Domainpulse: Neue Adresszonen ja, aber bitte nicht so viele

Zur Eröffnung des Jahrestreffens der Registrare diskutierten Vertreter aus Industrie und Politik über die geplante Einführung neuer Top-Level-Domains und warnten vor einem Bedeutungsverlust der Internet-Adresszonen.

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Von
  • Monika Ermert

Eine Überfülle neuer Adresszonen könnte die Bedeutung der Domain verringern, fürchtet Christian Müller, CTO beim Berliner Hoster Strato. Müller rechnet mit bis zu 2000 Adresszonen. Zu Beginn der jährlichen Fachtagung der deutschsprachigen Registries (DENIC, nic.at, SWITCH) Domainpulse 2009 am heutigen Donnerstag in Dresden meinten auch andere der versammelten Experten, dass die teuren Gebühren der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) viele potenzielle Bewerber abschrecken. Zwei- oder dreihundert würden es aber wohl werden, vermutet Tim Schumacher, Geschäftsführer der Domainhandelsplattform Sedo.

Schumacher und Müller warnten gleichermaßen, dass eine zu starke Zersplitterung des Namensraums die Kundschaft in die Arme der Suchmaschinenbetreiber treibt. "Im schlimmsten Fall in die Arme eines einzigen Betreibers, Google", sagte Schumacher gegenüber heise online. Gleichzeitig könne mit den vielen neuen Nischendomains nicht viel Geld beim Verkauf gemacht werden. Gefragt seien vielmehr die großen wie .com und .de. Allerdings haben sich die Durchschnittspreise für die auf Sedo gehandelten .com-Adressen laut Zahlen des Unternehmens im vergangenen Jahr praktisch halbiert.

Den Trend zum Verzicht auf die eigene Domain zeige sich schon jetzt bei Blogsites, sagte Müller gegenüber heise online. Wenn Adressen nicht mehr erraten werden könnten, verliere die Domain ihre Bedeutung als Ordnungs- oder Orientierungselement im Netz vollends. Man wisse dann nicht mehr, soll man unter auto.bmw, bmw.auto, bmw.de oder sonst wo suchen. "Ich will das Geschäft mit den Domains durchaus machen", sagte Müller, "aber am Ende könnte es kein Geschäft mehr geben." Für viele neue TLDs müsse ein Registrar im Übrigen viele verschiedene Schnittstellen einrichten, auch dieser Aufwand lohne sich nicht mehr, wenn die Adressnischen zu klein würden. Bessere Chancen haben seiner Meinung nach die Registries, also diejenigen, die die Verzeichnisse der vielen neuen TLD-Betreiber führen.

"Vielleicht werden Unternehmen, die ihre eigenen Adresszonen beantragen, die eigentlichen Gewinner", sagte Dirk Krischenowski, Geschäftsführer von dot.berlin und neuerdings auch Partner von dot.zon, das daran interessierte Unternehmen berät. Öffentliches Interesse an "ihrer" Adresszone hätten bereits Ebay, Deloitte oder die Postbank bekundet, erklärte Krischenowski. Ein Fingerzeig, welche allgemeinen Adresszonen attraktiv sein könnten, böte der Blick auf Begriffskombinationen im Web: Begriffe wie "hotel" oder "online" finde man in vielen Kombinationen. Kapital für "gute Konzepte" gebe es übrigens trotz Finanzkrise. Noch immer kämen Unternehmen zu dot.berlin und wollten als Investoren mit einsteigen, obwohl das Unternehmen bereits gut finanziert sei. dot.berlin dürfte über sein Polster allerdings nicht traurig gewesen sein, wartet es doch seit 2005 auf das immer wieder verzögerte Zulassungsverfahren.

Weitere Verzögerungen auch über das Jahr 2009 hinaus wollte Olof Nordling, Büroleiter des Brüsseler ICANN-Büros, nicht ganz ausschließen. Der gerade vorbereitete zweite Entwurf für die Regeln im Bewerbungsverfahren sei "sicher nicht der letzte". ICANN arbeite aktuell unter Hochdruck an einer Analyse all der eingegangenen Stellungnahmen zum ersten Entwurf, diese werde in wenigen Tagen erscheinen. Kurz vor dem Treffen der ICANN in Mexico City sollen dann die neuen Bewerbungsregeln veröffentlicht werden und ein ganzes Paket weiterer Zusatzdokumente, unter anderem zu Konflikten bei internationalisierten Adresszonen.

Auch die von der US-Administration Ende vergangenen Jahres ultimativ eingeforderte Marktstudie habe ICANN keinesfalls vergessen, versicherte Nordling. Sie werden zusammen mit den neuen Bewerbungsregeln veröffentlicht. Ein Stopp des ganzen Verfahrens wie ihn zahlreiche um ihre Marken besorgten Unternehmen gefordert hatten, sei unrealistisch.

Äußerst zurückhaltend gab sich Michael Niebel als Vertreter der EU-Kommission mit Blick auf die von der scheidenden US-Administration geäußerten Zweifel an der Notwendigkeit neuer TLDs. In Brüssel wolle man vor einer Reaktion zunächst auf die Positionierung der neuen Administration warten. Eine Verzögerung der Einführung nicht-englischer TLDs aufgrund des Hick-Hacks um die neuen generischen TLDs erklärte Niebel allerdings für inakzeptabel. Auch die EU werde nicht-englische Varianten von .eu einführen, etwa eine griechische Variante, erklärte der Kommissions-Vertreter.

Hinweis: Die Autorin hat auf der Domainpulse die Podiumsdiskussion zu neuen Top-Level-Domains moderiert.

(Monika Ermert) / (vbr)