Elrob 2009: Schildersuche im Tiergarten

Am zweiten Tag der Roboterleistungsschau Elrob im finnischen Oulu standen Aufklärung und Überwachung auf dem Programm - ferngelenkte Systeme stießen dabei an ihre Grenzen.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

RTS-Hanna von der Universität Hannover hat eine ERIcard im Blick. Ob der Operator sie auch sieht? Dieses Schild bezeichnet übrigens komprimierten Wasserstoff.

Am zweiten Tag der Roboterleistungsschau Elrob in Oulu standen Aufklärung und Überwachung auf dem Programm. Die Roboter mussten mehrere hundert Meter zu einem Gelände eines ehemaligen Tiergartens fahren und dort, sowie auf dem Weg dorthin, möglichst viele ERIcards finden und deren Position bestimmen. ERIcard ist die Abkürzung für Emergency Response Intervention Card. Es handelt sich um orangefarbene Schilder, mit denen Gefahrguttransporte ausgestattet werden, um bei einem Unfall den Rettungskräften wichtige Informationen über die möglicherweise ausgetretenen Stoffe zu bieten.

Wie bei den gestrigen Szenarien ging wieder das Team der Universität Hannover zuerst an den Start. "Wir wollten mit einem Team anfangen, bei dem mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer guten Leistung zu rechnen ist", erklärt Elrob-Organisator Frank Schneider von der Forschungsgesellschaft für Angewandte Naturwissenschaften die Startfolge. "Ein Flop gleich am frühen Morgen ist einfach kein schöner Auftakt."

Natürlich sind auch die besten Teams nicht vor Pannen und Durchhängern gefeit. Aber Hannover erfüllte die hohen Erwartungen. Auf dem Weg zum Aufklärungsgelände zeigte das Fahrzeug zwar gelegentlich Entscheidungsschwächen, etwa als es die Wahl hatte links oder rechts um eine Baumgruppe herum zu fahren, und musste einmal von Zweigen befreit werden, die sich in einem der beiden rotierenden Laserscanner auf dem Dach verfangen hatten. Auf dem Gelände selbst musste das begleitende Teammitglied Marko Reimer sogar einmal den Notstopp betätigen, als die Kollision mit einem Holzgerüst drohte. Aber die gesamte Fahrt erfolgte weitgehend autonom. Zudem gelang es, mehrere ERIcards zu lokalisieren. Auch das wäre prinzipiell autonom möglich gewesen, sagte Reimer. Allerdings sei das System mit Schildern getestet worden, die stärker reflektierten. Die hier verwendeten Schilder könne es nicht erkennen. So musste die Identifizierung manuell durch den Operator vorgenommen werden.

Der Roboter von der Universität Versailles kam nicht weit. Besonders enttäuscht wirkten die Teammitglieder trotzdem nicht.

Doch damit gelang den Hannoveranern mehr als allen anderen Teams, die an diesem Szenario teilnahmen. Die nachfolgenden Roboter wurden durchweg ferngesteuert und scheiterten früher oder später an den Bäumen und Metallzäunen, die die Funkverbindung störten. Das Team der Universität Kaiserslautern, dessen Roboter ebenfalls autonom fährt, musste den für 14 Uhr vorgesehenen Start wegen technischer Probleme zunächst absagen und hofft auf eine zweite Chance. Zuvor hatte bereits das Team der Firma Telerob den Start abbrechen müssen, nachdem am Bedienungspult des Roboters Telemax offenbar ein Kabel gebrochen war. Dem Operator Andreas Ciossek gelang jedoch schnell eine Reparatur, so dass ein zweiter Versuch möglich wurde. Auch der Telemax schaffte es nicht bis zum Zielgelände. Auf dem Weg dorthin entdeckte Ciossek aber immerhin eine ERIcard. Als dann die Videoverbindung bedenklich zu wackeln begann, entschloss er sich zur Umkehr. Wenige Meter weiter wäre der Roboter wahrscheinlich nicht mehr steuerbar gewesen.

Das Team der Firma Airrobot trat mit einem ferngesteuerten Flugroboter, einem durch vier Propeller angetriebenen Quadrokopter, an. Während Burkhard Wiggerich das Fluggerät über die Baumwipfel steuerte, überwachte Andreas Birk von der Jacobs University Bremen die an seinem Institut entwickelte automatische Erstellung einer Karte des Geländes. Zwanzigmal pro Sekunde wurden Aufnahmen gemacht und praktisch in Echtzeit fugenlos zu einem Gesamtbild des überflogenen Bereichs zusammengefügt. Zwar konnte der Roboter nicht tief genug heruntergehen, um ERIcards zu erkennen, da sonst die Funkverbindung gefährdet gewesen wäre. Dennoch wirkten die Teammitglieder nach dem 20-minütigen Flug sehr zufrieden. Alles hatte wie vorgesehen funktioniert.

Telemax steht bereit zum Start, bewundert von einem Zuschauer, der (noch) nicht viel größer ist.

Gewinner gibt es bei der Elrob ohnehin nicht. Es werden lediglich die Daten der einzelnen Roboterfahrten und -flüge veröffentlicht, ebenso die Formel, mit der die einzelnen Parameter gewichtet werden. In der Vorbereitung der Veranstaltung war es aber der ausdrückliche Wunsch der Teams gewesen, keine Rangordnung zu veröffentlichen. Einzelne Teilnehmer würden das nun gern wieder rückgängig machen, beißen damit bei Cheforganisator Frank Schneider aber auf Granit. Denn natürlich ließe sich wunderbar und endlos darüber streiten, wie die einzelnen Leistungsparameter gewichtet werden sollen: Soll bei der autonomen Navigation die Geschwindigkeit höher bewertet werden als die zurückgelegte Strecke? Zählen manuelle Eingriffe immer gleich, egal ob sie per Fernsteuerung, durch einen begleitenden Techniker oder vom Fahrersitz aus erfolgen?

Der Leistungsvergleich wird auch dadurch erschwert, dass die Teams unterschiedliche Forschungsschwerpunkte haben. Das Team von der Universität Versailles etwa, das zum ersten Mal an der Elrob teilnimmt, ist mit einem komplett von Studenten gebauten Roboter gekommen, der eigentlich für die Teilnahme an der RoboCup Rescue League gedacht ist. Bei diesem Wettbewerb des RoboCup geht es aber darum, Roboter durch eine Arena zu steuern, die die Situation in einem Gebäude nach einem Erdbeben simuliert. Insofern waren die Teammitglieder schon zufrieden, dass ihr Roboter im freien Gelände überhaupt eine nennenswerte Strecke zurücklegte.

Der Roboter aus Kaiserslautern ist ebenfalls nicht für Elrob-Szenarien optimiert: Er soll autonom unstrukturiertes Gelände bewerten und sich einen Weg zu einem vorgegebenen Zielpunkt bahnen können. Dennoch lohnt sich die Elrob-Teilnahme. Zum einen sorge die Deadline der Veranstaltung dafür, dass Dinge fertig werden, wie ein Teammitglied sagte. Zum anderen gebe es hier Testmöglichkeiten, die ein Team aus eigener Kraft kaum realisieren könne.

Insofern gilt für die Elrob der alte Grundsatz der Olympischen Spiele, der dort schon etwas aus der Mode gekommen ist: Dabei sein ist alles. Alle gewinnen hier allein schon durch die Teilnahme.

Siehe dazu auch:

(Hans-Arthur Marsiske) / (pmz)