Der Online-"Wahlhelfer" für Unentschiedene

Einen Moment lang war sogar Harald Schmidt sprachlos: Ein Computer bescheinigte dem Talk-Master, dass seine politischen Positionen eindeutig den Grünen am nächsten stünden.

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Von
  • André Jahnke
  • dpa

Einen Moment lang war sogar Harald Schmidt sprachlos: Eben hatte ein Computer dem Talk-Master bescheinigt, dass seine politischen Positionen eindeutig den Grünen am nächsten stünden. Der Selbstversuch des Entertainers löste einen so starken Ansturm auf ein neues Internet-Angebot aus, dass die Server den Dienst quittierten. Unter www.wahl-o-mat.de kann jeder Wähler herausfinden, welche Partei seinen eigenen Positionen am nächsten steht.

Berliner Politik-Studenten haben das Online-Projekt mit der Bonner Bundeszentrale für politische Bildung entwickelt. Fast eine Viertelmillion Menschen haben damit bereits in wenigen Tagen ihre politische Orientierung überprüft. Unterdessen konnten die Macher des Projekts beobachten, wie nach und nach die politischen Gruppen ihr Angebot entdecken: "Die FDP lag wenige Tage nach dem Start vor einer Woche vorne. Jetzt rangiert die SPD deutlich an der Spitze", sagt Heino Gröf von der Bundeszentrale. Repräsentativ sei dies natürlich nicht.

27 Thesen wie "Haschisch und Marihuana sollen legalisiert werden" oder "Der höchste Einkommenssteuersatz wird gesenkt" müssen mit "Ja", "Nein", "Neutral" oder "Keine Meinung" beantwortet werden -- ein "Ja, aber..." gibt es nicht. Die anschließende Auswertung zeigt, welche der Bundestags-Parteien den per Mausklick eingegebenen Vorstellungen am nächsten kommt. Der Test dauert nicht länger als zwei Minuten. Anschließend kann der Internet-Nutzer sich detailliert aufklären lassen, welche Partei für welche Position steht.

Der Wahl-O-Mat wurde ursprünglich für eine Berliner Jungwähler-Kampagne konzipiert, mit der vor allem Erstwähler einen Einblick in die Wahlprogramme der Parteien bekommen sollen. "Wir haben die Parteien ursprünglich mit 83 Thesen konfrontiert", sagt der Berliner Politik-Student Arne Richter, der gemeinsam mit vier Kommilitonen den Wahl-O-Mat entwickelt hat. "Weil sich vor allem die FDP und Bündnis 90/Die Grünen bei 50 Thesen gar nicht positionieren konnten, blieben nur 27 übrig", schildert der 26-Jährige. Weil die CDU bei ihren Antworten oft schwammig blieb, gebe es einen besonderen Effekt: "Wer jedes Mal 'neutral' anklickt, wird als Unionswähler ausgewiesen". Damit vereinnahmt die CDU zumindest im Internet die politische Mitte für sich.

Die Idee für den Wahl-O-Mat kommt aus den Niederlanden. Dort hatten sich vor der Wahl mehr als zwei Millionen Menschen mit Hilfe der niederländischen Variante über die Unterschiede der Parteien informiert. Der deutsche Wahl-O-Mat ist nur bis zur Wahl am 22. September im Netz. "Dann werden die Ergebnisse analysiert und das Projekt für die Europawahl in zwei Jahren perfektioniert", kündigt Gröf an. Bis dahin wollen die Macher auch die Kapazitätsengpässe beseitigen. Damit die Computer nicht wieder -- wie nach Schmidts Fernsehshow -- heiß laufen und abstürzen.

Zu Informationen über die Bundestagswahl im Internet siehe auch:

  • Portal zur Wahl
  • Das Diskussionsforum zur Bundestagswahl soll Lesern die Gelegenheit geben, auch auf heise online ihre Ansichten nicht nur zu IT-Themen im Umfeld der Bundestagswahl, sondern auch zu den Inhalten der Parteien zu diskutieren -- ohne sich in anderen Foren gleich der Gefahr eines Off-Topic-Beitrags auszusetzen.

(André Jahnke, dpa) / (jk)