providernetz angemeldet sein, wahlweise per WLAN oder Mobilfunk.

Nutzer können dann weitere WLAN-fähige Geräte für dieselbe Mobilfunkrufnummer anmelden, darüber Gespräche annehmen und zwischen diesen weiterleiten – auch wenn die Geräte über unterschiedliche WLAN-Access-Points am Internet angekoppelt sind. Praktisch ist auch, dass man so über die übliche Rufnummer auch im Ausland telefonieren kann, aber bei WLAN-Nutzung keine Roaming-Gebühren zahlen muss.

Mit dieser Erweiterung können Netzbetreiber Sprachdienste auf Bereiche mit problematischer Mobilfunkversorgung ausweiten, zum Beispiel innerhalb von Gebäuden. Ericsson hat für die WLAN-Telefonie diverse Erweiterungen für die Mobilfunkbereiche Evolved Packet Core, IP Multimedia Subsystem, User Data Management und Systemintegration im Lieferprogramm.

Der Netzwerk-Zulieferer hofft, dass erste Netzbetreiber die Multi-Device-Erweiterung für das WiFi-Calling noch im laufenden Jahr einführen. Damit steige die Anzahl der Telefonie-geeigneten Geräte deutlich, denn im Prinzip kämen auch Tablets und PCs in Betracht. Außerdem lockt Ericcson Netzbetreiber mit dem Argument, dass Teilnehmer bei fehlender Mobilfunkabdeckung nicht mehr auf Internet-Telefondienste wie Skype ausweichen müssten (Over-The-Top Voice Services).

WiFi-Calling haben diverse Netzbetreiber in Kanada, USA, Groß Britannien oder auch in der Schweiz eingeführt, zum Beispiel der Schweizer Provider Salt und seit August 2015 auch Swisscom. In Deutschland hat noch kein deutscher Netzbetreiber Pläne dafür genannt. Die Konzernmutter von Vodafone setzt die Technik jedoch durchaus ein und auch T-Mobile, die USA-Tochter der Telekom. Auch haben verschiedene Hersteller Smartphones für den Dienst entwickelt; diese sind ab Werk gemäß 3GPP-Spezifikationen für WiFi-Calling ausgelegt, benötigen also keine App dafür.

Genau genommen gibt es die Technik schon seit einigen Jahren unter der Bezeichnung Unlicensed Mobile Access, UMA. Größere Bekanntheit erlangte sie unter der Namen WiFi-Calling als im Jahr 2014 Smartphones wie das Apple iPhone 5C und 5S oder das Samsung Galaxy S5 die Funktion ab Werk mitbrachten. Weitere kommen inzwischen laufend hinzu, etwa S6 und Galaxy S6 Edge von Samsung oder auch die 6s-Serie der iPhones, die bald erhältlich werden.

Ericsson befragte 2015 in den USA Smartphone-Nutzer, die Wi-Fi-Calling bereits einsetzen, was sie an dem neuen Dienst schätzen. Den meisten Zuspruch findet – wenig überraschend – die verbesserte Versorgung mit dem Sprachdienst.

(Bild: Ericsson ConsumerLab)

WiFi-Calling und der LTE-Sprachdienst VoLTE gründen beide netzintern auf dem IP Multimedia Subsystem (IMS). Netzbetreiber, die VoLTE in ihrem LTE-Netz bereits eingeführt, und zumindest dafür schon IMS implementiert haben, können den Service laut Ericsson mit wenig Aufwand auf WLAN als Trägermedium umsetzen, um ihren Sprachdienst beispielsweise auf Gebäude mit schwacher LTE-Abdeckung auszuweiten.

Netzbetreiber, die VoLTE noch nicht gestartet haben, können das IMS-basierte Wi-Fi-Calling für Nutzer anbieten, die sich in Bereichen mit schwacher 2G/3G-Versorgung in Firmen und Wohnungen aufhalten. Eine spätere Aufrüstung auf VoLTE würde nahtlose Zusammenarbeit zwischen LTE and WiFi-Calling ermöglichen.

Ericsson hat Nutzer in den USA befragt, welche Störungen oder Behinderungen ihnen beim WiFi-Calling aufgefallen sind. Nicht ganz unerwartet findet man unter den Antworten auch Klagen über die Sprachqualität.

(Bild: Ericsson ConsumerLab)

Aus Netzbetreibersicht dürfte aber auch nützlich sein, dass für die WLAN-Telefonie keine zusätzliche Infrastruktur beim Kunden aufgebaut werden muss – es genügt die Internet-Leitung, auf die Nutzer ohnehin für den Datenverkehr zugreifen. Zugleich beeinträchtigt das die Sprachqualität, sofern Access-Points, Switche und Router den über WLAN abgewickelten Sprachverkehr nicht höher priorisieren, als etwa Surf- oder Mail-Verkehr. Das belegen auch Antworten von WiFi-Calling-Nutzern in den USA (siehe Grafik), die Ericsson im Jahr 2015 befragt hat.

Für WiFi-Calling for Multi-Device soll sich im Prinzip jedes Gerät mit WLAN-Schnittstelle, Mikrofon und Lautsprecher eignen, erklärte Ericsson auf Anfrage – im Grunde also auch ein Laptop oder PC. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht – die Geräte müssen mit den entsprechenden 3GPP-Funktionen ausgerüstet sein (sei es werksseitig oder per App nachgerüstet). Dazu gehört auch, dass sie für die Kommunikation mit dem Providernetz IPSec-verschlüsselte VPN-Verbindungen aufbauen, sich Authentifizieren (SIM Authentication per EAP-SIM/AKA) und anderes mehr.

Welche Tablets oder Laptops bereits für WiFi-Calling geeignet sind, konnte Ericsson zunächst nicht beantworten. Laut einem Support-Dokument von Apple sind offenbar aktuelle Tablets der iPad-Familie und der Musikplayer iPod touch mit iOS 9 dafür ausgelegt und überraschenderweise auch Macs mit dem kommenden OS X 10.11 alias El Capitan. T-Mobile USA bietet den Dienst bereits an, auch inklusive der Multi-Device-Funktion. (dz)