Genetik: Weshalb der Mensch als einziger Hominide zweibeinig läuft

Erstmals zeigt eine Landkarte, welche Gene den aufrechten Gang ermöglichen. Und die Forscher liefern unerwartete Belege, welchen Vorteil die Zweibeinigkeit hat.

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Für die Entwicklung des aufrechten Gangs sind Längenverhältnisse von beispielsweise Gliedmaßen bedeutsam. Eine Forschergruppe hat nun solche anatomischen Merkmale den Erbgutregionen zugeordnet und die Unterschiede zu Menschenaffen herausgearbeitet.

(Bild: Science)

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Eine Forschergruppe hat per Deep Learning die Ganzkörper-Röntgenbilder von 31.000 Menschen mit deren Erbgut kombiniert und entschlüsselt, welche genetischen Regionen dem Menschen im Verlauf einiger Millionen Jahre den aufrechten Gang ermöglichten. Besonders interessant erscheint die Forschungsarbeit, weil sie Belege dafür liefert, in welcher Weise Zweibeinigkeit zu Beginn dieser Anpassung überhaupt nützlich war: Demnach haben der aufrechte Gang und damit einhergehende physiologische Anpassungen eine bessere Kühlung im heißen Klima ermöglicht. Kombiniert mit der Vedunstungskühlung durch Schwitzen wurde der Mensch unter den fleischfressenden Lebewesen zum einem der besten Mittelstreckenläufer der Savanne, was etwa bei der Jagd von Nutzen ist.

Das Team untersuchte eine Vielzahl an Skelettverhältnissen, beispielsweise die Hüftbreite zur Schulterbreite, die Unterarmlänge zur Körpergröße oder auch die Länge des Torsos zur Beinlänge und legte zu all diesen Verhältnissen eine genetische Landkarte an.

Aus anatomischen Analysen anderer Forscher weiß man zwar, dass kürzere Arme und längere Beine ein essenzielles Merkmal des aufrechten Gangs sind. Nun haben Eucharist Kun und Kollegen auch jene Erbgutregionen identifiziert, die diese Merkmale beim Menschen hervorbringen. Sie unterscheiden sich eindeutig von denselben Regionen bei Menschenaffen. Gleichfalls gibt es eindeutige Unterschiede in Regionen, die bei Menschen gegenüber Menschenaffen zu schmalen Hüften und hohem Körperwuchs führen. Man kann daraus schließen, dass diese Regionen deutlichem Selektionsdruck ausgesetzt waren und die Träger von Merkmalen, die die Zweibeinigkeit förderten, Überlebensvorteile hatten.

Neben anderem analysierten die Forscher auch den Energieumsatz, den Body-Mass-Index und das Körpergewicht ohne Fettanteil. Zusammen mit den Skelettverhältnissen kam heraus, dass die Kühlung mit zunehmender Beinlänge besser wird. "Es gibt diese Korrelation zwischen Skelet-Proportionen, Energieumsatz und Körpermasse, die zusammen die Theorie stützen", sagt Genetiker und Mitautor der Studie, Vagheesh Narasimhan.

Außerdem weist die Arbeit auf Erbgutregionen hin, die ein erhöhtes Risiko für Erkrankungen wie Arthrose bergen. Die von Fachleuten als Herkulesarbeit bewertete Veröffentlichung erschien im Wissenschaftsmagazin Science. Die Kollegen titeln mit einem Schmunzeln in Anlehnung an den Gassenhauer von Nancy Sinatra: "These Bones Were Made For Walking".

[Update]: 22.07.23, 23:45, Eindordnung Mittelstreckenläufer korrigiert

(dz)