Erdbeben in der Türkei und Syrien: Boden hat sich um bis zu 8 m verschoben

Während vor Ort noch fieberhaft versucht wird, Menschen aus den Trümmern zu bergen, wird aus dem All das Ausmaß der Erdbeben deutlich. Die Brüche sind immens.

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Visualisierung der beiden Brüche mit Abweichungen von -4 m (tiefrot) bis 4 m(tiefblau)

(Bild: NASA/JPL/Caltech)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Martin Holland

Die beiden verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien haben die Erdoberfläche auf Hunderten Kilometern um mehrere Meter gegeneinander verschoben. Das legen erste Analysen von Satellitenaufnahmen nahe, die damit Berichte von vor Ort bestätigen. Eine von dem US-Seismologen Chris Miller auf Twitter geteilte Grafik zeigt, dass das erste der beiden heftigsten Erdbeben auf einer Länge von fast 300 km für Verschiebungen zwischen drei und sechs Metern gesorgt hat. Das kleinere der beiden besonders heftigen Erdbeben habe dann am Montagmittag auf einer Länge von rund 100 km sogar Verschiebungen um bis zu acht Meter ausgelöst. Das sei sehr überraschend. Der längere der beiden Brüchen gehöre zu den längsten auf einem Kontinent überhaupt, sagt der britische Seismologe Tim Wright gegenüber Space.com. Es sei sehr ungewöhnlich, dass zwei so starke Erdbeben derart kurz hintereinander an einem Ort auftreten.

Die Daten basieren vor allem auf Aufnahmen der Erdbeobachtungssatelliten des ESA-Programms Copernicus. Die überfliegen in regelmäßigen Abständen alle Regionen der Erde und sammeln unter anderem Radardaten zur Oberfläche. Aus dem Vergleich der Messungen von vor und nach dem Erdbeben kann ermittelt werden, wie weit der Boden verschoben wurde. Wright, der das UK Centre for Observation and Modelling of Earthquakes, Volcanoes and Tectonics (Comet) leitet, hat der BBC erklärt, dass es bis zum Aufkommen solcher Satelliten ein mühsamer Prozess gewesen ist, derartige Karten von den Folgen eines Erdbebens zu erstellen. Seismologen und Seismologinnen mussten dafür den Bruch entlanglaufen. Schon in wenigen Jahren sollten Karten auf Basis von Satellitenmessungen aber nun so schnell zur Verfügung stehen, dass sie den Helfenden vor Ort unmittelbar nach solchen Naturkatastrophen zur Verfügung gestellt werden können.

Aus dem All erkennbare Zerstörungen in drei Ortschaften

(Bild: NASA)

Die NASA hat derweil eine Grafik veröffentlicht, die verdeutlicht, wie solche Radaraufnahmen des Katastrophengebiets noch konkreter zur Hilfe eingesetzt werden können. Das von der US-Weltraumagentur publizierte Bild zeigt mehrere Städte im Zentrum der betroffenen Region der Türkei und dort farblich markiert die Gebäude, die offenbar beschädigt oder zerstört wurden. Auch hier wurden diese über einen Vergleich von Radaraufnahmen ermittelt: Große Abweichungen deuten auf gravierende Veränderungen am Boden und damit schwere Zerstörungen hin. Da ein Pixel eine Kantenbreite von 30 m hat, sind so nur besonders großflächige Veränderungen zu erkennen, künftig könnten Hilfsteams mit solchem Material direkt dorthin gelotst werden, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Die Grafik zeigt auch Differenzen abseits der Ortschaften, die roten und orangefarbenen Punkte könnten etwa die Folge von Erdrutschen markieren.

Die Aufnahmen und Analysen zeigen, dass die wissenschaftliche Aufarbeitung der Erdbeben angelaufen ist. Im Katastrophengebiet selbst wird derweil das schreckliche Ausmaß immer deutlicher. Jüngsten Zahlen zufolge sind bei den beiden heftigsten Erdbeben vor einer Woche mindestens 35.000 Menschen ums Leben gekommen. Das Epizentrum des ersten Bebens mitten in der Nacht lag nahe der Stadt Gaziantep, das des zweiten am Montagmittag etwa 100 km nördlich davon. Die Situation vor Ort wird nicht nur durch die winterlichen Temperaturen, sondern vor allem in Syrien auch durch die soziale Situation erschwert. In die Region sind viele Menschen vor den Verheerungen des seit Jahren andauernden Bürgerkriegs in Syrien geflüchtet. Sie haben nur in behelfsmäßigen Behausungen Zuflucht gefunden.

Satellitenaufnahmen des Zerstörungen in der Türkei und in Syrien (16 Bilder)

Osmaniye am 7. Februar (Bild: Pléiades Neo © Airbus DS 2023)

(mho)