Cebit

Grün ist nicht gleich grün

"Green IT" ist eines der großen Themen dieser CeBIT. Das ist ein Anfang, meint Greenpeace und weist als Spaßverderber auf die noch ungelösten Probleme hin.

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Es grünt auf der CeBIT 2008. Die schmalen Rasenflächen auf dem Messegelände sind über Nacht unter einer dünnen Schneedecke verschwunden, langsam legt die Morgensonne die Wiese wieder frei. Doch auch in den Hallen ist die Farbe Grün überall zu sehen. Die IT-Wirtschaft präsentiert sich in Hannover stolz als grüner Trendsetter und Vorreiter beim Umweltschutz. Am heutigen Mittwochmorgen hatte die Umweltschutzorganisation Greenpeace geladen, um dem grün lackierten Selbstbild der Branche ein paar Kratzer zu verpassen.

Greenpeace fährt seit nunmehr drei Jahren eine Kampagne, um das Bewusstsein der IT-Industrie für Umweltbelange zu schärfen. Dabei konnten die Aktivisten schon erste Erfolge erzielen, die Industrie bewegt sich und kooperiert. Greenpeace erkennt diese Bemühungen auch an. "Es geht nicht um Konfrontation, es geht um einen Dialog", sagt Yannick Vicaire. Er präsentiert auf der CeBIT den Bericht "Searching for Green Electronis" und eine Studie zur Umweltverträglichkeit einzelner Produkte.

Der "Guide to Greener Electronics" wird in regelmäßigen Abständen veröffentlicht. Greenpeace hat 37 Produkte von 14 Herstellern bewertet, die ihre Produkte und Daten freiwillig zur Verfügung gestellt hatten. Nicht alle von Greenpeace gefragten Unternehmen wollten sich beteiligen, zu den prominentesten Verweigerern gehört Apple, die schon einmal Ziel einer eigenen Greenpeace-Kampagne waren. Die Umweltschützer verstehen Apples Zurückhaltung nicht, schließlich sei zu vermuten, dass das neue Macbook Air ziemlich gut abgeschnitten hätte. Auch von Acer, Microsoft und Nintendo sind keine Geräte in der Studie.

Zu den Unternehmen, die ihre Produkte und angefragte Daten eingereicht haben, gehören Computerhersteller wie Dell oder Lenovo ebenso wie Handyhersteller. Die Produkte wurden von Greenpeace nach der Verwendung giftiger Substanzen, der Energieeffizienz sowie die Lebensdauer bewertet. Auch weiche Faktoren wie innovative Ansätze und offensives "grünes" Marketing flossen in die Evaluation ein. Zu den nach Greenpeace-Standards empfehlenswerteren Produkten gehören Desktops von Dell und HP und das Sony Vaio TZ11 Notebook. Bei den Mobiltelefonen schnitt das Sony Ericsson T650i am besten ab, auch bei den PDAs konnte sich Sony Ericsson mit dem P1i an die Spitze setzen.

Als Einkaufsführer für umweltbewusste Verbraucher will Greenpeace die Studie nicht verstanden wissen. Doch hoffen die Aktivisten, dass die herausgehobenen Produkte einen Trend setzen. Noch sieht Greenpeace viel Spielraum für weitere Verbesserungen. Die besten Produkte erhielten jeweils fünf von möglichen zehn Punkten. "Ein wirklich grünes Produkt können uns die Hersteller noch nicht präsentieren", meint die Chemieexpertin von Greenpeace, Ulrike Kallee. Doch sei die Branche auf dem richtigen Weg. In den Geräten von Sony und Sony Ericsson finden sich weniger Schwermetalle, bromierte Flammschutzmittel und PVC als bei der Konkurrenz.

Greenpeace fordert von der Industrie, nicht nur an der Energieeffizienz oder anderen Einzelaspekten zu arbeiten. Wirklich grüne Produkte erforderten einen ganzheitlichen Ansatz, meint Vicaire. "Designt Produkte mit der Umwelt im Hinterkopf, nicht nur cool und funky", ergänzt Zeina Al-Hajj von Greenpeace International. Dazu müsse die Industrie transparenter werden und ihr Geschäftsmodell reformieren. Die ersten Schritte der Branche seien ermutigend, doch müssten "die Schritte schneller und größer werden".

Vor allem bei dem Kernproblem Recycling. Mit allen schönen Worten von Energieeffizienz kann die Branche die riesigen Schrottberge, die sich inzwischen in Ländern wie China oder Indien türmen, nicht kleinreden. Das massive Wachstum der Industrie und die kurzen Lebenszyklen der Geräte machen Elektronikschrott aus Industrienationen zu einem echten Problem der Schwellenländer. 20 bis 50 Millionen Tonnen fallen jährlich an, schätzen die Vereinten Nationen. Trotz eigentlich geregeltem Recycling werden auch in der EU rund 75 Prozent der Geräte nicht wiederverwertet und verschwinden irgendwo hin, schätzt Greenpeace, in den USA sollen es sogar 80 Prozent sein.

So landen alte Computer, die eigentlich in Kalifornien recycelt werden sollten, auf Müllhalden in Indien oder China. Dort versuchen dann Arbeiter unter katastrophalen Bedingungen, aus dem Schrott noch verwertbare Stoffe zu gewinnen. Nicht selten setzen sie sich dabei den ebenfalls enthaltenen Giftstoffen aus. Über diese Menschen müsse auf der CeBIT gesprochen werden, meint auch Sarah Bormann von der Nichtregierungsorganisation WEED. Sie weist auch auf die Probleme hin, die der wachsende Rohstoffhunger der Branche in den Ländern mit entsprechenden Ressourcen verursacht. "Grüne IT" dürfe sich nicht auf stromsparende Computer beschränken. Wie Greenpeace ist auch WEED zuversichtlich, bald wirklich grüne Produkte zu sehen. Auch auf der CeBIT. (vbr)