Autonome Elektrofähre geht in Stockholm in Betrieb

Ein norwegisches Start-up will den "erfahrensten Kapitän der Welt" erschaffen – mit digitalem Zwilling. Als Backup steht ein Remote-Operator zur Verfügung.

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(Bild: Zeam)

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In Stockholm hat die erste selbstfahrende Elektrofähre der Welt den Betrieb aufgenommen. Die MF Estelle verkehrt zunächst zwei Mal pro Stunde auf einer 900 Meter langen Strecke zwischen zwei zentralen Inseln. Später soll die Frequenz auf vier Abfahrten pro Richtung erhöht werden.

Der zwölf Meter lange Katamaran ist auf 24 Passagiere plus ein paar Fahrräder ausgelegt. Entwickelt wurde er vom norwegischen Start-up Zeabuz, Betreiber ist die schwedische Fährgesellschaft Torghatten unter dem Markennamen Zeam. Die Fähre sei ein erster Schritt zu einem "Netz aus virtuellen Brücken", das eine "erschwingliche und umweltfreundliche urbanen Mobilität" ermöglichen soll, heißt es in einer Pressemitteilung von Zeabuz.

Damit die Fähre auch bei schlechter Sicht ihren Weg findet, ist sie nicht nur mit Kameras ausgestattet, sondern auch mit Radar-, Lidar-, Infrarot- und GPS-Sensoren. Beim automatischen Andocken dienen Ultraschall-Sensoren an Bug und Heck als eine Art Einparkhilfe.

Die Steuerungssoftware wurde mit einem digitalen Zwilling der Fähre trainiert. Die Trainingsdaten stammen aus verschiedenen Quellen, teilt Zeabuz-Marketing-Direktorin Ann Iren Holm Rise auf Anfrage von MIT Technology Review mit: Manuell erstellte Szenarien; in der realen Welt gesammelt Verkehrsdaten; systematisch per "Brute Force" variierte Parameter; automatisch generierte Settings, bei denen einem Maschinenlern-Algorithmus gezielt die Szenarien sucht, die für das Autonomie-System eine besondere Herausforderung darstellen.

Alle Komponenten des digitalen Zwillings könnten "mit physikalischer Modellierung und vorher gesammelten Daten eingerichtet werden, ohne Trainingsdaten aus der Praxis", so Zeabuz. "Wenn Trainingsdaten aus der Praxis vorliegen, können die Modelle weiter verbessert werden. Aber der zentrale Punkt ist, dass der digitale Zwilling es uns ermöglicht, Entwicklung, Test und Vorbereitung für einen neuen Standort schon durchzuführen, bevor wir lokale Praxisdaten gesammelt haben."

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Das Ziel von Zeabuz sei es, "den erfahrensten Kapitän der Welt zu erschaffen". Doch zunächst ist noch ein menschlicher Kapitän an Bord, der die Verantwortung trägt und das System überwacht. Ab 2024 soll das Schiff dann komplett autonom fahren, überwacht von einem Operator aus der Ferne. Die Verbindung zwischen Fähre und Remote-Operator geschieht redundant über das 5G-Mobilfunknetz sowie über eine in der Schifffahrt etablierte Funkverbindung namens C-Link.

Da die Fähre dank ihrer Sensorik weitgehend selbstständig ist, braucht der Remote-Operator nur grobe Vorgaben statt detaillierte Steuerkommandos zu geben. Deshalb seien die Anforderungen an die Latenz der Funkverbindung nicht besonders groß, so Zeabuz. Auf diese Weise soll ein Operator auch mehrere Fähren auf einmal kontrollieren können. "Das ermöglicht radikal niedrigere Betriebskosten, neue Geschäftsmodelle und Mobilitätssparten", schreibt Zeabuz auf seiner Homepage. Parallel dazu lasse sich die Fähre aber auch komplett manuell fernsteuern, und zwar über ein kommerziell verfügbares System des Anbieters Marine Technologies.

Der Antrieb des Katamarans besteht aus vier rundum drehbaren Elektromotoren mit je zehn Kilowatt Leistung. Gespeist werden sie aus einer Lithium-Ionen-Batterie mit 188 Kilowattstunden. Zusätzlich gibt es noch 16 Solarpaneele mit insgesamt sechs Kilowatt an Bord, welche die Reichweite erhöhen. Bei einer täglichen Betriebsbauer von bis zu 15 Stunden soll die Fähre einmal pro Nacht geladen werden, mit zwei kürzeren Ladestopps pro Tag, so Ann Iren Holm Rise.

(grh)