Dänischer Geheimdienstskandal: NSA beim Ausspionieren von Merkel & Co. geholfen

Mehr als ein halbes Jahr nach Beginn des Geheimdienstskandals in Dänemark kommt etwas mehr Licht in die Angelegenheit. Der Skandal weitet sich aus.

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(Bild: esfera/Shutterstock.com)

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Der dänische Geheimdienst Forsvarets Efterretningstjeneste (FE) hat der NSA dabei geholfen, deutsche Spitzenpolitiker und Ministerien im eigenen Land auszuspionieren. Das berichten mehrere Medien um Dänemarks öffentlich-rechtlichen Rundfunk DR (Danmarks Radio) mehr als ein halbes Jahr nachdem ein Geheimdienstskandal das Land erschüttert hat. Der US-Geheimdienst NSA hat demnach über ein Spähprogramm des FE Bundeskanzlerin Angela Merkel, den damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Finanzminister Peer Steinbrück ausgehorcht. Auch Politiker aus Schweden, Norwegen und Frankreich seien auf diesem Weg überwacht worden.

Während die NSA-Spionage gegen Merkel und Steinmeier bereits bekannt war, ist nun neu, dass auch Steinbrück betroffen war. Dass deutsche Spitzenpolitikerinnen und -politiker Ziel der NSA waren – und möglicherweise weiterhin sind, ist deswegen auch nicht mehr wirklich überraschend. Die aktuellen Berichte ermöglichen aber weitere Einblicke, wie der US-Geheimdienst vorgegangen ist und wie sehr er auf die Hilfe von Partnern angewiesen war.

Die neuerlichen Enthüllungen folgen mehr als neun Monate auf die überraschende Suspendierung des damaligen Chefs des militärischen Nachrichtendiensts. Sein Vorgänger war ebenfalls betroffen und wurde nicht wie erwartet Botschafter in Deutschland. Später musste die gesamte Führung des FE zurücktreten. Hintergrund waren Untersuchungen auf Basis von Dokumenten, die Whistleblower an die zuständige Aufsichtsbehörde übergeben hatten. Damals hatte es geheißen, dem suspendierten Chef Lars Findsen werde die rechtswidrige Weitergabe von Daten über dänische Staatsbürger, das Zurückhalten von Informationen vor der Aufsichtsbehörde und das Machen falscher Angaben zur Arbeit des FE vorgeworfen. Nun wird deutlicher, worum es geht.

Wie die Süddeutsche Zeitung nun schreibt, durfte die NSA eine geheime Abhörstation Dänemarks mitnutzen und den Dänen sogenannte Selektoren übergeben, nach denen die dort überwachte Kommunikation durchsucht werden sollte. Nachdem sich einige Angestellte des FE während des NSA-Skandals darüber Sorgen gemacht hätten, sei 2014 eine geheime Untersuchung unter dem Codenamen "Dunhammer" ("Rohrkolben") eingeleitet worden. Laut dem 2015 verfassten Abschlussbericht habe die NSA Ziele in dänischen Ministerien ausspioniert, die Hilfe des Geheimdiensts sei also gesetzeswidrig gewesen. Auch die Überwachung der Politikerinnen und Politiker aus befreunden Staaten wie Deutschland sei dabei erkannt worden. Trotzdem hatte der Bericht demnach keine Konsequenzen. Erst im vergangenen kam ihm die Presse auf die Spur.

Mit der Enthüllung weiterer Einzelheiten bestätigt sich nun, dass es sich wohl um den größten Geheimdienstskandal der Landesgeschichte handelt. Dass es der dänische Geheimdienst der NSA ermöglicht hat, die Politik der Nachbarländer auszuspionieren sei "erschütternd" und "völlig unerhört" zitiert die Zeitung Der Nordschleswiger Forschungsleiterin Pernille Boye Koch vom Institut für Menschenrechte. Ihr falle es schwer, nachzuvollziehen, wie das im Interesse ihres Landes sein könne, sagte sie. Stattdessen untergrabe es das politische System. Peer Steinbrück meinte zur Süddeutschen Zeitung, "ich bin nicht sauer. Ich habe nur Spott, es ist grotesk." Dänemarks Verteidigungsministerin wollte die Berichte demnach nicht kommentieren, habe aber versichert, dass "ein systematisches Abhören engster Verbündeter" inakzeptabel sei.

(mho)