Brasilien: Hacker sollte für Bolsonaro elektronische Wahlmaschine manipulieren

Ein brasilianischer Hacker behauptet, er wurde angeheuert, um die elektronischen Wahlurnen bei den Wahlen 2022 zu manipulieren. Bolsonaro widerspricht.

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(Bild: roibu/Shutterstock.com)

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Von
  • Andreas Knobloch
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Ein brasilianischer Computerexperte hat Ende vergangener Woche während einer Anhörung im brasilianischen Kongres ausgesagt, dass der damalige Präsident Jair Bolsonaro ihn während des letztjährigen Wahlkampfes gebeten habe, eine elektronische Wahlmaschine zu manipulieren, um zu zeigen, dass das brasilianische Wahlsystem anfällig für Betrug sei. Das berichten brasilianische Medien.

Der Hacker Walter Delgatti Neto erzählte den Abgeordneten, er habe sich im August mit Bolsonaro getroffen. Dieser habe ihn gebeten, die Idee mit Experten des Verteidigungsministeriums zu besprechen. Bolsonare habe ihm zudem angeboten, ihn zu begnadigen, falls er rechtliche Konsequenzen zu tragen habe. "Er gab mir einen Blankoscheck, damit ich mit den Wahlmaschinen machen konnte, was ich wollte", sagte Delgatti laut der Nachrichtenagentur Reuters vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. "Die Idee war, eine Maschine zu nehmen (...), damit ich dort meine Anwendung installieren und der Bevölkerung zeigen konnte, dass es möglich ist, den Knopf für eine Stimme zu drücken und am Ende eine andere zu bekommen". Der Hackversuch sollte den Wählern zeigen, dass das brasilianische Wahlsystem nicht zuverlässig sei.

Delgatti behauptet, das Treffen mit Bolsonaro sei von der rechtsgerichteten Politikerin und Aktivistin Carla Zambelli arrangiert worden, die ihm 40.000 Reais (rund 7.400 Euro) für seine Dienste zahlte. Delgatti zufolge fanden diese Treffen in der offiziellen Residenz des Präsidenten und einmal im Regierungssitz statt. So habe er sich am 10. August 2022 zwischen 90 Minuten und zwei Stunden persönlich mit Bolsonaro in der Präsidentenresidenz getroffen. Delgatti sagte, er habe dem Staatschef erklärt, er könne sich nicht in das System hacken, weil es nicht mit dem Internet verbunden sei.

Daraufhin habe ihn die Bolsonaro-Kampagne gebeten, eine geliehene Wahlmaschine zu manipulieren, um weniger als einen Monat vor der ersten Runde der Wahl den Anschein zu erwecken, dass die Maschine erfolgreich gehackt worden sei und die Ergebnisse verfälscht werden könnten. Der betrügerische Hack sollte an die Medien weitergegeben werden, sagte Delgatti, aber das wurde abgeblasen.

Als das Gespräch zu technisch wurde, sagte Delgatti, verwies Bolsonaro ihn an das Verteidigungsministerium, das der Präsident gebeten hatte, einen Bericht über mögliche Schwachstellen im Wahlsystem für die Wahlaufsichtsbehörde zu erstellen. Beweise für seine Behauptungen hat Delgatti dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss nicht vorgelegt. Seine detaillierte Aussage dürfte jedoch den Druck auf den den ehemaligen Präsidenten erhöhen.

Gerade erst hat ein Wahlgericht in Brasilien Bolsonaro bis 2030 für nicht wählbar erklärt, weil er seine präsidialen Befugnisse missbraucht hat, um das Vertrauen in Brasiliens Wahlsystem zu untergraben. Das Land verwendet seit 1996 elektronische Wahlurnen, ohne dass es jemals Betrugsvorwürfe gab oder Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden.

Laut Reuters wies Bolsonaro die Anschuldigungen zurück, bestätigte aber, dass er sich mit dem Hacker getroffen habe."Es gab ein Treffen und ich habe ihn ins Verteidigungsministerium geschickt, um mit Technikern zu sprechen. Er war dort und die Sache hat sich erledigt", sagte er.

Ein Sprecher Bolsonaros, sein ehemaliger Pressesprecher Fabio Wajngarten, wies Delgattis Anschuldigungen zurück. "Niemals gab es eine Abhöraktion oder eine illegale oder nicht-republikanische Aktivität gegen eine politische Einrichtung in Brasilien durch den engeren Kreis des Präsidenten", schrieb Wajngarten im sozialen Netzwerk X, früher bekannt als Twitter. Wajngarten bezichtigte Delgatti der Lüge, als dieser behauptete, sich anderthalb Stunden lang mit Bolsonaro getroffen zu haben. Auch Zambellis Anwalt, Daniel Leon Bialski, sagte, er weise jegliche Anschuldigungen eines illegalen Verhaltens zurück und beschuldigte Delgatti, die Fakten zu verdrehen.

Walter Delgatti Neto, auch bekannt als "Hacker von Araraquara", nach seiner Heimatgemeinde Araraquara im Inneren des Bundesstaates São Paulo, ist ein brasilianischer Computerspezialist. Der Mittdreißiger wurde landesweit bekannt, weil er sich in die Mobiltelefone der Behörden der Operation Lava Jato gehackt hatte. Die Operation Lava Jato, die „Autowasch-Affäre“, ist ein milliardenschwerer Korruptionsskandal, in dessen Zuge unter anderem der frühere und nun erneut ins Amt gekommene Präsident Luiz Inácio Lula da Silva in einem umstrittenen Verfahren verurteilt und inhaftiert wurde. Wegen zahlreicher Unregelmäßigkeiten wurde das Urteil später aufgehoben. Delgatti machte sich einen Namen, weil er Textnachrichten von mehreren Staatsanwälten durchsickern ließ, die an der Anti-Korruptionsuntersuchung beteiligt waren, die außer Lula Dutzende von Spitzenpolitikern und Geschäftsleuten hinter Gitter brachte.

Anfang August leitete die brasilianische Bundespolizei eine Operation ein, bei der Delgatti verhaftet wurde, weil er sich in das System des Nationalen Justizrates gehackt hatte, um einen falschen Haftbefehl für den Richter Alexandre de Moraes, den Präsidenten des Obersten Wahlgerichts, einen Erzrivalen Bolsonaros, zu erstellen.

Brasiliens aktueller Präsident Lula da Silva gewann die Präsidentschaftswahlen Ende Oktober 2022 mit 50,9 Prozent der Stimmen. Bolsonaro hat seine Niederlage nie eingestanden. Im Wahlkampf behauptete er wiederholt, die elektronischen Wahlmaschinen seien anfällig für Betrug, ohne dass er dafür einen Beweis erbrachte. Gegen Bolsonaro laufen mehrere Ermittlungen wegen seiner Angriffe auf das Wahlsystem und seiner angeblichen Rolle bei der Ermutigung von Anhängern zum Sturm auf Regierungsgebäude in Brasilia am am 8. Januar, eine Woche nach Lulas Amtsantritt.

(akn)