ARM versus Qualcomm: Verteidigungsschrift lässt ARM wie einen Lizenzhai dastehen

ARM will einen der größten Hersteller von Smartphone-Prozessoren zu höheren Lizenzkosten verdonnern. Qualcomms Antwort sieht für ARM nicht gut aus.

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(Bild: Qualcomm)

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Qualcomm hat auf die Klage seitens ARMs reagiert. Die 77-seitige Verteidigungsschrift (PDF-Download) enthält allerlei Details zu den Abkommen zwischen ARM, Qualcomm und dem übernommenen Start-up Nuvia, die ARM in einem schlechten Licht dastehen lassen. Qualcomm sagt im Wesentlichen, dass ARM die Gelegenheit nutzen will, um nach der geplatzten Übernahme durch Nvidia den eigenen Umsatz zu verbessern.

Hintergrund: Im März 2021 schloss Qualcomm die Nuvia-Übernahme ab und gab öffentlich bekannt, mit dessen selbstentwickelten ARM-Kernen (Codename Phoenix) zunächst Snapdragon-Prozessoren für Smartphones und Notebooks entwickeln zu wollen. Bisher verwendet Qualcomm dafür ARMs Standard-Cortex-Kerne. Im August 2022 verklagte ARM seinen eigenen Kunden Qualcomm, der für das Vorhaben angeblich nicht die passenden ARM-Lizenzen besäße.

In der Verteidigungsschrift wirft Qualcomm ARM boshaftes Verhalten vor, um den Druck zu erhöhen und so den Gewinn im Rahmen der Klage zu erhöhen. Demnach habe Qualcomm zur Nuvia-Übernahme versucht, die Differenzen mit ARM zu beseitigen. Dessen Forderungen seien jedoch unrealistisch gewesen.

Im September 2021 soll ARM sämtliche Kommunikation rund um den Disput eingestellt haben. Parallel arbeitete ARMs Ingenieursteam jedoch weiter mit Qualcomm und validierte dessen Prozessordesigns, auch solche mit Nuvia-Kernen. In der Verteidigungsschrift heißt es dazu:

"Während die Parteien zeitweise Gespräche zur Beilegung des Streits führten, stellte ARM im oder um den September 2021 die Kommunikation mit Qualcomm über den Streit ein. In der Zwischenzeit setzte Qualcomm während des gesamten Jahres 2021 bis zum heutigen Tag und mit voller Kenntnis von ARM die Entwicklungsarbeit am Phoenix-Kern und an Systems-on-Chip, die den Phoenix-Kern enthalten, fort, wie es Qualcomms eigenen Lizenzvereinbarungen mit ARM zufolge zusteht."

"ARM wartete zunächst ab, bis Qualcomm ein Jahr lang Entwicklungsarbeit und Hunderte von Millionen US-Dollar aufgewendet hat, um die Phoenix-Core-Technologie weiterzuentwickeln und in mehrere SoCs zu integrieren, zusätzlich zu den 1,4 Milliarden US-Dollar, die Qualcomm für Nuvias Übernahme ausgegeben hat. ARM wollte alle verfügbaren Hebel nutzen, um Qualcomms Investitionen und die SoC-Roadmap zu gefährden und so exorbitante Lizenzgebühren zu verlangen."

ARMs Forderungen schreibt Qualcomm konkret in die eigene Verteidigung:

  1. Qualcomm muss die wesentlich höheren Lizenzgebühren aus den Nuvia-Lizenzen in die bereits bestehenden Qualcomm-Lizenzen einbeziehen
  2. Qualcomm darf drei Jahre lang nicht an Custom-ARM-Kernen arbeiten
  3. Qualcomm muss mit ARM eine Transfergebühr für Nuvias CPU-Designs aushandeln
  4. Qualcomm muss unterschiedliche Lizenzen zur Implementierung von IP und zur Nutzung von Software-Tools abschließen sowie eine weitere, nicht offengelegte "Design-Transfergebühr" zahlen

Nuvia zahlte deutlich höhere Lizenzkosten für Server-CPUs aufgrund der hohen Marge in diesem Markt und offenbar wegen zusätzlicher Lizenzprivilegien. Qualcomm soll laut eigenen Angaben diese höheren Lizenzkosten fortan für all seine Produkte zahlen, obwohl die Firma die Nuvia-Kerne für seine Smartphone- und Notebook-Prozessoren weiterentwickeln will – das Argument der hohen Marge gilt dort nicht.

Die zusätzlichen Privilegien wollte Qualcomm laut eigenen Aussagen nachverhandeln. Die Webseite Semianalysis will von Industriequellen erfahren haben, dass es um Weiterlizenzierungen geht: Nuvia wollte seine Server-CPUs demnach nicht selbst fertigen, sondern die Designs an Kunden verkaufen. Qualcomms Verteidigungsschrift enthält Hinweise darauf, entsprechende Stellen sind aber großenteils zensiert.

Qualcomm sagt im Wesentlichen, dass ihnen und nicht ARM Nuvias Custom-Kern Phoenix gehört. ARM habe kein Recht zu bestimmen, welche IP von Nuvia zu Qualcomm wechselt. Im Rahmen der geplanten ARM-Übernahme durch Nvidia sagte ARM selbst: "Die Architekturlizenznehmer verwenden nicht die CPU-Designs von ARM. Die Architekturlizenznehmer von ARM erstellen ihre eigenen proprietären CPU-Designs mit ihren eigenen Ingenieurteams."

Zudem argumentiert Qualcomm, dass ARM Qualcomm womöglich einen auswischen wolle, weil die Firma gegen die ARM-Übernahme durch Nvidia war: "ARM beendete die Nuvia-Vereinbarungen nur drei Tage, bevor ARM öffentlich das Scheitern der Übernahme durch Nvidia bekannt gab – ein Geschäft, das Qualcomm und viele andere in der Branche abgelehnt hatten. Dieser Zeitpunkt deutet darauf hin, dass sich ARM teilweise für den öffentlichen Widerstand von Qualcomm gegen die Nvidia-Transaktion rächen wollte."

(mma)