Gewerkschaft sieht in BenQ-Mobile-Insolvenz einen "schmutzigen Trick"

Nach dem Insolvenzantrag des Handyherstellers Benq Mobile stehen Benq und Siemens im Zentrum heftiger Kritik. Arbeitnehmervertreter sprechen von "Riesenschweinerei" und "schmutzigen Tricks".

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Nach dem Insolvenzantrag der vom taiwanischen Konzern Benq übernommenen ehemaligen Siemens-Handysparte droht den Standorten in München, Bocholt und Kamp-Lintfort die Schließung. Während die Arbeitnehmer mobil machen, ist die Insolvenz für Börsianer ein positives Signal. Der Kurs der BenQ-Aktie legte an der Börse Taipeh nach der Ankündigung um gut sechs Prozent zu. Unter Arbeitnehmern und Gewerkschaftern herrscht Empörung. Das Ende von BenQ Mobile, so die Vermutung, sei von langer Hand vorbereitet worden.

"Offenbar handelt es sich um einen schmutzigen Trick, mit dem sich Siemens seiner Beschäftigten entledigt hat", fasst es Harald Flassbeck von der IG Metall zusammen. Gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) erklärte ein Betriebsrat von BenQ Mobile, die Mitarbeiter seien arglistig getäuscht worden. "Von vornherein waren beide Verhandlungspartner auf die Entsorgung der deutschen Mitarbeiter aus, anstatt sich um die Sanierung des Unternehmens zu kümmern", heißt es laut HAZ in einem vom Betriebsrat vorformulierten Brief an Siemens, mit dem die BenQ-Mitarbeiter indivualrechtliche Ansprüche geltend machen sollen. Der Betriebsrat hofft nun, dass sich Siemens zu einer Gesamtlösung, zum Beispiel der Gründung einer Beschäftigungsgesellschaft, bewegen lässt, um sich nicht mit zahlreichen Einzelforderungen auseinandersetzen zu müssen.

Für die Arbeitnehmervetreter ist die Teilung der Handysparte in drei Gesellschaften ein Indiz für den "schmutzigen Trick". So seien in der insolventen BenQ Mobile GmbH & Co. OHG ausschließlich die Mitarbeiter zusammengefasst. Die eigentlich unbeschränkte Haftung der Gesellschafter einer OHG (Offene Handelsgesellschaft) wird in dieser Konstruktion auf das Stammkapital der beteiligten GmbHs begrenzt. Gesellschafter der insolventen BenQ Mobile GmbH & Co. OHG sind die BenQ Management GmbH und die BenQ Wireless GmbH mit einem Stammkapital von je 25.000 Euro. Das Management sei über die separate Management GmbH abgesichert, hieß es weiter. Auch Vermögenswerte und Know-how seien in einer eigenen Gesellschaft gebündelt worden. BenQ habe so Werte von einer Milliarde Euro aus Deutschland abgezogen. Der Betriebsrat spricht von "vorsätzlichem gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmissbrauch".

IG-Metall-Chef Jürgen Peters hat die Elektrokonzerne Siemens und BenQ scharf kritisiert. Die Verkaufsumstände und der gesamte Vorgang müssten genau überprüft werden, sagte der Gewerkschaftsboss am heutigen Freitag. "Der Umgang von Siemens und Benq mit den Beschäftigten ist empörend", erklärte Peters. Siemens und BenQ blieben in der Verantwortung für die Arbeitsplätze. Der IG Metall-Chef in Nordrhein-Westfalen, Detlef Wetzel, sieht den Siemens-Konzern ebenfalls in der Pflicht und nannte die drohenden Entlassungen eine "Riesenschweinerei".

Von einer "großen Sauerei" sprach auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU). "Ich bin der Auffassung, dass auch die Siemens AG noch eine Verantwortung für den Standort Kamp-Lintfort hat", erklärte er bei einer Belegschaftsversammlung des Werkes. NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) will sich persönlich in die Angelegenheit einschalten. Das vitale Interesse des Landes sei es, möglichst viele Arbeitsplätze und – wenn irgend möglich – die Standorte in Bocholt und Kamp-Lintfort zu erhalten.

Der bayerische SPD-Vorsitzende Ludwig Stiegler erklärte: "Die Bayern-SPD sieht die Siemens AG in einer nachwirkenden Verantwortung." Wenn nationale Tochtergesellschaften durch Kappung der finanziellen Zusammenarbeit in den Konkurs getrieben werden könnten, müssten Verkäufer von Unternehmensteilen künftig in eine "gesamtschuldnerische nachwirkende Haftung" genommen werden können. "Es kann nicht sein, dass getarnt über Verkaufsaktivitäten die Risiken der Restrukturierung und der Sozialpläne ausgelagert und durch einen willkürlichen Konkurs auf Gläubiger und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verlagert werden." Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU) hat die Insolvenz der deutschen BenQ-Tochter als "überraschend und bedrückend" bezeichnet, teilt die Kritik an Siemens dagegen nicht. "Ich glaube nicht, dass man jetzt auf die früheren Eigentümer Steine werfen sollte", erklärte Huber.

Siemens bedauerte die Entwicklung. Im Umfeld des Konzerns wurde darauf hingewiesen, dass Siemens an die langfristige Zukunft unter der Führung von BenQ geglaubt habe. Nur deshalb habe man auch die Marke Siemens für eine Übergangszeit mit abgegeben. Siemens-Chef Klaus Kleinfeld hat die Pleite der früheren Siemens-Handysparte als "unverständlich" bezeichnet. Die momentane Situation entspreche nicht der Intention der beiden Unternehmen zur langfristigen Fortführung des Handygeschäftes. "Unter den gegebenen Umständen wird Siemens seine Rechtsposition gegenüber Benq prüfen", kündigte Kleinfeld an. (vbr)