Der Anfang vom Chipmangel-Ende: Hersteller streichen massenhaft Bestellungen

Chipauftragsfertiger lasten ihre Halbleiterwerke bis zum Jahresende nicht mehr vollständig aus. Die Nachfrage sinkt vor allem bei Elektronik für Privatleute.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 300 Kommentare lesen

(Bild: Macro photo/Shutterstock.com)

Lesezeit: 2 Min.

Schneller als erwartet dreht sich offenbar das Blatt in der Halbleiterindustrie: Insbesondere aufgrund der eingebrochenen Nachfrage privater Haushalte streichen Hersteller im zweiten Halbjahr 2022 ihre Wafer-Bestellungen bei Chipauftragsfertigern wie TSMC, Samsung, UMC und Globalfoundries (GF). Das berichtet das in Asien gut vernetzte Marktforschungsteam von Trendforce.

Der Bestellrückgang betrifft demnach alle Prozessgenerationen mit 350-Nanometer-Strukturen und feiner, besonders aber ältere Fertigungstechnik, die 200-Millimeter-Wafer verarbeitet. Darauf entsteht der Großteil der weltweit benötigten Chips abseits moderner Prozessoren, Systems-on-Chip (SoCs), Grafikchips und Rechenbeschleuniger. Der Mangel an Fertigungskapazität in 200-Millimeter-Waferfabs trug erheblich zur Chipknappheit in den vergangenen Jahren bei.

Nach zwei Jahren Vollauslastung könnten Fertigungslinien, die vor allem Bauteile für Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräte produzieren, auf eine Auslastung von weniger als 90 Prozent fallen – lediglich die gesunde Nachfrage bei Rechenzentren würde das schlimmste verhindern, meint Trendforce. Bei Privathaushalten bricht die Nachfrage unter anderem aufgrund der hohen Inflation, Währungsschwankungen und allgemeinen Unsicherheit ein.

Das betrifft zunächst Desktop-PCs und Notebooks, aber auch Monitore, Fernseher und Haushaltsgeräte. Den stärksten Einbruch erleben Hardware-Treiber für Displays, zudem sind Bildsensoren und Funktechnik aufgrund des rückläufigen Smartphone-Marktes weniger gefragt.

Auslastung nach Prozessgenerationen (Quelle: Trendforce)
Wafer-Größe Prozesstechnik Auslastung H2/22 Beispielprodukte
200 mm 110-350 nm 90-95 % Display-Treiber, Bildsensoren, PMICs
300 mm 90 / 55 nm 90-99 % Touch-Sensoren + Display-Treiber, Bildsensoren, PMICs, WLAN-Funktechnik, Mikrocontroller
40 / 28 nm < 90-99 % Display-Treiber für OLED, Microcontroller, Bildsensoren, 4G- und WLAN-Funktechnik, TV-SoCs
10-19 nm 95-100 % 5G-Funktechnik, Einstiegs-Smartphone- + TV-SoCs, Chipsätze, FPGAs, ASICs
4-7 nm 95-100 % CPUs, GPUs, ASICs, FPGAs, KI-Beschleuniger

In den vergangenen zwei Jahren betraf der weltweite Chipmangel insbesondere elektronische Bauteile wie Power-Management-Schaltungen (PMICs), die auf praktisch jeder Platine sitzen. Im ersten Halbjahr soll bereits eine Verbesserung der Liefersituation durch eine Umverteilung der Produktionskapazitäten stattgefunden haben. In den kommenden Monaten scheint sich das Thema zu erledigen – zumindest bis die Nachfrage wieder steigt.

Weil die Produktion von Chips insgesamt mehrere Monate länger dauert als alleine die Bearbeitung der nackten Siliziumplättchen, wirken sich die Veränderungen in den Foundries nur langsam auf die Lieferkette aus. Zudem bestehen weiterhin Probleme in der Transportlogistik, etwa Staus von Containerschiffen und Engpässe durch Personalmangel und hohen Krankenstand wegen der Coronapandemie.

Trendforce erwähnt auch stornierte Bestellungen bei modernen Fertigungsprozessen ab 7 nm, die AMD, Apple und Nvidia betreffen. Demnach schichtet speziell TSMC die Produktion mit seinen Kunden so um, dass die Auslastung auf einem hohen Niveau von mindestens 95 Prozent bleibt.

(mma)