European Payments Initiative am Scheideweg

Die 2020 gestartete Initiative für ein europäisches Bezahlsystem, das Mastercard, Visa und PayPal Konkurrenz machen soll, verliert namhafte Unterstützer.

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Eine offene Hand, darüber schwebt ein €-Symbol

(Bild: SWKStock/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Markus Montz
Inhaltsverzeichnis

Die "European Payments Initiative" (EPI) droht nach einer Rückzugswelle beteiligter Banken zu scheitern, oder nur noch in stark abgespeckter Form zu starten. Mehrere deutsche, spanische, polnische und finnische Kreditinstitute haben ihren Rückzug aus dem Projekt für ein paneuropäisches elektronisches Bezahlsystem erklärt. Nun hat die Gruppe mit der DZ Bank auch den gewichtigen Vertreter der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken verloren. Deren Spitzenverband BVR sah "keine gemeinsame Basis" in einem Ende Februar vorgelegten Konzept der EPI.

Zuvor hatten sich auf deutscher Seite bereits Commerzbank und Hypovereinsbank aus dem Projekt gelöst. Grund sind nach Ansicht von Finanzexperten Unstimmigkeiten der Beteiligten über die Anschubfinanzierung und die Ausrichtung des Bezahlsystems. Die ursprünglich für 2022 geplante Betriebsaufnahme ist ungewiss.

Von den ursprünglich 16, später 31 Banken und Kreditinstitutsverbänden sowie zwei Zahlungsabwicklern aus neun Ländern sind damit noch 13 Häuser übrig, darunter der Deutsche Sparkassen- und Giroverband und die Deutsche Bank. Zugleich ist unklar, wie es mit der im Juli 2020 angekündigten Initiative weitergehen wird, die mehr Einheitlichkeit an Laden- und virtuellen Kassen bringen sowie die EU von amerikanischen Anbietern unabhängiger machen sollte. Im Gespräch ist neben einer kompletten Aufgabe des Projekts laut EPI-Chefin Martina Weimert eine "Light"-Variante, die ein elektronisches Wallet auf Basis von SEPA-Echtzeitüberweisungen umfassen könnte und "auf jeden Fall" für den E-Commerce geeignet sein soll.

Die European Payments Initiative soll nationale Bezahlarten wie Deutschlands Girocard integrieren oder ersetzen und Großkonzernen wie Visa, Mastercard und PayPal Konkurrenz machen.

Im ursprünglichen Paket plante die EPI eine Bezahlkarte und ein digitales Wallet, die Kunden sowohl an der Ladenkasse als auch im Online- und Mobilhandel sowie für Geldtransfers in Echtzeit von Wallet zu Wallet (P2P) hätten nutzen können. Als Grundlage sollte die SEPA-Überweisung, insbesondere die SEPA-Echtzeitüberweisung dienen; zugleich sollte EPI ähnlich den Kreditkarten der großen Anbieter außerhalb Europas verfügbar sein. Über den endgültigen Markennamen haben die Beteiligten noch nicht entschieden. Die EPI mit Sitz in Brüssel ist privatwirtschaftlich organisiert und genießt politische Rückendeckung durch EU-Kommission und Europäische Zentralbank.

Experten aus Finanzwirtschaft und Einzelhandel versprechen sich von EPI eine Reihe von Vorteilen. Durch ein übergreifendes Bezahlsystem mit einer Karte sowie einem Wallet ähnlich PayPal, dem Schweizer Twint oder dem in der Nische verbliebenen deutschen Giropay-Kwitt könnten Europas Bürger im gesamten EU-Gebiet mit dem gleichen System bezahlen. Die mitunter noch vorhandenen Terminals, die nur nationale Karten annehmen (etwa Dänemarks Dankort oder Deutschlands Girocard), wären endgültig kein Hindernis mehr.

Der größte Mehrwert läge in vielen Ländern allerdings an anderer Stelle, nämlich darin, über das Wallet Geld in Echtzeit von Smartphone zu Smartphone zu schicken. Solche in Deutschland vor allem durch PayPal bekannten P2P-Zahlungen sollen auch durch Händler akzeptiert werden können. Für sie wäre dies insbesondere bei kleinen Beträgen (Micropayments) eine Erleichterung; derzeit stehen die Entgelte oft nicht im Verhältnis zum Umsatz. Den Snack in Helsinki bezahlt man dann bequem mit der gleichen App wie in Berlin oder auf Mallorca. Das wäre nicht zuletzt dort von Vorteil, wo P2P-Zahlungen selten genutzt werden, zum Beispiel in Deutschland oder Frankreich. Ebenso wäre eine Einbindung des digitalen Euro denkbar, sollte er kommen.

Ende 2020 präsentierte die EPI auf ihrer Webpräsenz 31 Banken und die zwei Zahlungsdienstleister Worldline und Nets (heute Nexi) als Partner; mittlerweile ist die Zahl auf elf plus zwei geschrumpft.

Darüber hinaus könnten sich für den Handel weitere Vorteile ergeben: EPI würde in den Wettbewerb mit amerikanischen Zahlungsdienstleistern – insbesondere Mastercard, Visa und PayPal – eintreten, und könnte für günstigere Preise sorgen. Genügend Wettbewerbsdruck vorausgesetzt, geben die Händler die niedrigeren Entgelte an Kunden weiter; zugleich könnte die Konkurrenz die Gebühren der drei genannten Firmen dämpfen. Unternehmenspolitische Entscheidungen wie Mastercards Abkündigung seines Bezahlnetzwerks Maestro hätten weniger gravierende Auswirkungen.

Die Befürworter EPIs verweisen zudem auf geopolitische Vorteile, sprich: die Unabhängigkeit von Diensten aus Übersee. Welche Folgen ausländische Finanzsanktionen haben könnten, erfährt derzeit Russland. Über die oft erwähnten Ausschlüsse aus dem internationalen Zahlungsnetzwerk SWIFT hinaus haben auch Mastercard und Visa das Land von ihren Systemen abgehängt. Zwar könnte SEPA solche Einschränkungen zumindest innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums teilweise auffangen, allerdings hängt der Einzelhandel in zahlreichen Ländern stark von Netzwerken ab, die von Visa und Mastercard bereitgestellt werden.

Trotz aller Vorteile sehen Zahlungsverkehrsexperten das Risiko, dass EPI seine hohen Anlaufkosten nicht refinanzieren kann. Im Gespräch waren zunächst 1,5 Milliarden Euro, allerdings erwarteten die Beteiligten, dass in der Folge weitere Investitionen erforderlich sein würden. Entgegen der Hoffnungen mancher Beteiligter will sich die EU bisher nicht mit öffentlichen Geldern beteiligen.

Als Achillesferse des Projekts betrachten viele Beobachter den geringen Mehrwert gegenüber etablierten Bezahlsystemen und dem eingespielten Nutzungsverhalten in den einzelnen europäischen Ländern. So hat Deutschland mit der Girocard im stationären Einzelhandel sowie mit Rechnungskauf und SEPA-Lastschrift im Onlinehandel häufig genutzte, eingeschliffene Verfahren – etwaige Wechsel müssten die deutschen Kunden ebenso mittragen wie beispielsweise die Niederländer, die über ihr nationales System iDEAL mehr als zwei Drittel ihrer Onlinebestellungen bezahlen, an der Ladenkasse aber häufig auf das Maestro-System von Mastercard setzen.

Spaniens Banken wiederum haben mit "Bizum" erst vor wenigen Jahren ein nationales P2P-System aufgebaut, das sie nicht ohne Weiteres aufgeben wollen. Die deutsche Kreditwirtschaft ist mit Giropay-Paydirekt gerade im Begriff, ein nationales Verfahren für P2P und Onlinehandel einzuführen. Dissens gab es unter den Banken daher zusätzlich darüber, ob EPI die bestehenden nationalen Systeme miteinander verknüpfen oder ein komplett neues Bezahlsystem aufsetzen soll – ersteres würde zwar den Übergang vereinfachen, wäre aber wesentlich kostspieliger.

Erschwerend kommt die bislang schleppende Einführung der SEPA-Echtzeitüberweisung hinzu. Bieten Kreditinstitute sie ihren Kunden an, erheben sie häufig gesonderte Gebühren – auch, um die Investitionskosten wieder einzuspielen. Damit wäre eine Kernfunktion des EPI-Projekts für den normalen Kunden zu teuer und beispielsweise gegenüber P2P-Transaktionen von PayPal nicht mehr wettbewerbsfähig.

Auch bei der nun angepeilten EPI-Light-Variante gibt es keine Gewissheit, ob Endkunden sie annehmen würden. Nutznießer dürften dann die amerikanischen Platzhirsche sein. Abgesehen von ihrer gut geölten Lobbymaschine haben sie den unabweisbaren Vorteil, dass sie in allen europäischen Ländern vertreten und in den Alltag integriert sind – und Kunden sie an der Kasse wie im Onlinehandel bereits heute länderübergreifend nutzen.

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(mon)