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Elektroauto, Plug-in-Hybrid oder fossil: BMW 5er-Reihe hält alle Optionen offen

Florian Pillau
BMW 5er 2023

Der 5er ist weit weniger eigenwillig geformt als der 7er.

(Bild: BMW)

Der BMW 5er kommt ab Oktober als E-Auto, Plug-in-Hybrid oder Verbrenner. Wie es aussieht, hat BMW beim Umbau seiner zentralen Baureihe vieles richtig gemacht.

BMW bietet seine Obermittelklasse-Baureihe ab Oktober als Elektroauto, als Plug-in-Hybrid oder mit mild hybridisierten konventionellen Motoren an, so wie bereits die eigenwillig geformte 7er-Reihe. Die potenzielle Fallhöhe für einen Nachfolger des noch aktuellen Fünfers ist dabei schwindelerregend, dazu kommt die Herausforderung durch die beiden völlig verschiedenen Antriebsarten in einem Fahrzeug. BMW betont den Ansatz der Technologieoffenheit, und verdient mit seiner Flotte an batterieelektrischen Autos inzwischen ordentlich Geld. Die Idee, in einer Karosserie verschiedene Antriebe anzubieten, wird im neuen Fünfer fortgeführt und dürfte auch hier Erfolg haben.

Das gibt es so nicht häufig. Allzu spannend ist es aber gar nicht mehr, seit der i4 bewiesen hat, dass BMW das gewohnt überdurchschnittliche Niveau auch mit Elektroantrieben bravourös hinbekommt. Die durchweg aufgeladenen und mild hybridisierten Verbrennungsmotoren haben sich in laufenden Baureihen bewährt und auch bei den für später angekündigten Plug-in-Hybridantrieben muss einem nicht bang sein. BMW hat bei letzteren hinsichtlich Energiegehalt und Ladeleistung in den vergangenen Jahren in einigen Baureihen deutlich nachgelegt. Ausgerechnet der Dreier schwächelt allerdings in diesen Punkten.

Solange es einen Markt dafür gebe, werde BMW auch Autos mit Verbrennungsmotor anbieten, hatte BMW-Chef Oliver Zipse im Sommer 2021 versprochen [1]. Der im Blick auf die Technik interessante Kompromiss hat nicht zuletzt Folgen fürs Erscheinungsbild und den Innenraum. Als i5 ist der BMW nicht so offensichtlich ein Elektroauto wie die meisten anderen batterieelektrischen Fahrzeuge seiner Dimension. Die Karosserie streckt sich im Vergleich zum noch aktuellen 5er um 97 auf 5060 Millimeter, wird 32 Millimeter breiter auf nun 1900 Millimeter, wächst 36 Millimeter auf 1515 Millimeter und bekommt einen um 20 auf 2995 Millimeter vergrößerten Radstand, "den längsten in der oberen Mittelklasse" wie BMW reklamiert.

BMW 5er (0 Bilder) [2]

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Als BMW i5 eDrive40 bekommt der 5er eine Leistung von 250 kW und bietet bis zu 430 Nm im Sport Boost oder der Launch Control Funktion. Die Beschleunigung aus dem Stand auf 100 km/h gibt BMW sechs Sekunden an, die Höchstgeschwindigkeit mit 193 km/h. Die Kraftübertragung läuft dabei zum Marktstart über die Hinterachse, ein zweiter Motor kommt als Option erst 2024 dazu. Den kombinierten Stromverbrauch im WLTP beziffert BMW mit 19,5 bis 15,9 kWh/100 km, genügend für eine Reichweite von 477 bis 582 Kilometer im WLTP.

Als M60 xDrive mit Allradantrieb und Torque Vectoring kann der 5er 442 kW und bis zu 820 Nm bei Aktivierung der M Launch Control oder M Sport Boost Funktion abrufen. Das batterieelektische Topmodell beschleunigt bestenfalls in 3,8 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100, die Höchstgeschwindigkeit wird bei 230 km/h abgeregelt. Sein kombinierter Stromverbrauch im WLTP beträgt 20,6 bis 18,2 kWh/100 km, womit der i5 M60 xDrive unter den Laborbedingungen des WLTP 455 bis 516 Kilometer weit kommt. Eine neue Funktion namens "Max Range" soll in allen i5 durch die Begrenzung von Leistung und Geschwindigkeit und eine Einschränkung von Komfortfunktionen die Reichweite auf Wunsch um bis zu 25 Prozent erhöhen können.

Die Besonderheit der über alle Baureihen hinweg größtenteils einheitlichen Elektroantriebe sind ihre Läufer ohne Permanentmagneten. Das soll neben der Unabhängigkeit vom kritischen Rohstoff Neodym auch Vorteile bei der Effizienz im Straßenbetrieb und eine bessere Gestaltbarkeit der Charakteristik ermöglichen. Beide batterieelektrischen Versionen greifen auf die Energie einer im Karosserieboden angebrachten Hochvoltbatterie mit einem Fassungsvermögen von 81,2 kWh zurück. Ihre Zellchemie mit acht Anteilen Nickel und je einem Anteil Mangan und Kobalt ("NMC811") soll helfen, mit weniger Kobalt auszukommen.

Der i5 wird serienmäßig mit einem 11 kW-Wechselstrom-Ladegerät ausgestattet, gegen Aufpreis bekommt man eines mit 22 kW. Das ist eine praxisgerechte Lösung für jene, die auf die öffentliche Ladeinfrastruktur angewiesen sind. Denn dort wird die Dauer, in der geladen ohne zusätzliche Gebühren geladen werden kann, vielerorts beschnitten. Mit dem optionalen Lader ist eine leere Batterie auch an einem der vergleichsweise weit verbreiteten, öffentlichen AC-Lader nach knapp vier Stunden wieder gefüllt. Sie haben meist 22 kW, deutlich weniger ist die Ausnahme, wie die Auswertung der Bundesnetzagentur [4] zeigt.

An Gleichstromladesäulen sind maximal 205 kW möglich. Damit soll die Ladedauer von 10 auf 80 Prozent bestenfalls rund 30 Minuten betragen. Im Test des praktisch gleich ausgestatteten BMW i4 zeigte sich eine füllige, langsam sinkende Ladekurve. Die Spannungsebene liegt bei 400 Volt. BMW ist hier etwas im Nachteil gegenüber Konkurrenten mit 800 Volt, die zum Teil mit deutlich mehr als 200 kW Ladeleistung aufwarten können.

BMW bietet darüber hinaus für den i5 und die Plug-in-Hybrid-Modelle mit "Connected Home Charging" die Möglichkeit zu smartem solar-, last- und ab 2024 auch kostenoptimierten Laden auf Basis eines dynamischen Stromtarifvertrags. Auch eine bidirektionale Stromnutzung soll damit später möglich werden. Die kommenden i5-Modelle werden zudem als erste Fahrzeuge der Marke die Funktion Plug&Charge nutzen können. An geeigneten öffentlichen Ladesäulen kann das Auto damit automatisch ohne eine App oder Ladekarte abrechnen. Als ganz neu bezeichnet BMW dabei seine "Multi Contract Option", eine Möglichkeit, bis zu fünf verschiedene Plug & Charge-Verträge verschiedener Anbieter digital im Fahrzeug hinterlegen zu können.

Der Rest der Antriebe, ob als Benziner- oder Dieselmotoren, sind durchgängig mild hybridisiert und werden serienmäßig mit dem Maßstäbe setzenden Achtstufen-Wandlerautomat von ZF kombiniert. Zur Markteinführung stehen in Europa die Vierzylinder-Modelle 520i mit 140 kW und 520d mit 145 kW im Katalog. Wie im Vorgänger wird zusätzlich ein Startergenerator eingebaut, der weitere 13 bzw. 8 kW beisteuert.

Die für BMW lange identitätsprägenden Sechszylinder werden vorerst nur außerhalb Europas erhältlich sein. Im Frühjahr 2024 sollen zwei Plug-in-Hybrid-Modelle dazu kommen, später in diesem Jahr ein neuer Reihensechszylinder-Dieselmotor für die 5er-Limousine, eine Allradvariante des i5 und die Kombi-Karosserie, die BMW als "Touring" bezeichnet.

Von der übrigen Hardware erwarten BMW-Enthusiasten beim 5er völlig zurecht ein hohes Niveau bei der Kombination aus Fahrdynamik und Komfort. Zuletzt überzeugte uns darin ein Test mit dem aktuellen Hybridmodell BMW 520e. Wir würden uns wundern, wenn BMW da noch Potenzial für große Verbesserungen fände und fürchten die Vorstellung, sie könnten Grundsätzliches ändern. Der dem kommenden 5er technisch sehr ähnliche BMW i4 hat in diese Richtung gehende Sorgen in einem anderen Test allerdings kompetent ausräumen können.

Das neue Angebot umfasst serienmäßig unter anderem ein integriertes Bremssystem und eine Sportlenkung mit variabler Lenkübersetzung. Gegen Aufpreis bietet BMW für die 5er-Reihe ein Sportfahrwerk, Sportbremsanlage und ein adaptives Fahrwerk (serienmäßig im i5 M60 xDrive) mit geregelter Dämpferrate, variabel übersetzter und unterstützter Lenkung und Querdynamikmanagement an, beim adaptiven M Fahrwerk Professional eine aktive Wankstabilisierung. Serienausstattung sind Leichtmetallräder in 18 beziehungsweise 19 Zoll für den BMW i5 und die Plug-in-Hybrid-Modelle. Gegen Aufpreis reicht BMW Leichtmetallräder bis zu 21 Zoll dazu.

Die Bedienung des Fahrzeugs soll nun trotz einer gewachsenen Anzahl an Funktionen mit "deutlich" weniger Tasten und Reglern [5] zu bewerkstelligen sein. Die Anzeigen und die meisten Bedienelemente werden auf einem 12,3 und einem 14,9 Zoll großen Display dargestellt. Bedienfelder trägt auch das Lenkrad, erstmals mit fühlbarer Rückmeldung bei erfolgreicher Betätigung. Weitere virtuelle Bedienmöglichkeiten verteilt BMW über die gesamte Breite der Instrumententafel "bis weit in die Türverkleidungen hinein".

BMW 5er (6 Bilder) [6]

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Mehr Bildschirme, weniger physische Bedieneinheiten. Chic – aber kein Fortschritt.

Die genialen, weil nahezu frei belegbaren Favoritentasten, mit denen sich die Wege zu gewünschten Funktionen elegant abkürzen ließen, wird das alles leider nicht ersetzen können. Ganz verschwunden sind die freilich nicht: Wer vom oberen Displayrand runterwischt, bekommt dort Flächen geboten, auf denen sich die Bedienung von Funktionen ablegen lässt. Alternativ kann man auf die Sprachsteuerung zurückgreifen, die bei BMW zu den besseren gehört. Wir empfehlen das sogar ganz ausdrücklich, denn es erleichtert den Zugang zu Funktionen, die angesichts der Fülle an Möglichkeiten nur schwer zu finden sind. Das Instrumentendisplay ist ein Design-Statement, freistehend verfehlt es allerdings die Forderung, blendfrei zu sein wie die Instrumente, die BMW vor der Display-Mode einbaute. Diesen gravierenden Nachteil kennen wir bereits aus dem BMW i4.

Bei der Fahrassistenz für den 5er verspricht BMW immerhin schon mal eine abermals "deutlich erweiterte Auswahl an Systemen für automatisiertes Fahren und Parken". So soll der optionale Driving Assistant Professional einschließlich Lenk- und Spurführungsassistent und Abstandregelung mit Stop&Go-Funktion mit einem neuen Autobahnassistenten aufwarten, der bis zu 130 km/h Lenkaufgaben übernimmt. Der aktive Spurwechselassistent bietet die Möglichkeit eines automatisierten Spurwechsels über eine Blick-Bestätigung in den Außenspiegel.

Als Elektroauto wird sich der 5er am in einigen wichtigen Aspekten recht ähnlichen, aber sehr wahrscheinlich teuren Mercedes EQE messen müssen. Etwas schneller beim Laden könnte der ebenfalls in einigen Eckdaten vergleichbare Genesis G80 electric sein. Beide Autos setzen sich allerdings in Anspruch und Stil deutlich voneinander und auch vom 5er ab, was die Wahl unter den dreien erleichtern dürfte. BMW verrät vorab zu den Preisen nur sehr wenig. Der i5 soll ab 70.200 Euro zu haben sein, ein 520i ab 57.550 Euro. Die Serienausstattung ist längst nicht mehr so karg wie einst, wenngleich die Liste der Optionen weiterhin lang ist. Neu: Wer bei der Bestellung bestimmte Extras aus der Elektroniksparte vergessen hat, kann sie nachträglich freischalten – entweder über eine Miete oder dauerhaft.

(fpi [8])


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[3] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_9063262.html?back=9063339;back=9063339
[4] https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/E-Mobilitaet/start.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Klartext-Contra-Beruehrungsbedienung-4585339.html
[6] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_9063285.html?back=9063339
[7] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_9063285.html?back=9063339
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