Abschied vom Informationszeitalter befürchtet

Forscher kritisieren die Zugriffsregelung auf digital archivierte Publikationen als wissenschaftsfeindlich.

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Von
  • Richard Sietmann

Zwischen der IUK-Initiative der Wissenschaftlichen Fachgesellschaften in der Bundesrepublik und der Deutschen Bibliothek in Frankfurt ist eine Kontroverse um den Zugang zu digital archivierten Veröffentlichungen -- so genannten Netzpublikationen -- entbrannt. Der Vorwurf: Eine kürzlich von der DDB mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels geschlossene Vereinbarung unterbinde den Internetzugang auf die bei ihr archivierten Netzpublikationen der Mitgliedsverlage des Börsenvereins.

"Die IuK-Initiative Wissenschaftlicher Fachgesellschaften muss daher die Vereinbarung als im Kern wissenschaftsfeindlich kritisieren", heißt es in der Erklärung. Künftig müssten Wissenschaftler zu den DDB-Standorten Frankfurt, Leipzig oder Berlin reisen und sich vor Ort gegen Entgelt Ausdrucke erstellen lassen, wenn sie die archivierten Materialien für ihre Arbeit benötigten. Das sei "ein Abschied vom Informationszeitalter, dem eine gewisse Komik nicht abzusprechen ist".

Die im März abgeschlossene Rahmenvereinbarung zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. als Vertreter der Verlage und der Deutschen Bibliothek legt fest, "dass die gespeicherten Netzpublikationen ausschließlich in den engen Grenzen hausintern vorhandener Zugangsmöglichkeiten genutzt werden können und eine im Fernzugriff erfolgende Nutzung der auf einem Server der Bibliothek liegenden Bestände ausgeschlossen ist, soweit die Bibliothek mit dem Ablieferer keine anderen Vereinbarungen getroffen hat".

Die IuK-Initiative ist das gemeinsame Koordinierungsgremium der wissenschaftlichen Fachgesellschaften zu den Fragen der Informationsversorgung und -infrastruktur in der Forschung. Ihr gehören unter anderen die Deutsche Mathematiker-Vereinigung (DMV), die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG), die Gesellschaft deutscher Chemiker (GdCH) und die Gesellschaft für Informatik (GI) an. Die Initiative beklagt insbesondere, dass die Übereinkunft zwischen DDB und Börsenverein hinter den Stand der internationalen Diskussion zurückfällt. Danach sollten Zeitschriftenaufsätze nach einer gewissen Karenzzeit zur kommerziellen Nutzung durch die Wissenschaftsverlage schließlich allen Forschern frei zugänglich sein. Lediglich über die Dauer gibt es noch unterschiedliche Auffassungen; im Gespräch sind "Sperrzeiten" zwischen sechs Monaten und fünf Jahren.

Dem hält die DDB in einer Stellungnahme entgegen, dass unter den gegebenen rechtlichen Verhältnissen nicht mehr zu erreichen war. Denn anders als im Printbereich müssen die wissenschaftlichen Verlage keine Pflichtexemplare ihrer Netzpublikationen an die DDB zur Archivierung abliefern -- sie tun dies freiwillig, nur halt mit den genannten Auflagen und Einschränkungen. Die Verleger hatten geltend gemacht, mit einem kostenfreien Zugang würden ihre international geschützten Urheber- und Leistungsrechte gefährdet.

Die Vereinbarung sei "wissenschaftsfreundlich" und keineswegs der befürchtete "Abschied vom Informationszeitalter", betont die DDB, sondern vielmehr der seit langem erstrebte Beginn der Aufnahme netzbasierter Verlagspublikationen in die Verzeichnis- und Archivierungsdienste der Deutschen Bibliothek. "Wir sind sehr froh, dass es gelungen ist, die Bedenken der Verlegerseite, dass eine Ablieferung eine Gefährdung ihrer Rechte nach sich ziehen könnte, so weit ausgeräumt zu haben, dass der Börsenverein des Deutschen Buchhandels dieser Vereinbarung zur Erprobung des gesamten Verfahrens zugestimmt hat." (Richard Sietmann) / (jk)