Carrier suchen nach Antworten auf die Konvergenz des Netzes

Angesichts des "abschmelzenden Geschäfts mit leitungsvermittelten Minuten" gelte es, künftig zusätzlich zum Zugang zum konvergent-integrierten IP-Netz neue Dienste anzubieten, meint Josef Schäfer, bei Arcor für Technik-Strategie und Innovation zuständig.

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Von
  • Monika Ermert

Ein von Wettbewerberangeboten bereinigtes Internetangebot ist am Markt nicht durchzusetzen, traditionelle Carrier müssen eine andere Antwort auf die Konvergenz des Netzes finden, sagte Josef Schäfer, bei Arcor Bereichsleiter Technik-Strategie und Innovation auf einer Konferenz des Eco-Verbands mit dem Schwerpunkt "Next Generation Network" in Köln. Zu stark verankert sei die Idee der Netzneutralität. Es gebe nicht nur die von Infineon patentierten, sondern auch durchaus früher schon erprobte Verfahren, Datenverkehre auszugrenzen. Ob sich mit solchen Filterungen das Geschäftsmodell im Netz noch einmal ändern lasse, bezweifelt Schäfer aber sehr.

"Derzeit gibt es kein auf Einzelelementen basiertes Abrechnungsmodell für den Internet-Transport, das macht die Einfachheit des Internetgeschäftsmodells aus. Der Kunde bezahlt für den Zugang zum Netz, für das Routing der Pakete und die Garantie, dass sein Paket weltweit an die IP-Adresse geschickt wird, die er draufgeschrieben hat. Sonst bezahlt er für nichts", erläuterte Schäfer. Die traditionellen Carrier hätten über die Umsätze für den Zugang immerhin schon die "halbe Miete", darauf lasse sich aufbauen. Angesichts des "abschmelzenden Geschäfts mit leitungsvermittelten Minuten" gelte es, künftig zusätzlich zum Zugang zum konvergent-integrierten IP-Netz neue Dienste anzubieten.

Neben dem Internetzugang könne so über IP-Peering-Vereinbarungen ("NGN-Interconnect") mit den anderen großen Netzbetreibern ein besonderes IP-Telefonieangebot ohne Gesprächsabbrüche gemacht werden. "Natürlich können sie auch über Skype telefonieren, aber wir haben etwas Besseres", so Schäfer. Die Premium-VoIP-Gespräche werden abseits des offenen Internets ausgetauscht. Zum Kunden habe man zwei Zugänge, einmal übers Internet, einmal über ein Intranet, über das höherwertige Angebote gemacht werden könnten.

Wie diese neuen IP-Peering-Vereinbarungen aussehen, das ist nach wie vor Thema in einem von der Bundesnetzagentur einberufenen, exklusiven Kreis von Unternehmensvertretern. Die von den Unternehmen wenig gern gesehenen VoIP-Provider ohne eigenes Netz wurden davon erst einmal ausgeschlossen. Über die Zusammensetzung des Kreises wurde anfangs heftig diskutiert. Laut Aussagen verschiedener Beobachter gibt es über die Treffen des IP-Peering-Gremiums hinaus weitere Gespräche bei der Bundesnetzagentur, unter anderem auch im AKNN, einem regelmäßig tagenden Arbeitskreis beim Regulierer.

Auch beim Eco-Verband beobachtet man die IP-Peering-Diskussionen mit Spannung. "Wir haben eine Reihe von Unternehmen für Ende September zu einem eigenen Gespräch übers IP-Peering geladen", sagt Eco-Geschäftsführer Harald Summa. Möglicherweise liegen bis dahin auch erste Ergebnisse des exklusiven BnetzA-Arbeitskreises vor, fällig sind sie bereits seit einiger Zeit. Offenbar fällt eine Einigung darüber schwer, ob künftig auch "VoIP-Minuten" abgerechnet werden oder bei ausbalanciertem Datenverkehr aufs Clearing verzichtet wird. Exklusive Vereinbarungen zwischen großen Netzbetreibern auf Kosten der Kleinen könnte wettbewerbsrechtlich angegriffen werden, so ein Beobachter.

Ein anderes Peering-Modell stellte demgegenüber Robert Schischka von ENUM.at, der Registrierstelle für Telefondomains in Österreich vor. Bei ENUM.at bietet man Netzbetreibern ein Peering im Rahmen des so genannten Carrier-ENUM an. Die Carrier können dabei unter i.3.4.e164.arpa ihre Nummernblöcke – in der ENUM-typischen umgekehrten Zahlenfolge – eintragen und werden dadurch routbar. Für Deutschland ist eine solche Carrier-ENUM-Lösung derzeit noch nicht geplant.

"Es gibt viele internationale Fragen nach Voice-Peering", so Schischka. "Wenn keine Lösung angeboten wird, dann biegen alle in closed communities ab und fragen nach ein paar Jahren, wie verbinden wir die jetzt." Schon jetzt gebe es eine Menge VoIP-Inseln, die mit dem Problem zu kämpfen hätten. Den Carriern will man diesen Peering-Mechanismus dadurch schmackhaft machen, dass sie die volle Kontrolle darüber behalten, nach welchen Bedingungen sie mit wem auch tatsächlich Daten austauschen.

Wie die traditionellen Carrier am Ende das Minutengeschäft ersetzen, dazu machten in Köln Vertreter von Telefonica, O2 und Lamdanet weitere Vorschläge. Kai Joachim Boyd, Leiter Fixed Net Access bei O2 sagte zu Voice over WLAN (VoWLAN), "Ich glaube nicht, dass die Welt das derzeit braucht." Bei O2 konzentriere man sich auf den DSL-Rollout. Heute werden neue Produkte und Produktpakete dazu angekündigt. "Dickere Konzepte als für VoWLAN haben wir für IPTV in der Schublade." Ob es bereits zum Jahreswechsel 2007/2008 starte, hänge auch von der Entwicklung von IPTV ab. (Monika Ermert) / (anw)