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EU will eID-Anwendungen in Europa vereinheitlichen

Detlef Borchers

Mit einer neuen Verordnung soll die E-Signatur-Richtlinie von 1999 erweitert werden und künftig die Nutzung von eID-Systemen europaweit vereinfachen.

Die Europäische Kommission hat den Entwurf einer Verordnung [1] (PDF-Datei) über die elektronische Identifikation vorgestellt. Die Neufassung soll die Signatur-Richtlinie der EU [2] (PDF-Datei) aus dem Jahr 1999 ablösen und die Nutzung von eID-Systemen vereinfachen, wie sie in verschiedenen europäischen Länden mit unterschiedlichen Smartcards (z.B. Personalausweisen oder Krankenversicherungskarten) angeboten werden.

Europa lebt digital, doch zwischenstaatlich gibt es zahlreiche Hindernisse: Eine belgische Studentin möchte sich an einer italienischen Universität immatrikulieren, eine kleine ungarische Firma will sich an einer portugiesischen Ausschreibung beteiligen, ein Franzose will in Litauen ein elektronisches Dokument unterschreiben – solche Beispiele, mit denen die Kommission ihr Vorhaben illustriert [3], sind noch Zukunftsmusik, weil es kein einheitliches Rahmenwerk für die elektronische Identifikation gibt. Das soll sich mit der neuen Verordnung ändern [4].

Im Kommentar [5] (PDF-Datei) zur neuen Verordnung heißt es: "Ein Rechtsrahmen besteht auf EU-Ebene nur für elektronische Signaturen, jedoch weder für die elektronische Identifizierung und Authentifizierung, noch für einschlägige Vertrauensdienste." An die Stelle der Signatur-Richtlinie soll mit der Verordnung nun eine Rechtsvorschrift treten, die folgende Dienste abdeckt: "elektronische Zeitstempel, elektronische Siegel, Langzeitbewahrung von Informationen, bescheinigte elektronische Dokumentenzustellung, Zulässigkeit elektronischer Dokumente und eine Authentifizierung-Möglichkeit für Websites."

Unterschiedliche nationale eiD-Systeme, wie es sie etwa in Belgien und Spanien [6] gibt, sollen nahtlos mit der eID-Funktion des neuen Personalausweises arbeiten können, auch Gesundheitsinformationen sollen grenzüberschreitend über entsprechende Karten ausgetauscht werden können. Das praktische Vorbild für das ehrgeizige Vorhaben liefert das 2008 gestartete STORK-Projekt [7] von untereinander vernetzten Zertifizierungs-Proxys unter technischer Oberaufsicht der europäischen Sicherheitsbehörde ENISA [8]. Ein weiteres Projekt, dass in den Papieren als Vorbild erwähnt wird, ist das epSOS-Projekt [9] der europäischen Krankenkassen, die netzübergreifend Versicherteninformationen austauschen wollen. ENISA ist im Vorschlag zur neuen EU-Verordnung denn auch die aufsichtsführende Behörde, die die nationalen staatlichen wie privaten Zertifizierungsdiensteanbieter überwachen und die Interoperabilität gewährleisten soll.

Seitens der Bundesregierung liegen noch keine Stellungnahmen zur vorgeschlagenen EU-Verordnung vor. Sicher ist jedoch, dass diese Verordnung vor allem der eID-Funktion des deutschen Personalausweises sehr entgegenkommt und diese Smartcard in vieler Hinsicht aufwertet. Gleichzeitig wendet sich die EU-Verordnung gegen das deutsche eGovernment-Gesetz, das unter Berufung auf §3a des Verwaltungsverfahrensgesetzes [10] die qualifizierte elektronische Signatur voraussetzt, für die es europaweit kein direktes Äquivalent gibt, weil andere Staaten mit der fortgeschrittenen Signatur [11] nach der elektronischen Signaturrichtlinie arbeiten.

In diesem Rahmen ist auch die Formulierung "bescheinigte elektronische Dokumentenzustellung und E-Mail" im Verordnungsvorschlag bemerkenswert, mit der nach Vorstellung der EU-Kommission eine ganze Reihe von Maildiensten das anbieten können, was in Deutschland als De-Mail als nationale Lösung existiert. Im englischen Erläuterungstext zu diesem Punkt wird der derzeitige Missstand benannt: "Im Moment endet die rechtliche Wirkung einer registrierten E-Mail an der Grenze des Mitgliedsstaates, aus dem die Nachricht versendet wird, es sei denn der Mitgliedsstaat des Adressaten erkennt die Registrierung der Mail-Adresse an." Hier will die EU-Verordnung einen europaweiten Wettbewerb und eine Interoperabilität der e-Mail-Anbieter mit den per eID ausweislich registrierten Nutzern anstreben. (vbr [12])


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https://www.heise.de/-1604528

Links in diesem Artikel:
[1] http://ec.europa.eu/information_society/policy/esignature/docs/regulation/com_2012_238_de.pdf
[2] http://ec.europa.eu/information_society/policy/esignature/docs/regulation/com_2012_238_de.pdf
[3] http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=MEMO/12/403&format=HTML&aged=0&language=EN&guiLanguage=en
[4] http://ec.europa.eu/information_society/policy/esignature/eu_legislation/regulation/index_en.htm
[5] http://ec.europa.eu/information_society/policy/esignature/docs/regulation/sum_ia_de.pdf
[6] https://www.heise.de/news/Banken-zoegern-noch-beim-neuen-Personalausweis-1131584.html
[7] https://www.heise.de/news/Biosig-08-Stoerche-fuer-europaeische-Buerger-205513.html
[8] https://www.heise.de/news/ENISA-Viel-Arbeit-auf-dem-Weg-zur-eID-203883.html
[9] https://www.heise.de/news/Medica-Medizin-macht-mobil-1381820.html
[10] http://www.gesetze-im-internet.de/vwvfg/__3a.html
[11] http://de.wikipedia.org/wiki/Fortgeschrittene_elektronische_Signatur
[12] mailto:vbr@heise.de