Deutsche Telekom geht wieder auf Einkaufstour

Die Telekom musste entweder die Netze in Nevada und Kalifornien übernehmen oder auf eine Region verzichten, aus der immerhin jeder fünfte Neukunde kommen soll.

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Von
  • Martin Murphy
  • dpa

Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke hatte keine Wahl: Nachdem der Konzern bereits enorme Milliardenbeträge in den US-Markt investiert hatte, musste er erneut tief in die Tasche greifen, um das Projekt USA zu retten. Nach der Elefantenhochzeit von Cingular und AT&T Wireless auf dem US-Mobilfunkmarkt zerfiel die bisherige Partnerschaft von T-Mobile USA und Cingular. Die Telekom musste entweder die Netze in Nevada und Kalifornien übernehmen oder auf eine Region verzichten, aus der immerhin jeder fünfte Neukunde kommen soll. Auf der Suche nach dem kleineren Übel zahlt Ricke nun 2,3 Milliarden US-Dollar für die Netze und weicht den rigiden Sparkurs auf.

"Das ist der größte Zukauf unter Ricke", betonte Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick am Dienstag in Bonn. Die letzte größere Übernahme war vor drei Jahren VoiceStream (heute T-Mobile USA) für 39 Milliarden Euro. Für Ricke stand viel auf dem Spiel. Einerseits war er als damaliger T-Mobile-Chef maßgeblich an dem nach Ansicht vieler überteuerten VoiceStream-Kauf beteiligt. Zum anderen ist der Mobilfunk der zugkräftigste Wachstumsmotor des Konzerns, der nicht ins Stottern geraten darf.

Bislang hatte Ricke auf teure Zukäufe verzichtet und stattdessen den Schuldenabbau in den Vordergrund gestellt. Auf der Hauptversammlung in der vergangenen Woche deutete er allerdings ein Umsteuern an. Er bekräftigte zwar, dass sich das Unternehmen nicht im "Akquisitionsmodus" befinde, gleichzeitig bekundete er aber Interesse an Zukäufen in Osteuropa. Die Region bietet für die Mobilfunkbranche anders als der gesättigte westeuropäische Markt noch deutliches Wachstumspotenzial.

Trotz der milliardenteuren Übernahme in den USA bekräftigte der Konzern sein Interesse am polnischen Mobilfunker PTC, an dem sie bereits knapp die Hälfte hält. Die Offerte über 1,1 Milliarden Euro liege weiter auf dem Tisch. Verhandlungen über eine Komplettübernahme von PTC waren im vergangenen Jahr an den finanziellen Forderungen der PTC-Eigner gescheitert. Das erste Quartal bestätigt den neuen Kurs der Bonner: Im Auftaktquartal trugen vor allem T-Mobile USA und die anderen Auslandsbeteiligungen zur Ergebnisverbesserung bei.

Das nötige finanzielle Polster für Akquisitionen verschaffte sich Ricke mit einem unerwartet raschem Schuldenabbau, was vor allem durch Kostensenkungen und Beteiligungsverkäufe möglich wurde. Binnen weniger Quartale reduzierten sich die Verbindlichkeiten auf 44,6 Milliarden Euro und damit deutlich unter dem Höchstwert von beinahe 70 Milliarden Euro, den die Telekom vor allem durch teure Zukäufe wie VoiceStream angehäuft hatte.

Eineinhalb Jahre nach seinem Amtsantritt kann Ricke eine nachhaltige Rückkehr in die Gewinnzone ausweisen. Für dieses Jahr will das Unternehmen erstmals seit zwei Jahren wieder eine Dividende ausschütten. Düster sah es bei Rickes erster Jahresbilanz aus: Da musste der Telekom-Chef für das Jahr 2002 einen Fehlbetrag von knapp 25 Milliarden Euro präsentieren. Grund waren vor allem hohe Abschreibungen auf T-Mobile USA. Mit dem Befreiungsschlag entledigte sich die Telekom der Altlasten und Eick spricht sogar davon, dass der Wert der US-Tochter wieder nach oben korrigiert werden könnte.

Mit Abschreibungen zu kämpfen hat indes der nach Umsatz weltgrößte Mobilfunkanbieter, die britische Vodafone. Der schärfste Konkurrent der Telekom auf dem deutschen Markt musste für das abgelaufene Geschäftsjahr erneut einen hohen Verlust ausweisen. Im Ende März abgeschlossenen Geschäftsjahr 2003/2004 fiel ein Fehlbetrag von neun Milliarden britischen Pfund an. Im Jahr davor hatte das Minus bereits bei 9,8 Milliarden Pfund betragen. Ursache für den Verlust waren auch in diesem Jahr Firmenwertabschreibungen in Höhe von 15,1 Milliarden Pfund (Vorjahr: 14,1 Milliarden Pfund). (Martin Murphy, dpa-AFX)/ (tol)