Aktionärs-Revolte bei Toshiba

Ausländische Aktionäre erzielen einen Durchbruch in Japan. Toshiba-Chef Nagayama muss gehen Nach einer Skandalreihe steht der Konzern unter Druck.

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Toshiba
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Von
  • Andreas Knobloch

Die Aktionäre des skandalgeplagten japanischen Industriekonzerns Toshiba haben überraschend den Verwaltungsratsvorsitzenden des Unternehmens, Osamu Nagayama, abgesetzt. So etwas ist in Japan höchst ungewöhnlich. Beobachter werten dies als Durchbruch, um Japans abgeschottete Unternehmen transparenter und rechenschaftspflichtiger zu machen.

Vorausgegangen war der Absetzung Nagayamas eine unabhängige Untersuchung. Sie hat laut New York Times aufgedeckt, dass Führungskräfte Toshibas mit der japanischen Regierung zusammengearbeitet haben, um Druck auf Investoren auszuüben. Demnach war die Toshiba-Konzernleitung verärgert über den Plan des in Singapur ansässigen Großaktionärs Effissimo Capital Management, neue Aufsichtsräte zu wählen.

Führungskräfte Toshibas wandten sich daraufhin an Beamte des japanischen Handelsministeriums, um gemeinsam Effissimo Capital Management zum Rückzug zu bewegen. Der 139-seitige Untersuchungsbericht dreier unabhängiger Ermittler beschreibt, wie das Management Toshibas Hand in Hand mit Regierungsbeamten gearbeitet haben soll, um das Ergebnis der letztjährigen Jahreshauptversammlung zu beeinflussen. Ein hochrangiger Toshiba-Manager hat demnach sogar verlangt, dass Firma und Regierung die renitenten Aktionäre "verprügeln". Unter den genannten Beamten ist auch der heutige Premierminister Yoshihide Suga.

Die Taktik war vorerst erfolgreich. Der damalige CEO Nobuaki Kurumatani wurde voriges Jahr, knapp aber doch, wiedergewählt. Doch konnte Effissimo in der Folge die unabhängige Untersuchung durchsetzen. Nach Veröffentlichung des Berichts musste Toshiba-Chef Kurumatani das Handtuch werfen, ebenso zwei weitere hochrangige Manager und zwei Verwaltungsräte.

Nagayama, ehemals CEO Chugai Pharmaceuticals und Vorstandsmitglied Sonys, war nicht in den Skandal verwickelt. Er blieb vorerst im Amt. Doch die Aktionäre waren nicht überzeugt, dass Toshiba genug tut, um die schwerwiegenden Vorwürfe gegen das Unternehmen anzugehen. Nach einer leidenschaftlich geführten Jahreshauptversammlung und viel Kritik musste der 74-jährige Nagayama schließlich seinen Hut nehmen. Seit Freitagabend ist der erst im April zum CEO bestimmte Satoshi Tsunakawa auch Vorsitzender des Verwaltungsrates, zumindest vorübergehend.

Nagayamas Entlassung ist höchst ungewöhnlich für Japans konservative Unternehmenskultur, in der Konzerne wie Toshiba jahrzehntelang mit wenig Rücksicht auf Interessen von Privataktionären geführt wurden. "Angesichts der Bedeutung Toshibas als Spitzenunternehmen und der hohen Positionen der beteiligten Regierungsvertreter und des Managements ist die Abstimmung eine Botschaft der heimischen Investoren, dass Fehlverhalten und Aktionärsunterdrückung der Vergangenheit angehören und nicht länger toleriert werden", sagte Justin Tang vom Investmentberater United First Partners in Singapur zu Bloomberg. "Dieses Ergebnis ist ein Zeichen für einen Paradigmenwechsel in Japan und wird aktivistische Investoren, ob ausländische oder inländische, nur ermutigen."

Einst ein geschichtsträchtiger Name in Japan, ist Toshiba nach jahrelangen Managementfehlern dramatisch geschrumpft. Nach einem Bilanzskandal musste die Firma eine Rekordstrafe zahlen. Dann musste Toshiba seine Atomtochter in die Insolvenz schicken, was Milliarden gekostet hat. Vor drei Jahrzehnten hat Toshiba zwar den Flash-Speicherstick erfunden, war aber 2018 gezwungen, wegen der Atomkraft-Verluste den größten Teil seines einst lukrativen Chip-Geschäfts zu verkaufen. Dieser Deal brachte frisches Kapital – aber eben auch neue, engagiertere Aktionäre.

(ds)