Expat in Mexiko: Abenteuer digitale Autofabrik im Ausland

BMW hat ein neues Produktionswerk in Mexiko eröffnet. Etwa 200 Expatriats hat der Autobauer dorthin entsendet. Karl-Friedrich Koch ist einer von ihnen.

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Expat in Mexiko: Abenteuer Autofabrik im Ausland

Karl-Friedrich Koch, BMW-Manager im Auslandseinsatz.

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Peter Ilg
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Konzerne ticken anders als mittelständische Unternehmen. Bei BMW ist es üblich, dass Manager alle drei bis fünf Jahre eine andere Aufgabe übernehmen. Für Karl-Friedrich Koch, 53, war 2015 dieser Zeitpunkt wieder einmal gekommen. "Ich hatte eine strategische Aufgabe im Vierzylinder und wurde gefragt, welche Aufgabe ich mir als nächste vorstellen könnte."

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Der Vierzylinder ist das zentrale Verwaltungsgebäude des Fahrzeugbauers in München. Das Hochhaus besteht aus vier nebeneinander stehenden, senkrechten Zylindern, daher sein Kosename. Koch war vorbereitet auf die Frage nach seinem nächsten beruflichen Schritt und hatte sehr wohl eine Idee: eine Aufgabe im geplanten Produktionswerk in Mexiko war sein erklärtes Ziel. Zwei Monate nach dem Gespräch mit seinem Vorgesetzten kam die Bestätigung, dass er ausgewählt wurde. Koch wechselte ins Planungsteam in München, reiste mehrmals nach Mexiko und ist seit 1. März 2017 als Expatriat ins neue Werk entsandt. Es steht im Industriegebiet von San Luis Potosí.

Die Stadt liegt im nördlichen Mexiko, hat etwa 750.000 Einwohner und ist die Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaats. Felsen, Kakteen und niedrige Büsche prägen die dünn besiedelte Wüstenlandschaft. Die Region gilt als weniger arm im Vergleich zu anderen Gegenden in Mexiko, weil sich einige global tätige Industrieunternehmen dort angesiedelt haben. Der Grund dafür ist die Nähe zu den USA, wohin die meisten gefertigten Güter aus der Region geliefert werden.

Für BMW war der Standort auch wegen seiner guten Infrastruktur interessant und den vielen Zulieferbetrieben aus Mexiko, die seit einem guten Jahrzehnt für die Bayern Autoteile fertigen. Etwa eine Milliarde US-Dollar hat BMW in das Werk investiert. Es ist das jüngste von zehn sogenannten Vollwerken: in denen werden Karosserien gebaut, lackiert und Fahrzeuge fertig montiert. San Luis Potosí ist das technisch modernste. "Wir haben eine vollkommen transparente Supply Chain und damit derzeit digital den weitestgehenden Standard von allen Werken.“ Diese Technologie wird nun sukzessiv in allen anderen Fabriken ausgerollt.

Koch ist ein großer und schlanker Mann. Er wirkt sportlich und könnte gut als Hochspringer oder Marathonläufer durchgehen. Seine Augen sind klar, er hört genau zu und spricht mit Volumen. Er hat eine verbindliche und zielführende Art. Große Umwege macht der Mann beim Sprechen nicht und das auch nicht im Leben. Er weiß ganz genau, was von ihm erwartet wird und daran hält er sich. Beim Antworten und Arbeiten.

Seine Aufgabe besteht darin, alle Prozesse von der Bestellung eines Fahrzeugs bis zu dessen Auslieferung digital abzubilden. 80 Autos pro Arbeitstag werden momentan produziert. Der Ausstoß wird peu á peu erhöht und soll abschließend bei 175.000 Fahrzeugen jährlich liegen. "Momentan befinden wir uns in der Hochlauf- und Stabilisierungsphase der Produktion", sagt Koch. Ist die abgeschlossen, werden täglich 240.000 Kubikmeter Material gebraucht.

400 LKWs pro Tag liefern diese Menge an. Die ist so groß, weil 90 Prozent aller verbauten Teile von Zulieferern aus aller Welt stammen. Karosserien schweißt BMW im Werk selbst zusammen und lackiert sie, die Motoren produziert BMW ebenfalls selbst, der überwiegende Teil der Autos stammt von Zulieferern. Koch verantwortet die gewaltigen Waren- und Produktionsströme im mexikanischen Werk.
Er hat an der RWTH Aachen Maschinenbau studiert, anschließend am Fraunhofer Institut für Produktionstechnik promoviert.

Sein erster Job in der Industrie war bei BMW Rolls Royce Triebwerke, dann wechselte Koch in die Motorsparte von BMW. Dort wurde er nach mehreren Stationen Leiter Produktionssteuerung und Logistik im Werk Regensburg. "Nach Mexiko bin ich ursprünglich für drei Jahre entsendet gewesen, vor Kurzem habe ich für 10 Monate verlängert." Koch hat in seinem Zuständigkeitsbereich rund 250 Mitarbeiter, dazu kommen aktuell etwa 300 für die physische Logistik im Werk, um die sich ein Dienstleister kümmert. Im Team von Koch arbeiten 42 Expatriats, das sind auf Zeit entsandte BMW-Mitarbeiter überwiegend aus Deutschland, aber auch aus Großbritannien und den USA. "Bis zum Jahresende baue ich deren Bestand auf 31 ab.“ Für Koch selbst ist noch kein Nachfolger gefunden, auch deshalb die Verlängerung.

Schlimm ist das für ihn nicht. "Mexiko hat eine interessante Kultur, weil sie einerseits exotisch und anders als die in Europa ist. Zum anderen durch den kolonialen Einfluss aber zugänglich für Europäer.“ Die Leute seien freundlich und offen und es scheint häufig die Sonne. "Hier zu leben macht schon Spaß.“ Koch ist mit Frau und Hund nach Mexiko gezogen. Die beiden Söhne sind erwachsen. Während der eine schon ein Studium abgeschlossen hat, ist der andere noch mitten dabei.

Das eigene Haus in München steht leer, wird von einem Dienstleister in Schuss gehalten und wenn die beiden in Deutschland sind, wohnen sie darin. In Mexiko leben sie in einem gemieteten Haus auf einem Golfplatz in SLP, wo etwa 1.000 Häuser stehen, die überwiegend von Einheimischen bewohnt werden. SLP sagen viele Einheimische kurz und knapp zu ihrer Stadt San Luis Potosí. Das Ehepaar geht mit anderen Expats oder Nachbarn mal Essen oder etwas trinken. "Wir haben Anschluss gefunden und sind sehr zufrieden, wie wir aufgenommen wurden.“

Teil eines Gründungsteams zu sein im Aufbau einer komplett neuen Autofabrik ist für Koch eine äußerst spannende Aufgabe. Etwa 2.000 Mitarbeiter hat BMW aktuell in dem Werk, davon ist jeder zehnte ein Expat. Sie alle sollen durch mexikanische Mitarbeiter ersetzt werden. Die Expats bekommen auf ihr Gehalt eine Auslandspauschale. Wegen mehr Geld machen es die wenigsten, für die meisten ist es ein Abenteuer – und ein Auslandseinsatz kann ein Sprungbrett für die Karriere sein. In eineinhalb Jahren geht Koch zurück nach Deutschland. "Dort werde ich eine adäquate Aufgabe übernehmen.“ Wo und welche das sein wird, weiß so lange im Voraus weder er noch das Unternehmen. Das wird sich geben und mit großer Sicherheit nahtlos in den weiteren, bislang stringenten Lebenslauf von Koch fügen.

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(axk)