Boston geht bei öffentlichem WLAN neue Wege

Eine nicht-kommerzielle Organisation soll das WLAN aufbauen und die Infrastruktur anderen Unternehmen zu Großhandelskonditionen anbieten.

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Die Stadt Boston im US-Bundesstaat Massachusetts geht beim Aufbau eines öffentlichen WLAN neue Wege. Eine von Bürgermeister Thomas Menino eingesetzte Expertenkommission empfahl in ihrem Abschlussbericht (PDF), Aufbau und Betrieb des Netzes einer nicht-kommerziellen Organisation zu übertragen. Der Netzaufbau solle über Spenden und nötigenfalls auch Kredite finanziert werden. Die gemeinnützige Organisation soll dann als Infrastrukturanbieter anderen Unternehmen die Möglichkeit geben, günstige WLAN-Zugänge zu vermarkten.

Mit dieser Konstruktion will das Bostoner Modell das größte Problem kommunaler Funknetze auf elegante Weise lösen. Ein städtisches, möglicherweise sogar kostenloses WLAN tritt automatisch in Konkurrenz zu anderen Zugangsanbietern. Auch in Boston wird das nicht anders sein. Der Vorschlag der Bostoner gibt lokalen Providern die Möglichkeit, WLAN-Zugänge unter eigener Flagge zu vermarkten – sei es als mobiles Zuckerstückchen zu einem bestehenden Breitbandanschluss oder als eigenständiges Produkt. Weil ein flächendeckendes WLAN Aufbau, Betrieb oder Miete einer Infrastruktur bis zum Kunden überflüssig macht, sieht der Bürgermeister vielfältige Möglichkeiten auch für neue Anbieter. Menino erwartet wachsenden Wettbewerb, von dem die Bürger seiner Stadt profitieren werden: mit kostengünstigen Breitbandzugängen.

In Boston ist Breitband in 90 Prozent der Haushalte verfügbar, wird aber nur von 40 Prozent genutzt. Breitband kostet in Boston durchschnittlich 40 US-Dollar im Monat. Ein Drittel der Bostoner surft noch schmalbandig, und weitere 30 Prozent haben keinen Internetzugang. "Wir wollen so vielen Bürgern wie möglich Internetzugänge verschaffen", erklärte der Bürgermeister, "dieses Modell könnte der Weg sein, die Digital Divide zu überbrücken". Mit dem gemeinnützigen WLAN könnte die Stadt zum Beispiel spendenfinanzierte Zugänge in ärmeren Stadtbezirken anbieten. Für den technischen Aufbau will Boston die bestehende Infrastruktur nutzen und Antennen auf Laternenmasten, Ampeln und öffentlichen Gebäuden installieren. In der zweiten Phase des Projektes werde weiter geeignete Infrastruktur gesucht, während ein neues Team den Nutzen eines Funknetzes für die städtischen Dienstleistungen evaluieren solle.

"Wir glauben, der nichtkommerzielle Ansatz ist der beste Weg, kostengünstige Angebote in jedes Viertel zu bringen und gleichzeitig eine Plattform für Innovationen zu schaffen, wie es sie in den Vereinigten Staaten noch nicht gibt", sagte Bürgermeister Menino. "Indem wir das Netz offen halten, können wir den Nährboden für unternehmerische Aktivitäten bereiten, die Wachstum und Jobs ankurbeln werden." Menino hatte die Task Force im Februar eingesetzt. Seither habe die Kommission hunderte Stunden mit der Analyse der Möglichkeiten verbracht, erklärte Joyce Plotkin, eine der drei Vorsitzenden der Kommission. Insgesamt bestand die Gruppe aus über 20 Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, städtischer Regierung sowie Mitgliedern mit einschlägigen Erfahrungen.

Funknetze für die Öffentlichkeit sind derzeit in den USA ein heißes Thema, das bereits zu einigen politischen und juristischen Streitigkeiten führte. Mit San Francisco und Philadelphia laufen in zwei bekannten amerikanischen Metropolen entsprechende Projekte, New York begnügt sich derzeit noch mit einer Funkversorgung öffentlicher Parkanlagen. Noch hat keine der zahlreichen US-Städte, die ein Funknetz planen, auch konsequent eines ausgebaut. Anders als Boston setzen die meisten Städte bei ihren Projekten auf einschlägige Unternehmen als Partner. Das bedeutet dann nicht immer, dass die Bürger ihr Stadtnetz auch kostengünstig oder gar gratis nutzen können. Auch deshalb will Boston einen Weg jenseits wirtschaftlicher Interessen einschlagen. Denn der Eintritt der Kommunen in den Wettbewerb mit den Zugangsanbietern wird auch kritisch gesehen. So zog der örtliche Netzbetreiber eine Schenkung an die Stadt New Orleans zurück, als deren Bürgermeister den Aufbau eines öffentlichen WLAN plante.

In Deutschland gibt es neben den Initiativen für freie Bürgernetze ähnliche Ansätze im Kleinen. Einzelne Kommunen arbeiten mit lokalen Anbietern zusammen und testen erste Hotspots. Während Initiativen wie beispielsweise die der rheinischen Stadt Brühl noch kostenpflichtig sind, gibt es zum Beispiel in Zweibrücken einen kostenlosen, gesponserten Hotspot. Weiter sind da unsere österreichischen Nachbarn. In der Stadt Linz gibt es bereits zahlreiche öffentliche Hotspots, die einen kostenlosen Internetzugang ermöglichen. Zusammen mit dem Kabelnetzbetreiber Liwest will die Stadt bis Ende 2008 insgesamt 120 Hotspots aufstellen. Auch in Großbritannien experimentiert Ex-Monopolist British Telecom mit städtischen Funknetzen. Im finnischen Oulu betreibt die Stadtverwaltung zusammen mit der Universität und einem Netzanbieter ein kostenloses WLAN im Zentrum der Stadt. (vbr)