Debatte entbrannt: Daten des Weltraumteleskops James Webb direkt publik machen?

Bald werden die Beobachtungen des Weltraumteleskops nicht mehr publik. Wer die Idee für sie hatte, kann sie in Ruhe auswerten. Die NASA will die Praxis ändern.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 65 Kommentare lesen

Künstlerische Darstellung des JWST

(Bild: NASA GSFC/CIL/Adriana Manrique Gutierrez)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die Überlegung der NASA, vom Weltraumteleskop James Webb gemachte Aufnahmen auch künftig direkt öffentlich zu machen, stößt unter Astronomen und Astronominnen auf ein geteiltes Echo. Während die einen kritisieren, dass vor allem kleine Forschungseinrichtungen und Forschende mit vielen anderen Verpflichtungen dadurch benachteiligt werden könnten, hoffen andere darauf, dass die "weggeschlossene" Daten schneller verfügbar gemacht werden.

Beide Seiten haben nachvollziehbare Argumente und gegenwärtig ist nicht absehbar, wie die Debatte ausgehen könnte. Das für den wissenschaftlichen Betrieb des Weltraumteleskops James Webb zuständige Space Telescope Institute will dazu auch 12.000 Forschende direkt befragen, schreibt das Wissenschaftsmagazin Science.

Aktuell sind bei Observatorien für die allgemeine Forschung wie den Weltraumteleskopen James Webb (JWST) oder Hubble Sperrfristen vorgesehen, in denen Forscher und Forscherinnen exklusiven Zugang auf die Daten haben, die auf ihre Vorschläge hin gesammelt wurden. Die Fristen sind typischerweise zwischen 6 und 18 Monaten lang. Bei Hubble etwa wurde die Frist auf ein halbes Jahr verkürzt, nachdem sie lange ein Jahr betragen hat.

In diesem Zeitraum können die, die die jeweilige Messung vorgeschlagen haben, die gesammelten Daten auswerten, ohne befürchten zu müssen, dass ihnen jemand mit der Veröffentlichung eines wissenschaftlichen Fachartikels zuvorkommt. Eine Ausnahme gibt es aktuell beim JWST, die in den ersten fünf Monaten gesammelten Daten werden hier direkt freigegeben. Damit soll die Wissenschaftsgemeinde lernen, das neue Observatorium und seine Instrumente so gut wie möglich einzusetzen.

Wie Science erläutert, beruhen die Überlegungen der NASA unter anderem auf neuen Vorgaben der US-Regierung. Die hatte im August angekündigt, dass alle staatlich finanzierte Forschung ab 2026 unmittelbar nach der Publikation frei verfügbar sein soll. Die US-Weltraumagentur als Hauptverantwortliche für das Weltraumteleskop könnte die Beschränkungen deswegen aufheben müssen. Dem stehen aber unter anderem Verpflichtungen gegenüber Europas Weltraumagentur ESA und der kanadischen CSA entgegen, die an dem Projekt beteiligt sind.

Als praktisches Argument für die Abschaffung der Sperrfrist spricht demnach die dadurch mögliche Beschleunigung der Arbeit. Wenn Beobachtungsdaten direkt öffentlich werden, können Forschungsteams schnell weitere Messungen planen und neue Beobachtungszeit beantragen. Vor allem als noch davon ausgegangen werden musste, dass das JWST nur wenige Jahre würde arbeiten können, sei das wichtig erschienen. Angesichts der inzwischen absehbaren, deutlich längeren Missionsdauer verliert das Argument etwas an Gewicht.

Beim Scientific American hält der US-Astronom Jason Wright dagegen, dass der Druck, mit öffentlich einsehbaren Daten zu arbeiten, zu groß sein dürfte. Die Gründlichkeit könnte leiden, wenn man befürchten muss, dass jemand anders schneller ist. Das Argument, dass benachteiligte Institutionen bei einer direkten Freigabe die gleiche Chance hätten, damit zu forschen, überzeugt ihn nicht. Letztlich würden sie gegen große, finanziell besser gestellte Institutionen unter diesen Umständen immer verlieren. Denn die hätten die meisten Ressourcen, um immer schneller zu sein, auch bei Messungen, die auf den Ideen anderer beruhen. Und Forschende, die etwa auch noch lehren, oder die aus anderen Gründen nicht einfach Nachtschicht um Nachtschicht einlegen können, könnten dann gar nicht mehr mithalten.

Sollte die Sperrfrist tatsächlich abgeschafft werden, müsse sich die Astronomie neue Wege ausdenken, um jene zu würdigen, die den Vorschlag für bestimmte Beobachtungen machen, meint Wright. Beispielsweise könnte es zur Pflicht werden, diese immer als Koautoren eines Fachartikels aufzuführen. Oder es könnte in jedem wissenschaftlichen Artikel, der auf Messdaten beruht, angegeben werden müssen, auf wessen Vorschlag hin die gesammelt wurden. All das wären aber nur Anpassungen, die das grundlegende Problem nicht lösen, meint er. Für Astronomen und Astronominnen hänge zu viel an den wissenschaftlichen Veröffentlichungen, um ihnen den Schutz zu nehmen, den die Sperrfrist biete.

(mho)