Halbschritt

Ende Oktober sollen die ersten Grafikkarten der neuen HD-6000-Generation von AMD in den Regalen stehen. Sie begeistern und enttäuschen zugleich.

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Inhaltsverzeichnis

Eigentlich sind Spieler es schon gewöhnt: Grafikkarten einer neuen Generation lassen im Vergleich zu ihren Vorgängern moderne 3D-Spiele deutlich schneller laufen und bringen eine ganze Reihe von neuen Funktionen mit. Doch diesmal ist es anders.

AMD läutet die neue HD-6000-Generation von DirectX-11-Grafikkarten mit der Radeon HD 6850 (180 Euro) und 6870 (230 Euro) ein. Die Versprechungen klingen gut: eine verbesserte Video-Engine für Blu-rays mit stereoskopischen Inhalten, HDMI 1.4a zur Ausgabe auf HD-Fernsehern, höhere Bildqualität durch zusätzliche Treiberoptionen. Doch hinsichtlich der 3D-Peformance vergleicht AMD die neuen Karten mit der billigeren GTX-460-Serie von Nvidia. AMD konnte uns kurz vor Redaktionsschluss jeweils ein Testexemplar der HD-6800-Grafikkarten zur Verfügung stellen.

Viel spekuliert wurde im Vorfeld über die Architektur der neuen Grafikchip-Serie, die ursprünglich unter dem Codenamen „Southern Islands“ gehandelt wurde. Die Gerüchteköche gingen unter anderem davon aus, dass AMD Änderungen bei der Shader-Organisation vornimmt (4D statt 5D) und dadurch die Funktionseinheiten besser auslasten kann. Schließlich hieß es, dass auf Southern Islands die Northern-Islands-Serie (28 nm) folgt, welche die vorhandene Struktur komplett umkrempelt.

Der Barts-Grafikchip ist 255 mm² groß und beherbergt je nach Variante bis zu 1120 Shader-Rechenkerne.

Doch die HD-6800-Serie läuft nun unter dem Namen Northern Islands und bringt hinsichtlich der Architektur nur marginale Änderungen mit. Die „Barts“-Grafikchips werden weiterhin im 40-Nanometer-Verfahren gefertigt, bestehen aus 1,7 Milliarden Transistoren und sind kleiner (255 mm2) als die RV870-Vorgänger (334 mm2) – und somit für AMD in erster Linie billiger.

Auf der Radeon HD 6870 sitzt ein Grafikchip mit dem Codenamen Barts XT und insgesamt 1120 Shader-Rechenkernen, die in 14 SIMD-Einheiten zu je 16 Fünfergruppen (weiterhin 5D) organisiert sind. Anders als bei der HD-5800-Architektur (Evergreen) versorgen nun zwei Ultra-Threaded-Dispatch-Prozessoren mit jeweils eigenem Instruction- und Constant-Cache die SIMD-Einheiten mit Daten, was die Auslastung der Shader-Rechenkerne erhöhen soll.

Wie bisher sitzen an jeder SIMD-Einheit vier Textureinheiten, insgesamt arbeiten im Barts-Chip also derer 56. Der überarbeitete anisotrope Filter sorgt für weichere Übergänge zwischen den verschiedenen Filter-Stufen. Außerdem lassen sich die Filteroptimierungen (trilinear/anisotrop) nun über einen Schieberegler auch manuell deaktivieren – sie sind also nicht mehr direkt mit der Catalyst-A.I.-Funktion gekoppelt [1]. Laut AMD soll zukünftig auch Morphological Antialiasing im Treiber aktivierbar sein.

Im DirectX-10-Benchmark 3DMark Vantage ordnet sich die Radeon HD 6850 zwischen Nvidias GTX-460-Varianten ein, die HD 6870 ist etwas langsamer als eine HD 5870.

Die Tessellation-Einheit der siebten Generation soll nun durch ein verbessertes Thread-Management und Buffering effizienter arbeiten und bei geringen Tess-Faktoren bis zu zweimal so schnell sein wie der Vorgänger. Im Tessellation-Benchmark Unigine Heaven 2.1 sind allerdings eine GeForce GTX 470 (30,6 fps) oder Radeon HD 5870 (28,1 fps) im DirectX-11-Modus weiterhin deutlich schneller als die Radeon HD 6870 (27,7 fps). Katastrophal ist mit dem aktuellen Treiber die Performance im OpenGL-4-Modus, hier erreicht die Radeon HD 6870 bei sonst gleichen Einstellungen lediglich 10,3 fps.

Die Zahl der unter anderem für die Kantenglättung wichtigen Rasterendstufen bleibt wie auch bei der HD-5800-Serie bei 32 – jeweils 8 sitzen an einem der vier 64-Bit-Speicher-Controller. Letztere binden den 1 GByte fassenden GDDR5-Speicher (2100 MHz) über 256 Datenleitungen an den Grafikchip an (134,4 GByte/s).

Die GPU der Radeon HD 6850 (Barts Pro) beherbergt 2 SIMD-Einheiten und damit 160 Shader-Rechenkerne und 8 Textureinheiten weniger als Barts XT. Außerdem rechnen die Einheiten lediglich mit 725 MHz, der Speicher arbeitet 100 MHz langsamer als auf der Radeon HD 6870.

AMD vergleicht auf seinen Präsentationsfolien die Radeon HD 6870 mit der HD 5850 (1440 Kerne) und kehrt heraus, dass die Radeon HD 6870 trotz einer geringeren Anzahl von Shader- und Textureinheiten schneller ist. Doch genau hier steht der Teufel im Detail: Denn diese Einheiten laufen auf der HD 6870 mit einer 25 Prozent höheren Taktfrequenz (900 MHz). Bei der Zahl der Rasterendstufen liegen beide Karten zwar gleichauf, dank der höheren Taktfrequenz ergibt sich hier aber ein klarer Vorteil für die Radeon HD 6870. Hinsichtlich der Struktur und Organisation der Funktionseinheiten hat AMD also bis auf die leicht verbesserte Tessellation-Einheit vieles beim Alten gelassen.

Die überarbeitete Videoeinheit UVD3 hilft nun auch beim Abspielen von Blu-ray-Filmen mit stereoskopischen Inhalten.

Immerhin hat sich für Filmfreunde einiges getan: Die verbesserte Videoeinheit UVD 3 unterstützt nun auch den Multiview-Codec AVC-MVC und nimmt dem Hauptprozessor bei der Wiedergabe von Blu-ray-Filmen mit stereoskopischen Inhalten die Arbeit ab – entsprechende Software vorausgesetzt. Auch MPEG2, H.264 und VC1 sowie MPEG4-Part 2 für die DivX- und Xvid-Wiedergabe beherrscht UVD 3 und verarbeitet bis zu zwei hochaufgelöste Videoströme gleichzeitig. Sollen Videos aber nicht nur wiedergegeben, sondern auch umgewandelt werden, dann helfen die Shader-Rechenkerne, wenn Programme wie Cyberlinks MediaEspresso sie via Stream, OpenCL oder DirectCompute zu Universalrechnern machen.

Die neuen HD-6800-Karten sind schnell genug, um aktuelle 3D-Spiele in der Full-HD-Auflösung 1920 x 1080 ruckelfrei darzustellen – auch mit Kantenglättung und anisotropem Filter. Oft reicht die Leistung auch für einen flüssigen Spielablauf auf 30-Zoll-Bildschirmen oder im Multimonitor-Betrieb (Eyefinity-Modus). Es gibt nur wenige Ausnahmen, bei denen man etwa Antialiasing oder die Detailstufe reduzieren muss: So ist in Metro 2033 bereits bei Full HD nur Analytical Antialiasing (AAA) und nicht Multisampling drin [2] , sofern man weiterhin in höchster DirectX-11-Detailstufe spielen möchte. Und auch bei Crysis muss man Abstriche machen.

Die Radeon HD 6870 ist in den getesteten Spielen durch die Bank schneller als eine Radeon HD 5850, kommt jedoch an die HD 5870 nicht heran – in einigen Spielen wie Anno 1404 oder Crysis liegt sie aber fast gleichauf. Nvidias GeForce GTX 470 lässt sie in Anno 1404, Battlefield Bad Company 2 und Crysis hinter sich, bei den auf Tessellation setzenden Titeln Metro 2033 und Colin McRae Dirt 2 kehrt sich das Bild jedoch um. Wie auch der Tessellation-Benchmark Unigine Heaven eindrucksvoll zeigt, ist die Tessellation-Leistung der GF100-Grafikchips weiterhin konkurrenzlos. Die Radeon HD 6850 ordnet sich hinsichtlich ihrer 3D-Performance zwischen einer Radeon HD 5830 und HD 5850 ein, je nach Spiel ist sie hier und da schneller als Nvidias GeForce GTX 460 mit 1 GByte.

Die Taktfrequenzen von Grafikchip und Speicher ließen sich über den Catalyst-Treiber noch etwas erhöhen. Die Radeon HD 6870 arbeitete bei 950 MHz Chip- und 2320 MHz Speichertakt noch stabil – wahrnehmbar ist die geringe Mehr-Performance in Spielen allerdings nicht. Die Radeon HD 6850 funktionierte bei 850/2260 MHz noch problemlos, leider riegelte der Treiber bei 850 MHz ab.

Um Spiele auf mehrere Displays zu verteilen, bringt die Radeon HD 6850/70 im Referenzdesign je einen Dual- und Single-Link-DVI-Ausgang, eine HDMI-1.4a-Buchse und zwei Mini-DisplayPorts (DP 1.2) mit. Möchte man mehr als zwei Bildschirme gleichzeitig betreiben, müssen die folgenden via DisplayPort verbunden werden. Maximal vier Displays lassen sich also in diesem Falle mit einer Radeon HD 6850/70 gleichzeitig ansteuern.

In Spielen verbraucht die Radeon HD 6870 nach unseren Messungen durchschnittlich 102 Watt und liegt damit leicht unter einer Radeon HD 5870 (119 Watt). Im Furmark-Belastungstest verheizte die HD 6870 bereits 131 Watt bei kurzzeitigen Spitzen von bis zu 158 Watt. Daher ist es richtig und wichtig, dass AMD der Grafikkarte zwei sechspolige Stromstecker spendiert hat, die inklusive des PEG-Slots bis zu 225 Watt Leistungsaufnahme zulassen. Die HD 6850 ist im 3D-Betrieb noch etwas genügsamer (89 Watt) und zieht maximal 125 Watt aus dem Netzteil, sodass sie mit einem einzigen sechspoligen Stromstecker auskommt.

Beim Arbeiten auf dem Desktop werkeln Grafikchip und Speicher normalerweise im Stromsparmodus. Das klappte bei der Radeon HD 6870 – sie verbrauchte lediglich 18 Watt, im Multimonitorbetrieb 2,5-mal so viel (44 Watt). Unser Testexemplar der Radeon HD 6850 senkte im Leerlauf jedoch nicht die Taktfrequenzen und verheizte mit nur einem angeschlossenen Display bereits 45 Watt. Laut AMD soll es sich dabei lediglich um ein Firmware-Problem handeln. Dennoch: Der 6-Zentimeter-Lüfter war im Leerlauf bei beiden Karten nicht aus dem PC-Gehäuse herauszuhören (0,3 Sone). Unter Last war die HD 6870 mit 1,7 Sone etwas lauter als die HD 6850 (1,2 Sone). Bei keiner Karte kletterte die Grafikchip-Temperatur über die 80-Grad-Marke.

Die HD-6800-Serie ist für ihre Performance vergleichsweise sparsam, stellt aktuelle Spiele auf Full-HD-Bildschirmen ruckelfrei dar und unterstützt auch die Wiedergabe von 3D-Blu-rays. Wer einen großen Sprung in der Performance erwartet hat, wird enttäuscht sein: Denn die Radeon HD 6870 ist etwas langsamer als die HD 5870 der Vorgängergeneration, die Radeon HD 6850 muss sich wiederum mit der GeForce GTX 460 messen, die es bereits für 135 Euro zu kaufen gibt. Der aktuelle Treiber lässt die Option auf Morphological Antialiasing vermissen und ist im OpenGL-4-Modus im Unigine-Benchmark katastrophal langsam. Besitzer von HD-5800-Grafikkarten, denen es vor allem um die Spiele-Performance geht, sollten daher auf die deutlich flinkeren HD-6900-Grafikkarten mit verbesserten Cayman-GPUs warten, die Ende November in den Handel kommen sollen.

[1] Martin Fischer, Scharfmacher, Wie Texturfilter die Bildqualität verbessern, c’t 17/10, S. 162

[2] Martin Fischer, 3D-Walze, Kantenglättungsmodi von AMD und Nvidia, c’t 22/09, S. 190

(mfi)