Galaxie ohne Dunkle Materie: Neue Messungen vertiefen das "komplette Rätsel"

Ob die Galaxie DF2 tatsächlich die erste bekannte fast ohne Dunkle Materie ist, hängt auch davon ab, wie weit sie entfernt ist. Nun gibt es neue Daten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 306 Kommentare lesen

Die sehr diffuse Galaxie NGC 1052-DF2 mit dem Zoom auf die Roten Riesensterne, die nun bei der Distanzmessung halfen.

(Bild: NASA, ESA, STScI, Zili Shen (Yale), Pieter van Dokkum (Yale), Shany Danieli (IAS) IMAGE PROCESSING: Alyssa Pagan (STScI))

Lesezeit: 3 Min.

Der mysteriösen Galaxie NGC 1052-DF2 (kurz "DF2") fehlt offenbar tatsächlich fast komplett die Dunkle Materie –, wie sie entstanden ist, bleibt ein "komplettes Rätsel". Das sagt eine Gruppe von Astronominnen und Astronomen, die mit dem Weltraumteleskop Hubble neue Daten zu DF2 gesammelt haben. Die hatte zuerst 2018 für Aufsehen gesorgt, als erste Forschungsdaten nahelegten, dass die Bewegungen der Sterne dort fast ausschließlich durch deren Gravitation erklärt werden könnten, für Dunkle Materie blieb viel zu wenig Raum. Andere Messungen hatten dann nahegelegt, dass uns die Galaxie deutlich näher ist, das Rätsel schien gelöst. Doch nun stehe fest, dass sie sogar weiter entfernt ist, es fehlt also noch mehr Dunkle Materie. Die Forschenden stehen vor einem Rätsel.

Dunkle Materie wurde bislang nicht direkt beobachtet, worum es sich genau handelt, ist eine der größten Fragen der modernen Physik. Die bisher lediglich theoretisch beschriebene Form von Materie macht sich für uns nur über ihre Schwerkraft bemerkbar. Das heißt, dass sich etwa die Bewegungen der Sterne in der Milchstraße nicht allein durch die Gravitation aller sichtbaren Objekte erklären lassen, die unsichtbare Dunkle Materie beeinflusst ihre Bahnen. Das gilt für alle bislang erforschten Galaxien. Die 2018 vorgestellte Vermessung machte NGC 1052-DF2 zum ersten bekannten Gegenbeispiel. Sie ist etwa so groß wie die Milchstraße, hat aber 200 Mal weniger Sterne. Beim errechneten Anteil an Dunkler Materie kommt die extrem offene Galaxie nur auf 0,25 Prozent des erwarteten Werts.

Wäre uns die Galaxie deutlich näher, als angenommen, könnte das die immense Diskrepanz erklären und das Rätsel auflösen, hatte es immer wieder geheißen. Deswegen hat das Team um Zili Shen von der Universität Yale 2020 mit dem Weltraumteleskop Hubble detaillierte Messungen an Roten Riesensternen am Rand der Galaxie vorgenommen, um die schwierig zu ermittelnde Distanz genauer zu bestimmen. Demnach ist sie sogar 72 Millionen Lichtjahre von uns entfernt und nicht 65 Millionen Lichtjahre, wie 2018 angenommen. Eine zwischenzeitlich verkündete Distanz von lediglich 42 Millionen Lichtjahren konnten sie demnach nicht bestätigen, damit hätte sich das Rätsel aufgelöst. Das "komplette Rätsel" um DF2 habe sich stattdessen nur vertieft, erklären sie nun im Fachmagazin The Astrophysical Journal Letters. Wie die Galaxie entstanden ist, könne man nicht erklären.

Das Team erklärt auch, dass 2020 mit der Galaxie NGC 1052-DF4 eine weitere entdeckt wurde, der scheinbar komplett die mysteriöse Dunkle Materie fehlt. Da sich beide Galaxien vergleichsweise nahe sind, vermuten die Forschenden, dass das Fehlen auf eine gemeinsame Entstehung zurückgeht. Die neuen Messungen hätten aber ergeben, dass sie mit 6,5 Millionen Lichtjahren doch weiter voneinander entfernt sind, als gedacht. Außerdem gebe es zu DF4 eine Theorie, wonach eine andere Galaxie die Dunkle Materie herausgerissen haben könnte. Für DF2 gebe es keine Kandidaten. Die weitere Erforschung der Galaxien und die Suche nach ähnlichen könnte jedenfalls weitere Einblicke in die Natur der Dunklen Materie liefern, erklärt das Team. Außerdem unterstreiche die Entdeckung von Galaxien mit und ohne Dunkle Materie, dass es die rätselhafte Materieform wirklich gebe.

(mho)