Brainshare: Hinter den Kulissen der Open Source bei Novell

Für Rick Magnusson, Leiter des Novell-OSRB, ist der Einsatz von Open-Source-Software "aufregend wie ein Feuerwerk am 4. Juli". Greg Jones, zuständig für Lizenzbedingungen, warnte vor dem viralen Effekt der Open Source.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 121 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Wenn bei Novell große Dinge geschehen, wird gerne der Hausheilige Ray Noorda zitiert. Die Hausmesse Brainshare 2003 machte da keine Ausnahme: "Wer sich dem Wechsel widersetzt, stirbt aus. Wer sich anpasst, überlebt. Wer den Wechsel einleitet, ist Anführer. Natürlich kann man sterben, wenn man einen Wechsel provoziert, dann ist es aber ein viel aufregenderer Tod." Diese Worte von Ray Noorda waren das Motto einer höchst kontroversen Veranstaltung, in der sich die Anführer der Open-Source-Initiative und Vertreter der Rechtsabteilung mit dem neuen Trend bei Novell beschäftigten, und zwar in erstaunlicher Offenheit.

So bezeichnete Rick Magnusson, Leiter des Open Source Review Board (OSRB) von Novell, den Einsatz von quelloffener Software als "aufregend wie ein Feuerwerk am 4. Juli". Sein "Gegenspieler" war Greg Jones, zuständig für Lizenzbedingungen. Er warnte mit vielen Zitaten von Richard Stallmann vor dem viralen Effekt der Open Source, die Software befällt, aber auch Programmierer "kontaminieren" kann. Etwa dann, wenn sie proprietäre Software schreiben sollen, aber etwas Ähnliches in der Open Source gefunden haben. "Diese Programmierer müssen aus dem Projekt entfernt werden oder zumindest eine Zeitlang 'abkühlen', ehe sie wieder am Problem arbeiten. Die Gefahr ist sonst zu groß, dass wir beschuldigt werden, eine GPL zu verletzten."

Jede Software, jeder Code, der bei Novell als Open Source per Download aus dem Internet geholt oder zum Upload freigegeben wird, muss vom OSRB genehmigt werden. Dieses Gremium aus leitenden Entwicklern und Juristen tritt virtuell zusammen und fällt Entscheidungen, die mitunter unpopulär ausfallen. So entdeckten Entwickler der "Branch Office"-Funktion der neuen Netware 6.5 mit Rsync ein Programm für den inkrementellen Dateitransfer, das die Duplizierung kompletter Server in den Niederlassungen einer Firma erheblich beschleunigen kann. "Die Gefahr war groß, dass die GPL von Rsync sich auf unsere 'Branch Office'-Software ausdehnt, also mussten wir Rsync mit seiner eigenen Lizenz und einem eigenen Installationsprogramm beilegen und nicht integrieren", erklärte Rechtsanwalt Jones.

Positives berichtete OSRB-Leiter Magnusson vom UDDI-Server, den Novell zur Brainshare als Open Source mit einer BSD-Lizenz freigegeben hat. Der Code des von sieben Programmierern von Novell Bangalore entwickelten UDDI-Server wurde von 20 Spezialisten "im Tiefflug geschrubbt, bis jeder Novell-Code entfernt war, der unser Eigentum bleiben soll. Am schlimmsten waren dabei die Kommentare im Code, die sich immer wieder auf andere Produkte unserer Firma bezogen." Magnusson betonte, dass der UDDI-Server für Novell das erste von einem guten Dutzend Modulen ist, die freigegeben werden, um quelloffene Entwickler für die große Netware-Welt zu begeistern: "Der UDDI-Server ist für freie Entwickler eine Herausforderung, sich mit unserem eDirectory auseinander zu setzen."

Immerhin: Auch Magnussons Gegenspieler Greg Jones, der die BSD-Lizenz für den UDDI-Server verantwortet, empfand die Arbeit am Projekt als große Herausforderung und Spaß. "Ich finde allerdings, dass um Open Source zu viel Aufhebens gemacht wird," schränkte Jones gegenüber heise online ein. "Sehen Sie sich einmal unsere Bündelung von MySQL in der neuen Netware 6.5 an. Das ist eine kommerzielle Lizenz, für die Novell gutes Geld zahlt. Von diesem Geld profitiert die MySQL AB und mit ihr die gesamte Entwicklerszene." Die Entscheidung für MySQL wurde bei Novell von dem J2EE-Entwicklungsteam gefällt und vom OSRB abgesegnet, nachdem die Firmen Pervasive und Oracle ihre Datenbanken aus der Netware-Distribution entfernten.

Siehe dazu auch:

(Detlef Borchers) / (anw)