Die Türkei fordert Auslieferung eines schwedisch-türkischen Journalisten von Spanien

Der Auslieferungsantrag für den verhafteten Journalisten Hamza Yalçin wurde übermittelt, der anders als der türkisch-deutsche Schriftsteller Dogan Akhanli nun seit einem Monat inhaftiert ist

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Dass sich Spanien zum Erfüllungsgehilfen der Türkei macht, hat das Land in diesem Sommer mit der Festsetzung von zwei Journalisten und Schriftstellern dokumentiert. Während es zum deutsch-türkischen Schriftsteller Dogan Akhanli, der kürzlich im südspanischen Granada festgenommen wurde, noch keine Neuigkeiten gibt, hat die Türkei nun aber den offiziellen Auslieferungsantrag für schwedisch-türkischen Journalisten Hamza Yalçin gestellt, der nun einen Monat im Gefängnis sitzt.

Sein Fall, dem von Akhanli sehr ähnlich, gestaltet sich aber im Umgang deutlich anders. Wurde Akhanli zum Glück nach seiner Festsetzung schnell wieder auf freien Fuß gesetzt, da sogar Bundeskanzlerin Merkel den Missbrauch von Interpol kritisiert hatte, sitzt ist der schwedisch-türkische Yalçin weiter in Barcelona in Haft. Er war auf der Durchreise nach London auf dem Flughafen in Barcelona verhaftet worden. Zuvor hatte er aber problemlos Italien und Griechenland passiert und wurde erst in Spanien auf Basis der Interpol-Fahndung verhaftet.

An der Lage des Journalisten, dem die Türkei wie dem deutschen Schriftsteller ebenfalls Terrorismus vorwirft, soll sich mittelfristig offensichtlich auch nichts ändern. Der spanische Justizminister Rafael Catalá hat nun den Eingang eines offiziellen Auslieferungsantrags aus der Türkei für Yalçin bestätigt. "Wir haben die Dokumentation für die Auslieferung erhalten, die wir mit größter Geschwindigkeit und Strenge prüfen werden", sagte Catalá. Innerhalb von 40 Tagen müsse die Regierung entscheiden, "ob das Auslieferungsverfahren weiterläuft oder nicht". Er meinte aber, dass die Regierung in dieser Phase die Vorwürfe aus der Türkei nicht bewerten will.

Inhaltlich will Spanien die Vorwürfe aber ohnehin nicht untersuchen. Geprüft werden soll nur, ob der Antrag "die formalen Anforderungen erfüllt", fügte der Justizminister an. Wäre er unvollständig, könne man in Ankara um Klärung nachsuchen. Ist er komplett, wird die Regierung eine Entscheidung fällen und sein Ministerium dem Kabinett einen Vorschlag unterbreiten.

Der Unterschied in der Behandlung der beiden Fälle ist mehr als offensichtlich. Da hinter Yalçin nur das kleine Schweden steht, ist er seit einem Monat inhaftiert, Akhanli dagegen wieder auf freiem Fuß. Allerdings darf er Spanien nicht verlassen und muss sich einmal pro Woche melden. Da im Fall Yalçin nicht das große Deutschland interveniert, sondern nur das kleine Schweden, ist auch die Chance von Yalçin deutlich kleiner, einer Auslieferung an die Türkei zu entgehen. Doch beiden droht dort erneut Folter. Beide sind aus der Türkei einst nach Schweden und nach Deutschland geflohen, weil sie bei früheren Inhaftierungen in der Türkei gefoltert worden waren.

Warum wurde Spanien zum Handlanger der türkischen Regierung?


Die Frage: "Warum Spanien gerade jetzt zum Handlanger der türkischen Regierung wurde", wird derzeit gerne gestellt. Der deutsch-türkischen Schriftsteller meint, dass die türkischen Behörden Spanien wohl für ein Land halten, in dem das leichter zu erwirken sind. Für Akhanlı was das eine erschreckende Erfahrung, weil er gedacht habe, in europäischen Ländern in Sicherheit zu sein. "Das habe ich nicht gedacht, dass die Spanier mich an die Türkei ausliefern dürfen, obwohl ich Deutscher bin."

In Spanien ist das einfacher, weil man aus guten Gründen hier türkische Vorwürfe nicht prüfen will. Das hat sehr viel damit zu tun, dass Spanien genau das von anderen Ländern fordert, wenn es von ihnen verlangt, spanische Folteropfer nach Spanien zu überstellen. Wenige Länder verweigern sich dem, wie Belgien im Fall eines Basken.

Die Schweiz aber nicht und von den Eidgenossen fordert Spanien derzeit die Auslieferung der baskischen Journalistin Nekane Txapartegi. Das angebliche Mitglied der baskischen ETA – die ohnehin längst den Kampf eingestellt hat und entwaffnet ist -, wurde sogar vom Obersten Gerichtshof längst zum "minderschweren Fall" herabgestuft. Deshalb wurde die Strafe auf nur noch dreieinhalb Jahre gesenkt. Sie beruht ohnehin nur auf einem Foltergeständnis.

Die Folter war bestialisch und der Fall wurde von Amnesty International im Jahresbericht 1999 aufgenommen. Angesichts der Tatsache, nach einer Verurteilung wieder in die Hände der Folterer zu fallen, floh sie 2007 in die Schweiz, wo sie im April 2016 verhaftet wurde. Und die Schweiz verhält sich nun gegenüber Spanien, wie Spanien sich gegenüber der Türkei verhält. Auch Bern will weder die Vorwürfe prüfen noch sich mit Folter beschäftigen. Deshalb hat auch die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts im Juli die Beschwerde der Baskin gegen die Auslieferung abgelehnt. Auszuliefernde könnten sich nicht auf das Folterverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention berufen, wenn sie an ein Land mit demokratischer Tradition ausgeliefert würden, wurde argumentiert.

So versucht man sich aus der Verantwortung zu drücken, obwohl Spanien wegen Folter immer wieder von der UNO gerügt wird. Die Schweiz hält sich nicht für zuständig, den spanischen Prozess zu wiederholen oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ersetzen. Dass Spanien von dem in den letzten Jahren in acht Folterfällen verurteilt wurde, auch für Folter an Journalisten, wird ignoriert.

Amnesty International weist darauf hin, dass international renommierte Experten Gutachten auf Grundlage anerkannten des Istanbul-Protokolls erstellt haben und zum Ergebnis kamen, dass die Baskinschwer gefoltert wurde. Gegen die Auslieferung stemmt sich auch der UNO-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer. In einer öffentlichen Erklärung forderte er Schweiz auf, Nekane Txapartegi nicht auszuliefern. Er verfüge über Informationen, dass sie in Gefangenschaft sexueller Gewalt, Elektroschocks, Schlafentzug und weiteren Misshandlungen ausgesetzt war. Auch er sieht Justiz seines Heimatlandes auf "Irrwegen" und fordert: "Die Schweiz muss das Folterverbot kompromisslos schützen." Er kritisiert insgesamt, dass es weltweit eine "zunehmende Toleranz gegenüber Folter" gäbe.