Digital Networks Act: EU strebt einheitlicheren Telekommunikations-Markt an

Die scheidende EU-Kommission verabschiedet sich mit einem letzten großen Digitalvorschlag: Der Telekommunikationsmarkt soll europäisch einheitlicher werden.​

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(Bild: StudioProX/Shutterstock.com)

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Von
  • Falk Steiner
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Es werde eine schnelle und verlässliche Infrastruktur gebraucht, sagte EU-Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager am Mittwochmittag in Brüssel. Allerdings würden derzeit nur 56 Prozent der EU-Haushalte über Glasfaseranschlüsse verfügen. Doch die Wettbewerbsfähigkeit Europas hänge auch von der Verfügbarkeit digitaler Zugänge ab. Und hierbei spielten Edge und Cloud-Computing eine große Rolle, betonte Vestager. Die derzeitige Infrastruktur reiche dafür aber nicht aus. Deshalb brauche es Investitionen. Als Hindernis dafür will die EU-Kommission den "fragmentierten Markt" ausgemacht haben. 27 Einzelmärkte mit ihren unterschiedlichen Gegebenheiten und ihren unterschiedlichen Regularien würden diese Entwicklung behindern. Ziel der Kommission ist daher ein einheitlicherer europäischer Telekommunikationsmarkt, der gemeinsame Ziele verfolgt.

Der Vorschlag, den die Kommission in einem am Mittwoch veröffentlichten Weißbuch skizziert, ruht auf drei Säulen:

Die erste ist Forschung und Entwicklung für so getaufte "3C Networks", wobei 3C für Connected Collaborative Computing stehen soll. Hier will die EU-Kommission vor allem in den Kapazitätsaufbau investieren und etwa neue EU-Gemeinschaftsprojekte zwischen Forschung und Wirtschaft, sogenannte IPCEIs prüfen und Großversuche in Pilotprojekten gefördert werden.

Die zweite Säule betrifft den Binnenmarkt: Mehr Kompetenzen für Brüssel sollen europaweit für bessere und fairere Digitalisierung sorgen und die Anbieter zukunftsfest machen. Dafür schlägt die Kommission etwa ein einheitliches Abschaltziel für Kupfernetze vor: Bis zum Netzabschluss solle das bis zum Jahr 2028 für 80 Prozent der Anschlüsse erfolgen, die verbleibenden 20 Prozent sollten bis 2030 abgeschaltet werden. Dabei müsse allerdings auch sichergestellt werden, dass Wettbewerber zu fairen Bedingungen auf die verlegte Glasfaserinfrastruktur zurückgreifen könnten. Hierfür überlegen die Beamten in Brüssel einen europaweit einheitlichen Regulierungsrahmen einzuführen – bislang ist das eine Domäne der Nationalstaaten.

Und auch bei der Funkfrequenzpolitik würde Brüssel gerne ein gewichtigeres Wort mitsprechen: Die bisherigen Koordinierungsversuche seien in vielerlei Hinsicht nicht erfolgreich gewesen und hätte zu unkoordiniertem, fragmentiertem 4G- und 5G-Rollout geführt. Die Lösung sei daher eine stärkere EU-Kompetenz, so der Vorschlag.

Sehr viel wolkiger hingegen sind andere Vorschläge der EU-Kommission: Die Unterscheidung in Telekommunikationsnetzwerke und Diensteanbieter und Cloud oder andere digitale Anbieter sei überkommen, heißt es im Weißbuch, und würde von einem komplexen, konvergenten Ökosystem abgelöst – was die Frage eines vereinheitlichen Rechtsrahmens mit sich bringe. Hier könnten etwa Inhaltedienste und Telekommunikationsanbieter künftig unter die gleichen Regeln fallen.

Die dritte Säule soll eine Stärkung der Resilienz mit sich bringen: Auch im Post-Quanten-Zeitalter müsste die digitale Infrastruktur möglichst sicher sein – das vorzubereiten sei maßgeblich, meint die EU-Kommission. Der bisherige Forschungs- und Rechtsrahmen reiche dafür aber nicht aus. Die Mitgliedstaaten sollten daher ihre Vorhaben koordinieren. Insbesondere die Verteilung von Quantenschlüsseln (QKD) sei für die Sicherheit ab dem erwarteten Quantendurchbruch um 2030 maßgeblich. Zudem schlägt die Kommission im Rahmen des Weißbuchs stärkere Schutzmaßnahmen für Unterseekabel vor.

All das aber sind nur Vorschläge: Die Kommission will, nachdem sie im vergangenen Jahr bereits eine Expertenkonsultation durchgeführt hatte, nun von allen Interessierten wissen, wie die ihre Vorschläge beurteilen und hat dafür eine Befragung im EU-Anhörungsportal "Have your say" angekündigt, die bis Ende Juni laufen soll. Erst die neue Kommission, die ab Spätsommer nach den Europawahlen ihr Amt antreten dürfte, könnte dann aus der Diskussion konkrete Maßnahmen ableiten.

Die ersten Reaktionen auf die Vorschläge aus Brüssel gehen dabei weit auseinander: Während etwa der IT-Wirtschaftsverband Bitkom die Vorlage des Weißbuchs ausdrücklich begrüßt, hält der deutsche Netzbetreiberverband VATM viele der im Weißbuch vorgeschlagenen Mittel für "kontraproduktiv". Der europäische Inhalte-Anbieter-Verband CCIA äußert scharfe Kritik: Das Weißbuch würde die Tür für die alte Idee der Netzentgelte für datenverkehrsintensive Inhalteanbieter offen lassen und damit ein Problem adressieren, das gar nicht existiere. Die Bundesregierung prüft das Dokument derzeit.

(mki)