Geschrumpfte große und ganz kleine Kameras – die Fotonews der Woche 19/2023

Nikons Z8 mischt die Oberklasse auf und Sony enttäuscht mit seinem Smartphone-Sensor auf höchstem Niveau. Genau hinsehen muss man auch bei Panasonics Angeboten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 10 Kommentare lesen
Die Nikon Z8 von hinten mit waagrecht gestelltem Display

Runde Suchermuschel, viele Fn-Tasten, kein schwenkbares Display - die Z8 bleibt dem klassischen Design der Profiklötze von Nikon treu.

(Bild: Nikon)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Nico Ernst
Inhaltsverzeichnis

Der Kameramarkt folgt 2023 dem Ketchup-Effekt: Erst kommt fast gar nichts, und dann alles auf einmal. Während man das bei der zuckrigen Tomatenpampe noch in der eigenen Hand hat, ist der foto- und videointeressierte Kunde den Marketingstrategien der Hersteller recht hilflos ausgeliefert.

c't Fotografie 3/24

Da gibt es an beiden Enden des Spektrums die Methoden des heimlich-still-und-leise und den extremen Hype. Beides war in dieser Woche zu beobachten, mit all seinen Vor- und Nachteilen. Nikon ist generell recht verschwiegen, kümmert sich peinlich genau um die Einhaltung von Sperrfristen und liefert dann trotzdem das, was die unvermeidlichen Leaks vorhersagen: Eine Baby-Z9, wie die Kollegen von Petapixel in ihrem Testvideo die Z8 nennen.

Blickt man hinter die reinen technischen Daten, ist die Z8 nicht nur kleiner als die Z9, sondern sogar kleiner als die sehr beliebte D850 aus der Ära der digitalen Spiegelreflexe. Man hat also immer noch "genug in der Hand", aber dennoch eine kompaktere Kamera, als das bisher möglich war. An die im Vergleich fast zierlichen Alphas reicht das zwar nicht heran, aber Understatement stand bei Nikons Topmodellen noch nie im Pflichtenheft.

Und während viele Veteranen auf den fest eingebauten Hochkantgriff schwören, ist er in den meisten Situationen doch verzichtbar – für die Z8 gibt es ihn ja auch als Zubehör. Wer viel unterwegs ist und beispielsweise Events, Action und Sport fotografiert, schaut da eher auf die Kapazität des Akkus, und da hinkt die Z8 der Z9 wirklich hinterher: Nur 340 statt 740 Bilder mit einer Ladung sind laut CIPA-Standard geboten, und das ist beispielsweise für einen ganzen Tag auf einer Veranstaltung von Hochzeit bis Festival heute einfach zu wenig. Immerhin: Der Akku der Z8 ist der alte Bekannte EN-EL15, davon hat der Nikonist sicher noch ein paar zur Hand.

Dass der GPS-Empfänger fehlt, es nur einen CF-Express-Slot (plus einen für SD) gibt, ist als Sparmaßnahme leicht zu verschmerzen. Wichtiger ist da, dass Sensor und KI-Autofokus der Z9 identisch übernommen wurden. Damit hat Nikon die Z9 im Wortsinne nur abgespeckt, aber nicht am Fleisch gespart. Dass sie auch die Letzten zum Umstieg in die spiegellose Welt bewegen soll, zeigt sich auch am Preis: Mit dem 24-120-Nikkor als Kit kostet sie 5.500 Euro, und damit immer noch 500 Euro weniger als nur der Body der Z9. Natürlich sind das Profipreise, aber im Kontext dennoch ein faires Angebot.

Da wir auch beim Filmen mit bis zu 8K in Nikons RAW (ProRes klappt nur mit 4K) im professionellen Bereich sind, verwundert jedoch eine Designentscheidung von Nikon: Ein echtes Klappdisplay, mit dem man sich auch selbst im Blick hat, besitzt die Z8 wie auch die Z9 nicht. Stattdessen gibt es nur die bekannte und geöffnet recht fragile Mechanik der Z9, die zum Fotografieren und Filmen zum Beispiel aus niedrigen oder hohen Blickwinkeln zwar toll ist, aber dennoch: Die Möglichkeit für eine kurze Moderation ohne zweite Person oder externes Display wäre hilfreich. Für ein Zehntel des Preises kann das auch Canons neue Einsteiger-Kamera fürs Vlogging, die PowerShot V10.

Und selbst, wenn man mit dem teuren Nikon-Teil wohl kaum nur Vlogs erstellt: Warum soll sich die wohl bei vielen dann beste Kamera im Haus nicht auch für alle Anwendungen eignen? Der Blick zu den dedizierten Filmkameras macht das noch deutlicher: Die gleich teure EOS C70 von Canon hat genau dieses, bei Nikon vielleicht noch verpönte Klappdisplay. Da wurde eine Chance verpasst. Wie gut die Z8 filmen kann, lässt sich übrigens am eingangs erwähnten Video von Petapixel sehen, denn das wurde komplett mit der neuen Kamera gedreht. Und zwar mit Autofokus, denn das klappt mit dieser Generation inzwischen auch beim Filmen sehr zuverlässig.

Weniger verlässlich waren die Gerüchte, die sogar das renommierte japanische Wirtschaftsmedium Nikkei zu Sonys neuem Stacked-CMOS-Sensor verbreitete. Der sollte im nächsten iPhone stecken, landete nun aber doch zuerst im Sony-Flaggschiff Xperia 1 V. Wieder einmal fuhr der Hype-Train los und versprach gar eine Revolution bei den Kompaktkameras mit angeklebtem Telefon, denn vor allem über die Foto- und Videofunktionen werden die Geräte seit Jahren verkauft. Angesichts der erwarteten Wunderdinge wie mindestens verdoppelter Lichtempfindlichkeit und viel weniger Rauschen ist es durchaus eine Enttäuschung auf höchstem Niveau, wenn dabei "nur" die Qualität des letzten iPhones herausgekommen ist.

Im aktuellen Markt sind dann 1.400 Euro für so ein Smartphone zwar vertretbar, nur war die Erwartung doch eine andere. Der "Exmor T for mobile" getaufte Sensor ist dabei nur 1/1,35 Zoll groß, warum, ist unbekannt. Andere Hersteller setzen schon auf 1-Zoll-Sensoren, und sogar Sony selbst vor einem Jahr mit dem Xperia Pro-I. Ein bisschen "Pro" sind dann jedoch immerhin die Apps für Foto und Video, aber – siehe Nikon – auch da wurde Potenzial verschenkt, denn wenn man schon seine Alpha mit dem Smartphone per USB verbinden kann, um das Handy als Monitor zu verbinden: Warum dann nicht gleich eine richtige Kamerasteuerung für die DSLM über das größere Display einbauen? Da lässt sich nur auf Updates hoffen.

Denn dass Kameras auch Softwareprodukte sind, wie regelmäßige Leser unserer Kolumne schon wissen, wird inzwischen auch von den Herstellern ganz unumwunden zugegeben. Ob sich die Differenzierung zwischen zwei Modellen vor allem durch die Firmware aber für den Kunden lohnt, gilt es ganz genau zu prüfen. Deutlich machte das jetzt Panasonic. Die kündigten zwar schon im Januar an, dass einige der Videofunktionen der Lumix S5IIx auch in der 300 Euro günstigeren S5II nachgerüstet werden können – aber nicht genau, welche und zu welchem Preis. Jetzt stellt sich heraus: RAW-Ausgabe per HDMI beherrscht die S5II zwar ab Juni per 200 Euro teurem Update, aber unter anderem nicht Livestreaming über ein Smartphone. Insofern lautet auch hier unsere Empfehlung: fürs Filmen besser gleich die S5IIx.

Überhaupt sollte man eine Kaufentscheidung für eine Kamera nicht nach dem treffen, was ihr vielleicht mal durch eine neue Firmware beigebracht werden könnte. Sondern nach dem, was die Kamera ist, wenn sie auf den Markt kommt. An der Mechanik und der Elektronik ändert sich nämlich durch Software nichts. Überraschende Funktionen wie der verlustfreie Zoom beim Filmen mit der Z9 oder dass die Lumixe jetzt auch Blackmagic Raw beherrschen – was im Januar nicht versprochen wurde – sind keinesfalls garantiert. Gerade bei den Videoformaten oder der Kooperation mit Zubehör wie Gímbals geht es nämlich um fremdes geistiges Eigentum, Lizenzkosten oder ein genereller Unwille seine Systeme zu öffnen, können da in die Quere kommen.

Noch vor dem AI Act der EU, für den es 1012 Treffen mit 551 Lobbyisten gab, droht den mächtigen Betreibern der Plattformen für sogenannte Künstliche Intelligenz das schon bestehende Recht in die Quere zu kommen. Auch in Deutschland gibt es nun eine aufsehenerregende Klage, denn der Stockfotograf Robert Kneschke sieht nicht nur sein Urheberrecht verletzt. Er will unter anderem erreichen, dass Fotografen finanziell an den Gewinnen beteiligt werden, wenn auf Basis ihrer Bilder neue generiert und kommerziell genutzt werden. Das ist aber noch lange nicht alles, wie beim Ketchup - der Hintergrundartikel zur Klage gegen LAION ist unsere Empfehlung für einen Long Read am Wochenende.

Update

Anders als ursprünglich beschrieben besitzt auch die Z9 keinen mechanischen, sondern nur einen elektronischen Verschluss. Gleiches gilt für die Z8. Der Text wurde korrigiert, wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

(nie)