Deutschland gibt sich erstmals eine "Internationale Digitalstrategie"

Deutschland will sich in Netzfragen mehr einmischen: Das Bundeskabinett hat sich am Mittwoch erstmals auf eine internationale Digitalstrategie verständigt. ​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 59 Kommentare lesen

(Bild: Anterovium/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Monika Ermert

Nach der "Nationalen Digitalstrategie" und der "Cybersicherheitsstrategie" gibt sich die Bundesregierung erstmals auch eine "Internationale Digitalstrategie". Laut dem am Mittwochvormittag im Bundeskabinett verabschiedeten Papier will die Bundesregierung ihr Engagement in internationalen Gremien verstärken und bei der technischen Standardisierung mehr Flagge zeigen. Für eine breitere Beteiligung der internationalen Zivilgesellschaft will der Bund 1,5 Millionen Euro zur Verfügung stellen.

Die Bundesregierung sieht das "freie Internet" in Gefahr und will mit ihrer neuen Strategie gegensteuern. "Das Internet lebt von geschützter Kommunikation und unzensiertem Zugang zu Informationen", erklärte Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) am Mittwoch in Berlin. "Gemeinsam wollen wir das freie Internet schützen und uns weltweit gegen Zensur und Netzsperren starkmachen."

In der Vergangenheit waren deutsche Regierungen bei der internationalen Digitalpolitik eher durch Zurückhaltung aufgefallen. Lange Zeit galt der Bereich als "technisches Problem", als "Neuland", erklärt Wolfgang Kleinwächter, Experte für internationale Digitalpolitik gegenüber heise online. Nun sieht die Bundesregierung laut dem Papier ein "strategisches Handlungsfeld für die Wahrung unserer Interessen und die Förderung unserer Werte".

In ihrem Papier versucht die Bundesregierung den Rundumschlag vom Bekenntnis zu Menschenrechten in der Informationsgesellschaft über Netzneutralität und Risiken in der digitalen Wertschöpfungskette bis zur militärisch-strategischen Bedeutung digitaler Technologien. Risiken sieht die Bundesregierung unter anderem in der Marktkonzentration und der Netzkontrolle durch autoritäre Kräfte.

Um die eigene Vorstellung vom "globalen, freien und offenen Internet" voranzubringen, will sich die Bundesregierung künftig stärker in multilateralen Gremien engagieren. Interessengruppen wie Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft will die Bundesregierung stärker einbeziehen. Gerade bei "disruptiven digitalen Technologien wie der KI" will der Bund die "Entwicklung von Normen und Standards in Multi-Stakeholder Formaten" unterstützen.

Neben etablierten Foren wie Gipfeltreffen (G7, G20), Welthandelsorganisation (WTO) oder der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sollen "wertebasierte Technologiepartnerschaften" helfen. Zugleich unterstreicht die Ampel ihre Unterstützung für die Selbstverwaltung von Internetressourcen durch die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) sowie für das Internet Governance Forum (IGF) der Vereinten Nationen.

Ein Novum ist das gesteigerte Interesse der Bundesregierung an mehr Beteiligung in der technischen Standardisierung. Berlin will "interessierte Kreise, einschließlich des Mittelstands und er Zivilgesellschaft" dabei unterstützen, sich bei internationalen Standardisierungsverfahren mehr einzumischen. Gerade in der technischen Standardisierung sollte auch der Schutz der Grundrechte mit berücksichtigt werden, heißt es in dem Strategiepapier.

Der Völkerrechtler Kleinwächter begrüßt, dass die Bundesregierung sich nun auch offiziell eine Strategie formuliert hat. Zwar spreche die Regierung die richtigen Themen an, spare andere aber aus, erklärte der Internet-Veteran gegenüber heise online. Zu Cybersicherheit, autonomen Waffensystemen, Plattformregulierung und Digitalsteuer hätte er sich klarere Kursbestimmungen gewünscht.

Die Erwartungen an die Bundesregierung seien hoch, betont Kleinwächter. Aktuell spiele Deutschland nach seiner Beobachtung aber nur in sehr wenigen internationalen Gremien eine führende Rolle. Auch die deutsche Wirtschaft sei mit Ausnahme des eco-Verbands und der deutschen Domainverwaltung Denic kaum in der internationalen digitalen Politik unterwegs, sondern überlasse das Feld Microsoft, Google oder Meta. Kleinwächters Hoffnung: Deutschland könnte sich künftig vielleicht etwas mehr einmischen.

(vbr)