Bundestagswahl 2013: Internet-Wirtschaft fordert zentrale Rolle für Netzpolitik

Der Bitkom meint, Netzpolitik gehöre ins Zentrum des nächsten Regierungsprogramms. Die Piraten denken an eine Neuorientierung. Bei anderen Parteien gibt es erste Konsequenzen aus den Wahlergebnissen - und neue Vorschläge zur Regierungsbildung.

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Von
  • Jürgen Kuri

Die IT-Wirtschaft fordert von einer künftigen Bundesregierung ein nachdrückliches Engagement beim Thema Internet. Grundsätzlich meinte Dieter Kempf, Präsident des Branchenverbands Bitkom, "aus Perspektive der Hightech-Wirtschaft muss möglichst schnell eine handlungsfähige Regierung gebildet werden, auch damit in der digitalen Wirtschaftspolitik die notwendigen Akzente gesetzt werden können". Hier seien in erster Linie die beiden großen Volksparteien gefordert.

Kempf betonte: "Netzpolitik gehört mit ins Zentrum des nächsten Regierungsprogramms." Sicherheit und Datenschutz, der Aufbau intelligenter Netze unter anderem in den Bereichen Energie, Verkehr und Gesundheit, die Modernisierung des Bildungswesens oder die Förderung von Start-ups seien Aufgaben, die schnellstmöglich und mit Nachdruck angegangen werden müssten. "Netzpolitik muss sowohl im Parlament und als auch auf Seiten der Bundesregierung fest verankert werden. Dazu zählt an erster Stelle die Einrichtung eines ständigen Bundestagsausschusses 'Internet und digitale Gesellschaft'."

Bundestagswahl 2013 (5 Bilder)

FDP, AfD und Piraten ziehen nicht in den 18. Bundestag ein.

Allerdings werden nach dem Scheitern der FDP mehrere Netzpolitiker der Partei nicht mehr im Bundestag vertreten sein. Und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die sich als Justizministerin konsequent einer Neufassung der Vorratsdatenspeicherung verweigerte, ist nicht mehr im Parlament, geschweige denn in einem Ministeramt. Auch die Piratenpartei, die sich für Netzthemen starkmacht, verpasste den Einzug ins Parlament deutlich. Die Piraten stehen jetzt vor einem Scherbenhaufen: "Viele machen sich jetzt auch Gedanken, wie es mit der Partei weitergeht", sagte der Vorsitzende Bernd Schlömer. Es sei vorstellbar, dass sich die Piraten wieder stärker in Richtung Bürgerrechtsbewegung entwickelten. Führende Mitglieder könnten zu anderen Parteien wandern und so dazu beitragen, "dass die Idee der Piratenpartei fortbesteht". "Im Augenblick ist noch ein bisschen Schockstarre da", gab der Parteivorsitzende zu.

Das Ergebnis der Bundestagswahl vom gestrigen Sonntag zeitigt derweil erste Konsequenzen – und ganz neue Vorschläge zur Regierungsbilkdung . Von den baden-württembergischen Grünen ist der Vorschlag zu vernehmen, SPD und Grüne sollten doch eine Minderheitsregierung von Wahlsiegerin Angela Merkel tolerieren. Nach Ansicht des baden-württembergischen Verbraucherministers Alexander Bonde von den Grünen seien SPD und Grüne inhaltlich zu weit von der Union entfernt. Die sauberste Lösung wäre deshalb eine Tolerierung einer Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel. Zugleich bekräftigten prominente Grüne aus dem Südwesten ihre Kritik an dem Kurs der Bundespartei.

Bei den Wahlverlierern von FDP und Grünen zeichneten sich zudem bereits massive Personalveränderungen ab. Die Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir schlugen den Rücktritt des gesamten Parteivorstands vor. Özdemir sagte vor der Grünen-Vorstandssitzung am Morgen: "Ein 'Weiter so' wird es sicherlich nicht geben." Er ergänzte: "Dazu gehört eine personelle und eine inhaltliche Neuaufstellung." Der Grünen-Europaabgeordnete Werner Schulz machte den Spitzenkandidaten Trittin in der Bild-Zeitung für das schlechte Abschneiden verantwortlich. "Trittin hat sich zulasten der Grünen profiliert, hat die Finanzpolitik im Wahlkampf in den Vordergrund geschoben, weil er unbedingt Finanzminister werden wollte", sagte Schulz. Der langjährige Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, kündigte bereits seinen Rückzug von dem Posten an. Die Wahl-Niederlage verlange nach Veränderung. "Das muss jeder selbst entscheiden, wo kann jeder seinen Beitrag leisten."

Nach dem Absturz der FDP, die erstmals in ihrer Geschichte aus dem Parlament geflogen war, wurde kündigte Parteichef Philipp Rösler seinen Rücktritt an. "Ich stelle mein Amt zur Verfügung", sagte Rösler nach dpa-Informationen aus Teilnehmerkreisen in einer Sitzung des Bundesvorstandes. Auch das übrige Präsidium sei zu diesem Schritt bereit, hieß es. Als Nachfolger ist Röslers ehemaliger Generalsekretär, der nordrhein-westfälische FDP-Chef Christian Lindner, im Gespräch. Der schleswig-holsteinische
FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki sprach sich bereits für Lindner als FDP-Parteivorsitzenden aus.

Führende SPD-Politiker wollten sich nicht automatisch auf eine große Koalition festlegen. Es gebe auch eine schwarz-grüne Option. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles wollte im ARD-Morgenmagazin
eine große Koalition zwar nicht ausschließen, sagte aber: "Erst einmal gibt es überhaupt keinen Automatismus einer großen Koalition." Der stellvertretende Parteivorsitzende, Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, sagte dem Sender n-tv: "Wenn es Gesprächsbedarf gibt, dann werden wir uns mit aller Ruhe und Zeit darüber Gedanken machen, was wir davon halten, und das kann man jetzt nicht vorhersagen."

Siehe dazu auch:

(mit Material von dpa) / (jk)