Der beste Physiker, der nie den Nobelpreis gewann – Freeman Dyson zum 90. Geburtstag

Heute vor 90 Jahren wurde in England der Physiker geboren, der die Quantentheorie des Elektromagnetismus ordnete und später unter anderem ein atombombengetriebenes Raumschiff erfand.

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Von
  • Ralf Bülow

In der Fachwelt gilt er als der beste Physiker, der nie den Nobelpreis gewann: Freeman John Dyson, geboren am 15. Dezember 1923 in Crowthorne westlich von London, wo sein Vater Musiklehrer war.

Nach der Public School und zwei Jahren Mathematikstudium beschäftigte sich Dyson von 1943 bis 1945 in der Royal Air Force mit der statistischen Analyse von Flugzeugverlusten. Anschließend sattelte er unter dem Eindruck der Atombombe auf die Physik um und studierte das Fach unter anderem bei Hans Bethe und Richard Feynman an der amerikanischen Cornell University. 1949 läutete er eine neue Ära der Quantenphysik ein, als er drei unterschiedliche Ansätze zur Quantenelektrodynamik, der grundlegenden Theorie des Elektromagnetismus, als gleichartig nachwies (PDF).

1951 wurde Dyson noch ohne Doktortitel Professor in Cornell sowie Vater einer bekannten Tochter: Esther Dyson. Von 1953 bis 1994 lehrte er am Institute of Advanced Study in Princeton, seit 1957 als US-Bürger. Zwischen 1956 und 1959 arbeitete er für die Firma General Atomic im kalifornischen La Jolla. Hier erfand er einen vor Kernschmelzen sicheren Forschungsreaktor, der unter dem Kürzel TRIGA – Training, Research, Isotopes, General Atomic – in 24 Ländern installiert wurde, in Deutschland an der Uni Mainz.

Außerdem entwickelte er nach einer Idee des Mathematikers Stanislaw Ulam ein Konzept für ein atombombengetriebenes Raumschiff namens Orion (PDF). Dieses stößt in rascher Folge nukleare Sprengsätze aus, die unter einer gefederten Schutzplatte explodieren; die Schockwellen treiben das Raumschiff voran. Dysons Rakete erinnert an die Weltraumkanone von Jules Verne, hätte aber wahrscheinlich funktioniert; ein Testmodell mit konventionellem Sprengstoff überstand einen Aufstieg auf 56 Meter Höhe. Projekt Orion endete sang- und klanglos in den frühen 1960er Jahren, als die NASA eine Übernahme ablehnte und der 1963 vereinbarte Teststoppvertrag das Zünden von Atombomben im All verbot. Später schrieb Dysons Sohn George ein Buch darüber und die BBC drehte einen sehenswerten Film.

1960 schilderte Dyson in der Zeitschrift Science die nach ihm benannte Sphäre, die aus dem Material eines Planeten besteht und einen Fixstern komplett umschließt. Sollte im All eine hochentwickelte Zivilisation eine solche Kugelschale gebaut haben, wäre sie mit Infrarot-Teleskopen erkennbar, da sie Wärmestrahlung emittiert und im sichtbaren Spektrum dunkel bleibt. Auf diese Weise könnte man Aliens einfach und sicher nachweisen. Bis heute wurde noch keine Dyson-Sphäre gefunden.

Zusammen mit seinem Kollegen Andrew Lenard gelang Dyson 1967 eine neue Herleitung der Stabilität aller Materie aufgrund des Pauli-Prinzips, das die Verteilung der Elektronen im Atom beschreibt. Mehr und mehr widmete er sich aber der spekulativen Physik, etwa der Idee eines Baums, der auf einem Kometen wächst, sowie mit philosophischen Fragen. Im Jahr 2000 erhielt er den mit 600.000 Pfund dotierten Templeton-Preis für Fortschritte in der Religion.

1979 verfasste Dyson seine Memoiren, die auch auf Deutsch herauskamen. 2013 veröffentlichte der Physiker Phillip F. Schewe eine ausführliche Biographie. Wer lieber Videos schaut: Es gibt 157 Dyson-Clips bei Web of Stories.

Im vorigen Jahr machte der Physiker Schlagzeilen, als er eine neue Lösung des iterierten Gefangenendilemmas fand (PDF), eines der klassischen Rätsel der Spieltheorie. – Happy Birthday! (ola)