Amazon bereitet Versandbuchhändlern Sorge

Das klassische Geschäft mit Versandbüchern steckt in der Krise. Nur noch wenige Leseratten bestellen per Telefon oder Katalog. Der Onlinehandel wächst weiter – der größte Teil des Kuchens entfällt auf den Branchenriesen Amazon.

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Amazon bereitet Versandbuchhändlern Sorge

(Bild: Peter Endig, dpa)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Nico Pointner
  • dpa
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Amazon setzt den kleinen Versandbuchhändlern hart zu. Der US-Riese dominiert die Branche auch in Deutschland. Egal ob Kundenzufriedenheit, Logistik oder technische Entwicklung: "Amazon macht einen guten Job, das muss man attestieren", sagt Frederik Palm, Vorstandschef des Bundesverbands der Deutschen Versandbuchhändler. Zu gut für den Rest der Branche?

Die deutschen Versandbuchhändler verzeichneten 2014 nur ein leichtes Umsatzplus von 1,85 Prozent auf 2,75 Milliarden Euro. "Da schlägt natürlich auch die Insolvenz der Weltbildgruppe ins Kontor", sagt Palm. Weltbild bestimmte die Umsätze der Branche über Jahre entscheidend mit, war im Kataloggeschäft stark. Anfang 2014 musste der defizitäre Verlag Insolvenz anmelden.

Der Bundesverband befasst sich derzeit auf der Jahreshauptversammlung in Ulm mit der Entwicklung der Branche. "In Zeiten der Unsicherheit tauscht man sich aus", erklärt Palm.

Sorgenvolle Diskussionen sind wohl zu erwarten. Vor allem der klassische Versandbuchhandel steckt in der Krise. Nur noch wenige Leseratten bestellen Bücher per Telefon, im Katalog oder über Buchclubs. 2014 ist der Umsatz in dem traditionellen Geschäft um ein Viertel auf 300 Millionen Euro eingebrochen.

Wenn sie nicht in der Buchhandlung stöbern, bestellen moderne Leseratten Schmöker per Mausklick: Der Online-Buchhandel wächst nach wie vor – im vergangenen Jahr um 6,5 Prozent auf 2,45 Milliarden Euro. Der weitaus größte Teil dieses Kuchens entfällt auf Amazon. Rund 2,2 Milliarden Euro gingen auf das Konto des Platzhirschen – ein Plus von 15,8 Prozent. "Im E-Commerce gewinnt nur einer", sagt Palm.

Auch bei digitalen Büchern dominiert Amazon. Der Markt mit E-Books wächst rasant – der Umsatz stieg um 65 Prozent auf 380 Millionen Euro. "Der Markt ist noch im Pionier-Stadium", sagt Palm. Laut einer Studie des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels bestellt nicht nur die junge Generation elektronische Bücher. Vor allem Leser von 50 bis 59 Jahre haben demnach 2013 ein E-Book heruntergeladen.

Trotzdem ist sich Palm sicher: "Ich glaube fest daran, dass es immer einen Markt für physische Bücher geben wird – und damit Dinge für den Versandbuchhändler, die er in einen Karton packen kann". Der Schlüssel zum Überleben ist laut Palm die Nische – der Handel mit Kunstbüchern, Literatur über Pferde, Fachbücher für Internisten. "Wir müssen den Kunden beim kleinsten Thema abholen", sagt Palm. "Die Nische muss klein genug sein, dass Amazon sich nicht dafür interessiert – und groß genug, um ein Unternehmen zu ernähren."

Versandbuchhändler müssten exklusive Ware bieten, ihre Klientel gut kennen, den günstigeren Preis bieten, findet auch Olaf Hartmann, Leiter E-Commerce beim Rhenania Buchversand in Koblenz. "Und es gibt immer noch eine große Klientel, die Daten nicht ins Internet geben will, die es liebt in einem Katalog zu stöbern", sagt Hartmann. In Amazon sieht er trotzdem eine starke Konkurrenz. "Technisch dagegen anzugehen, ist fast unmöglich."

Kleinere Buchhändler können auch mit originellen Ideen punkten – auch wenn es um den Versand geht. Ein Vaihinger Buchladen in einem Hinterhof am Stadtrand von Stuttgart setzt seit sieben Jahren auf einen Online-Shop – und bringt den Kunden im Stadtteil das Buch direkt vor die Tür. "Um den Kunden einen Mehrwert zu bieten", sagt Inhaberin Karin Bilsing. Nach Feierabend steigt sie auf ihr Fahrrad und fährt noch am selben Tag auf dem Weg nach Hause Bücher aus. Ein Vorteil gegenüber den Branchenriesen? "Wir sind schneller", sagt sie. (anw)