HDTV-Entwicklungsland

Während ARD und ZDF ihren HDTV-Regelbetrieb erst zu den Olympischen Winterspielen 2010 aufnehmen wollen, beginnen öffentlich-rechtliche Sender in anderen europäischen Ländern spätestens 2008 mit der Ausstrahlung hochaufgelöster Fernsehbilder.

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Von
  • Nico Jurran

Bereits am 1. Dezember dieses Jahres will die schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft „SRG SSR ideé suisse“ den Kanal „HD suisse“ auf Sendung bringen. Ausgestrahlt werden soll das öffentlich-rechtliche Programm über den Satelliten „Eutelsat Hotbird 13 Grad Ost“ (Transponder 85, Frequenz 12 399, Polarisation horizontal, Symbolrate 27 500, FEC 3/4.). Der erste HDTV-Sender der Schweiz soll nach Angaben des SRG-SSR-Sprechers Simon Meyer künftig auch in Kabelnetze des Landes eingespeist werden.

Als Kompressionsverfahren kommt wie bei den deutschen HDTV-Sendern MPEG-4 AVC (H.264) zum Einsatz, als Satelliten-Übertragungsnorm setzt man aber vorerst auf das gewöhnliche DVB-S. Auf das effizientere DVB-S2 will man erst im Jahre 2012 wechseln, wenn auch die übrigen SRG-SSR-Sender hochaufgelöst ausgestrahlt werden sollen. Und noch einen großen Unterschied gibt es zu Premiere HD & Co.: Statt in der derzeit höchsten Auflösung 1080i sendet HD suisse in 720p. Der Betreiber folgt damit der Empfehlung der europäischen Rundfunkunion, an die sich auch ARD und ZDF halten wollen. Eine ausführliche Betrachtung der Vor- und Nachteile beider HDTV-Formate liefert der Artikel ab Seite 174 in c't 22/07.

Laut Simon Meyer strahlt HD suisse nur in HD produzierte Fernsehbilder aus und rechnet nicht wie die deutschen HDTV-Sender der ProSiebenSat.1-Gruppe auch Sendungen in Standardauflösung hoch. Zu den angekündigten Highlights zählen die in Österreich und der Schweiz stattfindende Fußball-Europameisterschaft UEFA Euro 2008 sowie die Olympischen Spiele im kommenden Jahr. Um ein 24-Stunden-Programm bieten zu können, sollen Eigen- und Koproduktionen aus den vier Landesteilen mit ausländischem HD-Material wie Filmen, Konzerten, Dokumentationen und Serien aufgefüllt werden.

Aus urheberrechtlichen Gründen laufen nicht selbst produzierte Sendungen bei HD suisse (grund-)verschlüsselt. Satelliten-Direktempfängern sollen aber, abgesehen vom Kauf eines HDTV-Empfängers und eines HD-Fernsehgeräts, keine Zusatzkosten für den Empfang des Senders entstehen. Auch bei der geplanten Einspeisung ins Kabel setzt sich die SRG SSR nach eigenen Angaben dafür ein, dass Gebührenzahler HD suisse ohne zusätzliche Abonnementskosten empfangen können. Die mehr als 30 Millionen Euro, die das Schweizer Fernsehen bis 2012 für HDTV aufwendet, sollen durch Gebührenerhöhungen aufgefangen werden.

Auch der Österreichische Rundfunk (ORF) will die Fußball-EM und die Olympischen Spiele 2008 in HD ausstrahlen. Laut ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz mache der ORF damit „einen entschlossenen Schritt in die Zukunft des hochauflösenden Fernsehens“. Dies ist ein radikaler Richtungswechsel: Noch 2005 gab der damalige technische Direktor des Senders an, dass HDTV in der nächsten Dekade kein Thema sei.

Folglich traf die damalige ORF-Geschäftsführung auch keine Vorbereitungen für die Einführung des hochauflösenden Fernsehens - eine Entscheidung, an dem die neuen Herren kein gutes Haar lassen: „Derzeit ist uns ja das algerische Fernsehen und auch jenes in Kasachstan HD-mäßig voraus“, so HDTV-Projektleiter Franz Manola gegenüber der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“. Manola forderte im selben Interview die österreichischen Politiker auf, die notwendigen Investitionen bis zur Euro 2008 sicherzustellen; bislang wurden dem Sender Gebührenerhöhungen verweigert.

Auch die BBC als Mutter aller öffentlich-rechtlichen Sender hat ihren HDTV-Testbetrieb mittlerweile erfolgreich abgeschlossen und strebt nun nach eigenen Angaben an, den Regelbetrieb „so schnell wie möglich“ zu starten. Den genauen Starttermin will das Aufsichtsgremium BBC Trust auf seiner nächsten Sitzung im November festlegen. Bis zum Regelbetrieb bleibt die Mattscheibe aber nicht schwarz; die BBC führt ihren Testbetrieb bis zum offiziellen HDTV-Sendestart fort.

Auch bei den Privatsendern tut sich etwas: Bereits in der letzten Ausgabe haben wir berichtet, dass MTV Networks für 2008 einen europäischen HDTV-Kanal plant, dessen Programm aus dem Angebot verschiedener Sender der Gruppe zusammengestellt werden soll. Morgens will man beispielsweise ein Kinderprogramm ausstrahlen, das von Nickelodeon bestritten wird. Es ist davon auszugehen, dass MTV den europäischen HDTV-Kanal, der in Warschau produziert werden soll, als Pay-TV-Angebot verschlüsselt ausstrahlt. Näheres konnte uns MTV Networks noch nicht mitteilen. Auch vom europäischen HDTV-Spross des Nachrichtensenders CNN ist bislang nur bekannt, dass er für 2008 geplant ist.

ARD und ZDF bleiben hingegen bislang dabei, ihren HDTV-Regelbetrieb erst zu den Olympischen Winterspielen 2010 aufnehmen zu wollen - eine Haltung, für die sie in den vergangenen Wochen Kritik von Industrie und Politik einstecken mussten. Andreas Berecky, Technischer Direktor des ZDF, verteidigt den späten Start mit den Vorbereitungen, die man für die HDTV-Ausstrahlung benötige.

Hartnäckig hält sich unter deutschen HD-Fans die Meinung, im Kabelnetz sei aufgrund von Kapazitätsengpässen kein Platz mehr für weitere HDTV-Kanäle. Dem widerspricht Deutschlands größter Kabelnetzprovider Kabel Deutschland (KDG) unter Verweis auf die schrittweise Umstellung der Modulation von QAM64 auf das effizientere Verfahren QAM256 entschieden. Bereits heute ließen sich laut KDG-Sprecher Gassen weitere HDTV-Kanäle (neben Premiere HD und Discovery HD) einspeisen; jedoch habe bislang kein Sender eine diesbezügliche Anfrage gestellt.

Dies könnte sich bereits im kommenden Jahr ändern: Der deutsch-französische Kultursender Arte bestätigte gegenüber c't, Mitte 2008 mit der HDTV-Ausstrahlung im Regelbetrieb für Deutschland starten zu wollen - und auch die Einspeisung des Signals in die Kabelnetze anzustreben. Über Satellit soll das HDTV-Programm Astra auf 19,2 Grad Ost H.264-kodiert im DVB-S2-Standard verbreiten.

Arte ist eine Interessensvereinigung, deren gleichberechtigte Mitglieder Arte France und die Arte Deutschland TV GmbH sind. An letzterer Gesellschaft sind wiederum ARD und ZDF je zur Hälfte beteiligt. (nij) (nij)